Lob des Wahnsinns von Bischof LuizVon Leonardo Boff Bischof Fr. Luiz Flávio Cappio war mein Schüler in Theologie von 1970 bis 1971 in Petrópolis. Er zeichnete sich von den anderen Brüdern durch seinen radikalen Kompromiss mit den Armen aus und durch seine Aura der Bescheidenheit und Heiligkeit, die von ihm ausstrahlte. Er blieb mir seine Abschlussarbeit schuldig, eine kleine, wenigstens 30-seitige These. Am letzten Tag, ehe er nach São Paulo versetzt wurde, legte er unter die Türe meiner Zelle ein Blatt, worauf geschrieben stand: “nach 5-jährigem Studium, Betrachtung und Gebeten blieb dies von meiner Theologie übrig”. Er hatte in Griechisch, Latein und Portugiesisch das Vater Unser, das Gebet des Herrn, niedergeschrieben. Immer wenn ich ihn traf, fragte ich nach der Arbeit, die er mir schuldig geblieben war. Im Jahre 1975, an einem Gründonnerstag verschwand er aus dem Kloster in São Paulo. Drei Tage später wurde auf einem Seitenaltar der Kirche ein Brief von ihm gefunden, in dem er seine Entscheidung offenbarte, zu den Ärmsten der Armen zu gehen und ihnen im Namen des Evangeliums zu dienen. Er ging in seiner Mönchskutte und nahm nur das Evangelium mit. Er fuhr per Anhalter auf Lastwagen mit und kam zwei Monate später in Barra an, im Bundesstaat Bahia. In seiner Mönchskutte, Franziskanersandalen und mit dem Evangelium in der Hand predigte er in den kleinen Landgemeinden am Fluss. Als er entdeckt wurde, rief mich der Ordensprovinzial an und sagte: “Der Bruder Luiz ist wahnsinnig geworden, wir müssen ihn zurückholen”. Ich antwortete ihm: Bruder Provinzial, öffnen Sie das Evangelium des Hl. Markus und lesen Sie im Kapitel 3, Vers 21: “Da die Seinen es hörten, dass Jesus herumpredigte, machten sie sich auf, ihn zu ergreifen; denn sie sagten: Er ist von Sinnen.” Und Ähnliches geschah mit dem Hl Paulus, als er das Kreuz Christus predigte, Skandal für die Juden, Wahnsinn für die Heiden und die Rettung für die Christen. Das Gleiche geschah mit dem Hl. Franziskus von Assisi als ihm angeraten wurde, die existierenden klösterlichen Regeln zu befolgen, statt sich radikal mit den Armen zu identifizieren. Er antwortete dem Gesandten des Papstes: “Gott hat mich gerufen den Weg der Einfachheit zu folgen; ich möchte nicht, dass Sie von anderen Regeln sprechen; der Herr hat mir seinen Wunsch offenbart, einen neuen Wahnsinnigen in der Welt zu haben”. Als Bischof Fr. Luiz beschlossen hatte den Hungerstreik anzutreten, sagte er: “wenn Verständnis und Vernunft aufhören, ist der Wahnsinn der Weg”. Dieser Wahnsinn ist kein Wahnsinn, nur eine andere Logik von Liebe, Schaffenskraft von Etwas, was aus dem System herausbricht. Wenn es Jemanden gibt der das Tal des Sao Francisco kennt, dann ist es Bischof Frei Luiz. Im Jahre 1992 bis 1993 pilgerte er mit einer kleinen Gruppe durch das gesamte Flusstal, traf sich mit den Menschen am Flussufer, zeichnete alle Probleme auf und forderte ökologische Maßnahmen. Lula erhielt während seiner Wahlreise entlang des São Francisco, an der auch ich teilnahm, aus der Hand des Frei Luiz das gesamte Material, das Fachleute als sehr wertvoll einschätzten. Da Bischof Frei Luiz ein sehr spiritueller Mann ist, mit großer persönlichen Heiligkeit, hat er einen speziellen Spürsinn für die Anliegen der Armen und der Degradation des São Francisco entwickelt. Die Regierung spricht von technischen Lösungen. Er spricht von sozialen Lösungen. Er ist nicht gegen die Verwendung des Wassers des Flusses für das Trockengebiet. Er ist gegen diese Art der Ableitung, die nicht angemessen mit den Betroffenen diskutiert wurde und die keine soziale Lösung gewährleistet. In einer Welt wo alles Handelsware wird und Gelegenheit zum Gewinn, sollen auch hier 70 % des abgeleiteten Wassers dem Agrobuissenes für Exportzwecke dienen. Die Bundesstaaten sollten das restliche Wasser an das durstige Volk verteilen. Werden sie das machen, ohne dafür Geld zu verlangen? Bischof Frei Luiz hat in den 30 Jahren, in denen er sich mit den Armen des Flusstales identifiziert, diese Sackgasse verstanden. Er hat sich zum “Wahnsinnigen von Gott” gemacht, weil er eine sehr viel höhere Weisheit besitzt. Dies ist ein Brief des Befreiungstheologen Leonardo Boff an Bischof Frei Luiz Flávio Cappio. Übersetzung: Maria Oberhofer, IRPAA . Veröffentlicht amArtikel ausdruckenWeitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von |
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