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Nicht mehr auf dem Weg nach Efrata

Von Meron Benvenisti, Haaretz, 15.12.2005

In ein paar Tagen wird Bethlehem - für eine Nacht - wieder die Aufmerksamkeit der Welt auf sich ziehen. Nur ein paar der hundert Millionen, die Weihnachten feiern, werden die Nacht in der Geburtsstadt des Nazareners verbringen - aber sie wird ein Symbol für den Friedenswunsch sein, der in den Herzen aller Menschen aus allen Religionen schlägt. Die Wenigen, die den Krippenplatz erreichen und an der Mitternachtsmesse teilnehmen, werden sich über ihre Erfahrungen an zwei sehr gegensätzlichen Orten, die Bethlehem 2005 symbolisieren, wundern: die Geburtskirche und Rachels Grenzübergang. Der erste symbolisiert die Hoffnung, die mit der Geburt des Kindes aufkommt - und der zweite Ort steht für Abneigung, Feindseligkeit und Aggression.

Einen Grenzübergang, eine rein funktionale Sache, als Symbol zu definieren, mag für den Leser übertrieben erscheinen. Aber es ist unmöglich, ihn als etwas anderes als ein provokatives Monument zu behandeln, weil die praktischen, angeblichen Sicherheitsgründe, die seine Position diktierten, völlig grundlos sind. Man weiß, dass jeder, der nach Bethlehem hinein oder hinaus will, dies wenigstens an drei Orten tun kann: an der Husan-Kreuzung, bei Talitha Kumi und an der Straße zum Distriktverbindungsbüro in der Nähe der Siedlung Har Gilo. Rachels Grenzübergang ist für Leute mit Reisegenehmigungen, Touristen und für VIPs gedacht und besonders dafür, um klar zu stellen, wer die Kontrolle über die “Eingeborenen” hat.

Eine Menge architektonischen Könnens, Technik, Sicherheits-Know-how und besonders viele Dutzend Millionen von Schekeln wurden in den Bau dieses Monumentes israelischer Willkür investiert. Die Einzäunung - Stahldrehtüren, elektrisch funktionierende Tore, offene Zementkorridore, die von oben überwacht werden können, die Röntgen-Installationen - lösen nur Schrecken aus. “Ich fühlte mich wie eine Rindvieh, es war so bedrohend, so steril”, sagte ein amerikanischer Tourist. Der Bethlehemer Bürgermeister charakterisierte seine Stadt, die nun nur noch durch ein großes eisernes Tor betreten werden kann, als “Freiluftgefängnis.”

Bis vor kurzem gab es Klagen über das Chaos am Kontrollpunkt 300 - eine einfache, staubige Kontrollstelle, die auf der Straße improvisiert wurde und schnell zu einer Art Bazar wurde. Jeder wusste, dass man ihn leicht umgehen konnte, und man hatte das Gefühl, dass dies nur vorübergehend sei und ließ hoffen, dass die Mauern des Hasses bald wieder verschwinden. Der neue Grenzübergang dagegen gibt das Gefühl betonierter Permanenz mit stilisierten Dächern, Umweltdesign, ordentlichen Parkplätzen, elektrischer Tore. “Der Grenzübergang wurde nach den Standards aller Grenzübergänge im Land und überall in der Welt gebaut”, sagte ein Polizeioffizier stolz.

Ein Grenzübergang zwischen Bethlehem und Jerusalem? Was für eine perverse Geographie zieht eine Grenze zwischen den Zwillingsstädten? Eine Zementmauer, die “Trennungszaun” genannt wird und sich windet durch Olivenhaine und an verlassenen Häusern vorbei, beweist ihre Absurdität. Ja, man kann einen Vertreter des Friedenslagers sagen hören: Das ist ein wichtiger Übergang, weil er die Grenze zwischen Israel und dem palästinensischen Staat markiert. Er hat dabei die Tatsache vergessen, dass Bethlehem nur eine kleine Enklave ist, die nahe am Gush Etzion-Siedlungsblock liegt und so zur Karte des Konsenses gehört. …

Der Grenzübergang, der nach der Urmutter Rachel genannt wurde, ist nicht irgendeine geopolitische, sondern eine kulturelle Grenze. Sie stärkt das Gefühl, dass Israel sich selbst hinter Gettomauern einschließt, die es für sich gebaut hat. Es gibt zwar noch andere ähnliche Grenzübergänge woanders in der Westbank, aber die Straße nach Bethlehem, die viel von Touristen benützt wird, betont, dass die Israelis ihre Verbindungen zur westeuropäischen Kultur lösen, zu der sie zu gehören behaupten. Jeder, der eine Mauer zwischen sich und der Geburtskirche baut, sendet die Botschaft der Ablehnung gegenüber den Heiligen Stätten der Christenheit aus und gegenüber den Traditionen der einheimischen Bevölkerung - auch gegenüber Weihnachtsliedern und den unzähligen Kunstwerken, ohne die es keine westliche Kultur gibt.

Und wer gab dem Monument israelischer Willkür den Namen unserer Urmutter Rachel? Die Planer des “Grenzüberganges” zögerten nicht, das Gedenken an sie zu beschädigen, indem sie die traditionelle Route “auf dem Weg nach Efrata, welches Bethlehem ist” (Mos.35,19) zu verändern. Der traditionelle Weg wurde vom Trennungszaun abgetrennt, und Rachels Grab selbst wurde in einen Bunker verwandelt, der nur durch einen Umweg zu erreichen ist, der in einer dicken Mauer endet. Ein gepanzerter Bus mit einer bewaffneten Militäreskorte hilft einer Gruppe ultra-orthodoxer jüdischer Frauen. Ein Soldat schreit sie aus Furcht vor den Arabern an: “Schnell, schnell rein!” So war es von den Planern des monströsen Komplexes auf der Straße nach Bethlehem nicht gedacht. Die riesigen Mauern, die versperrten eisernen Tore, das Straßensystem, die Einrichtungen am Grenzübergang und die Ausrüstung - alles lässt genau das Gegenteil erkennen: Angst, Absperrung und Aggression.

In der diesen Komplex bauenden Gruppe fehlte dringend eine Person mit genügend Sensibilität für den historischen und religiösen Hintergrund von Bethlehem, eine Person, die hätte helfen können, die entstandene kulturelle Katastrophe und die ökologische Zerstörung zu verhindern. Doch wer hätte auf solch eine Person gehört?

Aus dem Englischen: Ellen Rohlfs

Meron Benvenisti war früher stellvertretender Bürgermeister von Jerusalem

Veröffentlicht am

22. Dezember 2005

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