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US-Armee hungert Zivilbevölkerung im Irak aus

UN-Berichterstatter Ziegler bekräftigt Kritik an Militärstrategie der Besatzer

Von Eulàlia Iglesias

Der UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, Jean Ziegler, bleibt dabei: “Im Irak haben die USA und Großbritannien gegen das Recht der Bevölkerung auf Lebensmittel und Wasser und damit gegen internationales Recht verstoßen”, sagte er im Gespräch mit der alternativen Nachrichtenagentur IPS. Den gleichen Vorwurf hatte Ziegler vor einem Monat in seinem Jahresbericht erhoben und damit in der internationalen Gemeinschaft für Aufsehen gesorgt. Jetzt hofft Ziegler, dass die UN-Vollversammlung sich seiner Kritik anschließt und die Taktik einiger UN-Mitgliedsstaaten verurteilt, die die Versorgung mit Nahrungsmitteln und Wasser als strategische Waffe missbrauchen. In dem inzwischen vorliegenden Entwurf einer entsprechenden Erklärung sieht er ein “gutes Zeichen.”

Dieser Entwurf, über den noch abgestimmt werden muss, fordert: “Nahrung sollte nicht als politisches oder wirtschaftliches Druckmittel benutzt werden. Wegen der Bedeutung der internationalen Kooperation und Solidarität sind einseitige Maßnahmen zu unterlassen, die nicht mit dem internationalen Recht und der Charta der Vereinten Nationen übereinstimmen und eine sichere Nahrungsmittelversorgung gefährden.”

“Dieser Entwurf steht sehr positiv zu meiner Arbeit”, sagte Ziegler gegenüber IPS. “Noch lässt sich allerdings nicht sagen, ob die UN-Mitglieder die Strategie der alliierten Streitkräfte im Irak verurteilen”, betonte er. “Die UN-Generalversammlung hat meinen Bericht sehr gut aufgenommen”, sagte der UN-Sonderberichterstatter weiter. “14 Mitgliedsstaaten haben mir anschließend zu meiner Arbeit und ganz besonders zu dem Bericht gratuliert. Nur die USA und Großbritannien widersprachen meiner Haltung gegenüber Verstößen gegen das Recht auf Nahrung und Wasser im Irak.”

Das US-Militär wies die Anschuldigungen zurück. Ziegler jedoch verwies auf eine Reihe von Informationsquellen, auch auf Nichtregierungsorganisationen, die ihn auf das Problem aufmerksam gemacht hatten. So verfolgten die Besatzungstruppen und einheimische Kollaborateure die Strategie, Städte, in denen sich Widerstandsgruppen aufhalten, nicht länger mit Lebensmitteln und Wasser zu versorgen. Die Zivilbevölkerung solle damit zum Verlassen der Städte gezwungen werden, damit die Rebellen sie nicht als menschliche Schilde benutzen könnten, berichtete er.

Die UN-Menschenrechtskommission hatte den Schweizer Soziologen Ziegler im Jahr 2000 zum UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung ernannt. Er soll dafür sorgen, dass die Regierungen das Recht aller Menschen auf Nahrung respektieren und schützen. Jeweils im Oktober legt er der UN-Vollversammlung und im März der UN-Menschenrechtskommission seinen Jahresbericht vor. In seinem diesjährigen Bericht hatte Ziegler klargemacht, aus militärischer Sicht könne das Unterbinden der Nahrungs- und Wasserversorgung zwar strategisch wirkungsvoll sein. “Doch internationale Menschenrechte, wie sie etwa im Genfer Protokoll verbrieft sind, verbieten ein solches Vorgehen.”

Die Genfer Konventionen von 1949, die in Kriegszeiten den Schutz von Kriegsgefangenen, Verwundeten und der Zivilbevölkerung gewährleisten sollen, waren 1977 durch zwei Protokolle ergänzt worden. Sie verbieten es, den Abbruch der Wasser- und Lebensmittelversorgung als Kriegswaffe einzusetzen, Nahrungsmittelvorräte zu zerstören oder Versorgungslinien zu unterbrechen.

In einer Pressekonferenz im Anschluss an die Vorstellung seines Berichts forderte Ziegler: “Im Irak muss diese Strategie ein Ende haben. Aus Furcht vor dem Verlust ihrer Habe wollen die meisten Menschen die Städte nicht verlassen. Jetzt sterben sie an Durchfallerkrankungen, an vergiftetem Wasser oder an Unterernährung.”

Berichten zufolge wurde nach dieser Strategie in den irakischen Städten Falludscha, Nadschaf, Samarra und im September dieses Jahres in Tal Afar verfahren. Dort hatten die Besatzungstruppen versucht, die Bewohner zur Flucht in Zeltlager amusserhalb der Stadt zu bewegen.

Quelle: junge Welt vom 17.11.2005.

Veröffentlicht am

23. November 2005

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