Sie sind keine ZahlenVon Cindy Sheehan - Truthout / ZNet 22.10.2005 Kürzlich hat mich folgende Mail erreicht (Namen entfernt):
Heute hat mich folgende Mail einer verzweifelten Mutter erreicht, deren Sohn Träger des Gold Star war:
Hier eine Mail, die mir gestern eine Mutter schrieb, die sich nicht als Gold-Star-Mom “qualifiziert”, da ihr Sohn Jeffrey sich das Leben nahm. Er litt unter einem furchtbaren Post Traumatic Stress Syndrome (PTSD) (für das andere Amerika gehört sie dennoch zu GSFP 1 ):
Binnen sehr, sehr kurzer Zeit werden wir im Irak den zweitausendsten toten US-Soldaten haben - leider. Es ist tragisch und empörend. Offiziell sind es mittlerweile 1992 Tote (laut offizieller Gefallenen-Website des Kriegsdepartments). Innerhalb der nächsten Tage könnte die Zahl auf 2000 steigen. Von diesen 1992 Toten sind 13 “pending notifications” (die Familien wurden noch nicht benachrichtigt - Anmerkung d. Übersetzerin). Ich habe über dieses Thema schon einmal geschrieben. Im vorliegenden Fall heißt “pending notifications”, dass 13 Familien ihren normalen Alltagstrott weiterleben, ohne zu ahnen, dass der Hammer jeden Augenblick fällt. Seit Tagen, Wochen, vielleicht Monaten, sorgen sie sich um einen Angehörigen. Einige wissen vielleicht, dass in den vergangenen zwei Tagen 11 unserer (amerikanischen) Kinder getötet wurden und warten jetzt besorgt auf Nachricht. Ist heute der Tag, an dem ihr Leben zerstört wird? Oder trifft es andere - vom Schicksal willkürlich auserkoren, diesen grausamen Angriff auf ihr Heim zu ertragen? Aber es gibt auch viele Familien in Amerika, die heute in der glücklichen Lage sind, Gewissheit zu haben, dass ihr Leben nicht durch den Tod eines geliebten Kindes - getötet in einem sinnlosen Krieg -, auf den Kopf gestellt wird. Zu dieser Gruppe zählen alle Mitglieder der kriminellen Regierung Bush, sämtliche Kongressabgeordneten und jene Leute mit Mikrofonset auf dem Kopf, die rechte Hassbotschaften ausspucken. Keiner dieser Leute hat eine Ahnung, was für ein Horror das ist, nachts wach zu liegen und sich Sorgen um ein geliebtes Kind zu machen und tagsüber mit einem eiskalten Gefühl in der Magengegend rum zu rennen, weil man gehört hat, dass heute im Irak wieder US-Soldaten starben. Die meisten dieser Leute sind für den Krieg - offen oder stillschweigend (indem sie nicht für ein Ende der Besatzung im Irak eintreten). Wir alle wissen, dass George Bush und seine Anhänger - die derzeit zerbröseln wie drei Tage alte Zuckerkekse -, sich keinen Pfifferling um das Schicksal jener scheren, die sie in den Irak geschickt haben, um unschuldige Menschen zu töten und selbst zu sterben. Wir alle wissen, dass George (Bush), Dick (Cheney), Condi (letztere ist für mich eine Vize-Kriegsministerin… weil sie einer diplomatischen Lösung nie eine Chance gibt), Donny (Rumsfeld) (der das Tötungsministerium leitet) und der Rest der Belegschaft ihren Fehler nie eingestehen werden - Leute, was denkt ihr, würde sonst passieren? Im Grunde laufen für sie die Dinge im Irak doch nach Plan! Sie freuen sich über das Chaos und die Unruhen im Mittleren Osten - wie zufriedene Schnecken in ihrem Häuschen. Für sie und ihre kriminellen Mittäter ist das gleichbedeutend mit noch mehr Geld, noch mehr irakischen Ressourcen, die man erraffen kann. Sie leeren unsere Finanzkassen und berauben unsere Gemeinden ihrer künftigen Führungspersönlichkeiten. Obige drei Mails sind drei kleine Zeugnisse der Pein, die ich mit Ihnen teilen wollte. Es sind drei Geschichten - drei aus einer Million. Zehntausende Mütter im Irak, deren Kinder getötet wurden, haben eine Geschichte zu erzählen. Wie viele werden sich an ihren Sohn erinnern, als er noch ein Baby war oder vorpubertär und sich in seinen unschuldigen Augen noch alle mütterlichen Träume und Hoffnungen spiegelten? Mein Sohn Casey hatte eine so hoffnungsvolle Zukunft vor sich. Neulich wurde ich gefragt, was ich am meisten vermisse, wenn ich an ihn denke. Ihn - einfach nur ihn, alles, was mit ihm zusammenhängt. Ich entbehre seine Existenz auf diesem Planeten, seine naive Begeisterungsfähigkeit, seine Zukunftshoffnungen, die einem so zu Herzen gingen. Ich entbehre seine Zukunft und denke an seine Vergangenheit mit einer Mischung aus Liebe und Schmerz. An jenem Tag, an dem der zweitausendste US-Soldat im Irak stirbt, wird es sicher wieder zu landesweiten Kerzenmahnwachen kommen - um die Toten zu ehren. Nett, aber nutzlos. Es wird unsere Truppen nicht heimbringen, und es wird dem irakischen Volk keine Sicherheit bringen. An jenem Tag werde ich wieder in Washington DC sein. Ich werde mich beim Weißen Haus aufhalten. Es ist unser Haus. Ich werde auf dem Bürgersteig sitzen und fordern, dass die Kriegsverbrecher, die in diesem Haus wohnen und arbeiten, unsere Truppen nach Hause bringen. Ich schlage vor: Anstatt im Kerzenschein Mahnwache zu halten und “Give Peace a Chance” zu singen, sollten alle, die die unmoralische Okkupation des Irak beenden wollen, mit Plakaten vor dem Kongress-Büro ihrer Nachbarschaft erscheinen und fordern, dass sämtliche Kongressleute alles in ihrer Macht Stehende tun, um unsere Lieben, unser kostbares Herzblut, aus diesem Alptraum zu befreien. Es wird Zeit, auf friedliche Weise radikal zu werden. Am Tag des Verfassungsreferendums im Irak (inklusive Wahlbetrug) sagte George (Bush):
Nehmen wir ihn und unsere gewählten Vertreterinnen und Vertreter bezüglich dieser heuchlerischen Aussage beim Wort. Und wenn es George nicht tut, dann eben wir! Unsere jungen Leute sind keineswegs nur Zahlen. Sie liegen in frühen Gräbern, weil es diese Verbrecher gibt - Leute, die ins Gefängnis gehören, Leute, die einen schönen Batzen an dieser inoffiziellen Sauerei im Irak verdienen. Die Iraker sind noch nicht einmal Zahlen. Wenn man ihre Toten überhaupt zählt, sie nicht vergisst, dann landen selbst Frauen und Kinder häufig in der falschen Statistik - aufgelistet unter “Aufständische”. Aber wenn Zahlen nötig sind, um Amerika wachzurütteln, dann sei an die Worte von Dr. Death (Donny Rumsfeld) und Mrs. Death (Condi Rice) erinnert, die sagten, die Besatzung könne noch mindestens 12 Jahre dauern. Welche Zahl wäre für Sie okay? Für mich war eine schon zuviel. Anmerkung d. Übersetzerin: 1 www.gsfp.org GSFP (Gold Star Families for Peace - ist eine u.a. von der Familie Sheehan gegründete Organisation von Angehörigen gefallener US-Soldaten mit dem höchsten Militärorden, dem Gold Star) Quelle: ZNet Deutschland vom 23.10.2005. Übersetzt von: Andrea Noll. Orginalartikel: They Are Not Numbers Veröffentlicht amArtikel ausdruckenWeitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von |
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