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Armutszeugnis: Innenministerkonferenz vertagt Bleiberechtsregelung

Weiterhin gibt es kein Bleiberecht für die rund 200.000 in Deutschland geduldeten Flüchtlinge ? von denen etwa 150.000 seit mehr als fünf Jahren hier leben. Die Innenminister von Bund und Ländern konnten sich auf ihrem Treffen in Karlsruhe nicht auf einen Kompromiss einigen, obwohl von SPD- geführten Ländern, aber zuletzt auch vom hessischen Innenminister Volker Bouffier (CDU) Vorschläge dazu vorlagen. Die Innenministerkonferenz (IMK) einigte sich lediglich darauf, eine Arbeitsgruppe auf Ministerebene unter der Leitung des bayrischen Innenministers Günther Beckstein (CSU) einzurichten. Sie soll die Erfahrungen mit dem seit Januar 2005 geltenden Zuwanderungsgesetz analysieren und Vorschläge entwickeln. Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen protestieren gegen diese inhumane Blockadepolitik. Nachfolgend zwei Stellungnahmen von PRO ASYL und des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg.


Ergebnisse der Innenministerkonferenz in Karlsruhe

PRO ASYL: Integrationspolitisches Armutszeugnis - Abschiebemoratorium bis zur Einigung gefordert

Als “integrationspolitisches Armutszeugnis” bewertet PRO ASYL das Ergebnis der Innenministerkonferenz. In allen gesellschaftlichen Kreisen wachse das Bewusstsein, dass Menschen, die lange in Deutschland leben, nicht abgeschoben werden dürfen. Die Innenminister haben sich vor der Verantwortung gedrückt. Das Damoklesschwert der Abschiebung schwebt nun weiter über weit mehr als 100.000 längst integrierten Menschen.

Trotz des negativen Ausgangs der Innenministerkonferenz, betrachtet PRO ASYL die Debatte der letzten Tage als Teilerfolg einer breiten Bewegung für ein Bleiberecht. Die breite Unterstützung der Forderung nach einem Bleiberecht aus Schulen, Kirchen, Verbänden und aus der Politik quer durch die politischen Parteien mache deutlich, dass endlich Bewegung in eine festgefahrene Diskussion gekommen sei. PRO ASYL ruft die Betroffenen und Unterstützer dazu auf, “jetzt nicht die Köpfe hängen zu lassen, sondern weitere Initiativen zum Bundestag, Landtagen und auch zu Petitionsausschüssen und Härtefallkommissionen zu entfalten”.

PRO ASYL appelliert an den Deutschen Bundestag, sich nun seiner Verantwortung zu stellen und eine gesetzliche Altfallregelung zu beschließen. Eine gute Gelegenheit hierfür sei die Anfang 2006 anstehenden Beratungen zur Änderung des Zuwanderungsgesetzes. Das Zuwanderungsgesetz muss u.a. deswegen überarbeitet werden, da EU-Richtlinien in nationales Recht umgesetzt werden müssen.

Damit bis dahin nicht Tausende von integrierten Menschen abgeschoben werden, fordert PRO ASYL die Innenministerien der Länder dazu auf, einen Abschiebestopp für sechs Monate nach § 60 a Abs. 1 AufenthG zu erlassen. Diesen können die Länder in alleiniger Verantwortung für sechs Monate verfügen. So könne das “Horrorszenario” einer Abschiebung von mehr als 100.000 Menschen verhindert werden. Die Mehrzahl der Betroffenen lebt seit vielen Jahren in Deutschland und ist integriert. Die drohenden Abschiebungen wären eine menschliche Tragödie.

Quelle: PRO ASYL e.V. - Günther Burkhardt, Presseerkärung vom 09.12.2005


“Vertagt bis zum St. Nimmerleinstag” -

Innenministerkonferenz vertagt Bleiberechtsregelung in eine Arbeitsgruppe
Flüchtlingsrat Baden-Württemberg kritisiert, “eine mögliche humanitäre Lösung kommt für viele zu spät”

Bis zum St. Nimmerleinstag wollen die Innenminister des Bundes und der Länder offensichtlich eine Entscheidung über eine Bleiberechtsregelung für lange hier lebende nur geduldete Flüchtlinge vertragen.

Erst gestern hatten die Flüchtlingsverbände und Kirchen gemeinsam mit weiteren Initiativen die Notwendigkeit einer Bleiberechtsregelung deutlich gemacht. Gerade für hier geborene oder aufgewachsene Kinder und Jugendliche ist der Schwebezustand einer Duldung keine gute Voraussetzung für ihre Lebensplanung.

Erste positive Anzeichen sind in der Erklärung der Innenminister zwischen den Zeilen zwar herauszulesen: “Uns allen ist klar, dass es hier ganz konkret um das Schicksal von Menschen geht, die schon längere Zeit bei uns sind”, so der Vorsitzende Innenminister Heribert Rech. Dennoch zeigen die weiteren Ausführungen, dass die Wirklichkeit verkannt wird. Jetzt erst die Auswertungen einer Evaluation des Zuwanderungsgesetzes abzuwarten kostet Zeit, die viele der Geduldeten nicht mehr aufbringen können, da sie täglich mit der Gefahr der Abschiebung rechnen müssen.

Der Verweis auf die Härtefallkommission führt ebenfalls in die Irre. Denn gerade in Baden-Württemberg ist deutlich zu sehen, dass die Härtefallkommission keine Entlastung bringt. Mehr als 10.000 geduldete Flüchtlinge leben schon länger als 10 Jahre in Baden-Württemberg. Die Härtefallkommission hat derzeit ca. 700 Fälle zu bearbeiten, die das Schicksal von ungefähr 2.800 Menschen beinhalten. Ungefähr 60 Anträge kann die Kommission pro Monat bearbeiten. 100 neue Fälle kommen aber jeden Monat hinzu. Allein dieses Zahlenwerk zeigt, dass die für besonders gelagerte humanitäre Fälle eingerichtete Kommission nicht das Problem von tausenden Geduldeten lösen kann. Die bis Mitte November nur 3 von Innenminister Rech akzeptierten Härtefallersuchen machen dies umso deutlicher. Auch der Vorsitzende der Härtefallkommission, Edgar Wais, machte in einem dpa-Gespräch klar, dass es für die große Zahl der Altfälle eine großzügige Lösung geben müsse.

Wenn Innenminister Rech die Sorge um das Schicksal dieser Menschen ernst meint, so die 1. Vorsitzende Angelika von Loeper, dann müsste er jetzt für die Betroffenen einen Abschiebestopp für sechs Monate nach § 60 a Abs. 1 AufenthG erlassen. So könnte er zumindest in den nächsten 6 Monaten für die langjährig Geduldeten ein Zeichen setzen, denn diese haben keine Geduld mehr.

Quelle: Flüchtlingsrats Baden-Württemberg e.V. - Angelika von Loeper, Pressemitteilung vom 09.12.2005

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Veröffentlicht am

10. Dezember 2005

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