Der Iran kommt vor den SicherheitsratEine Kurzanalyse der Iranischen GegenmaßnahmenVon Otfried Nassauer Die iranischen Maßnahmena) Die Ankündigung, mit der kommerziellen Urananreicherung sofort zu beginnen ist psychologische Kriegführung und zugleich Humbug. Drei Gründe: Erstens: Der Iran verfügt über eine einzige, nie genutzte kleine Kaskade von 164 Zentrifugen, die aufgebaut ist, aber bisher nicht benutzt wurde. Damit kann man nicht kommerziell anreichern. Der Iran besitzt 1.274 Zentrifugen, die er aufbauen könnte. Fachleute halten maximal 700 davon für benutzbar. Würden sie aufgebaut, wäre eine kommerzielle Anreicherung damit noch immer nicht realisierbar. Um kommerziell anzureichern, müssten erst noch Tausende von Zentrifugen hergestellt und aufgebaut werden. Die monatlich mögliche Produktionsrate im Iran liegt nach bisheriger Erkenntnis zwischen 50 und 100 Stück. Zum Vergleich: Die Pilotanreicherungsanlage des Irans soll 3.000-5.000 Zentrifugen haben, die kommerzielle 50.000. Zweitens: Der Iran hat bisher nur an Anreicherungsexperimenten gearbeitet, nicht aber angereichert. Er weiß also noch nicht, ob seine Kaskade funktioniert. Drittens: Die Fachwelt ist sich weitestgehend einig, dass das UF6, das der Iran bisher hergestellt hat (ebenso wie Vorprodukte) signifikant mit Molybdän u.a. verunreinigt ist. Ungereinigt (ein chemischer Prozess, von dem nicht bekannt ist, ob der Iran ihn beherrscht) ist dieses UF6 bisher nicht zur Anreicherung brauchbar. Zur Ergänzung ein Worst-Case Szenario: Hätte der Iran keine technischen Probleme und kämen auch überhaupt keine mehr auf den Tisch und würde der Iran alle Kraft auf die schnellstmögliche Produktion des Materials für eine Bombe konzentrieren, so würde dies nach übereinstimmender Analyse der allermeisten Fachleute mindestens 5-10 Jahre dauern; ein Wissenschaftler hat ein 3-Jahres-Szenario berechnet, schließt sich aber in der Hauptaussage den anderen an; übereinstimmend denken alle, es wird eher länger dauern. Alle gehen dabei - wie US-Geheimdienstkoordinator Negroponte diese Woche vor dem Senat - davon aus, dass der Iran wohl kein geheimes Zweitprogramm und kein angereichertes Uran aus dem Ausland hat. b) Die Ankündigung der Beendigung der freiwilligen Zusammenarbeit mit der IAEO ist ein Schritt, der den Iran, die IAEO und den Rest der Welt schädigt. Wenn der Iran diesen Schritt wahr macht, dann kann die IAEO ihm keinen “clean record” mehr ausstellen, da es noch ungeklärte Fragen gibt. Sie kann nur auf Basis des bisherigen Wissens urteilen und wird dies zwecks Sicherung ihrer Glaubwürdigkeit eher zurückhaltender bzw. skeptischer tun. Das wird der UNSR negativ berücksichtigen. Zugleich schadet der Schritt der IAEO, die ihrerseits auf teils ungesicherter Faktenbasis urteilen muss und erneut einen Fall “entzogen” bekommt, bevor sie ihn abschließend beurteilen konnte (das dauerte auch in anderen Fällen viel länger als 2,5 Jahre). Die Negativauswirkung auf die multilateralen Elemente des Nichtverbreitungsregimes verstärkt sich, da der Iran-Fall zweifelsohne Präzedenzfallcharakter für die Zukunft und den Umbau des Nichtverbreitungsregimes hat. In diesem Kontext bekommen unilaterale Instrumente Aufwind. Schließlich, und das ist auch der Nachteil für Teile des Westens: Es entfallen die wesentlichen Instrumente zur weiteren Aufklärung des Charakters des iranischen Atomprogramms und damit die wesentlichen Voraussetzungen für öffentliche (Teil)Transparenz und Nachvollziehbarkeit. Warum Teile des Westens? Geheimdienste und ideologisch motivierte Politik im Westen profitieren von dieser Entwicklung, weil sie als Quelle über das iranische Programm leichter reüssieren können und keine glaubwürdige Falsifizierung mehr fürchten müssen. Der Schritt selbst ist auch rechtlich nicht unproblematisch. Je nachdem wie er seitens des Irans begründet wird, stellt sich die Frage, ob es sich um einen Bruch der Wiener Konvention über völkerrechtliche Abkommen und Verträge handelt oder ähnlich wie die Rücknahme der US-Unterschrift unter das Abkommen unter den Internationalen Strafgerichtshof zu werten ist. Meiner Einschätzung nach wird der Iran seine Zusammenarbeit mit der IAEA nach NVV und Safeguards-Abkommen (INFCIRC 214) nicht einschränken. Lediglich INFCIRC 540 ist betroffen. c) Die Wiederaufnahme der Forschung stellt wie alle anderen Maßnahmen die Beendigung einer einseitigen vertrauensbildenden Maßnahme dar, zu der Teheran nicht rechtlich verpflichtet ist. Die Maßnahme hat keine gravierenden sachlichen Auswirkungen, eher psychologische. In der Tat, der Iran kann in zusätzlichen Bereichen an erkannten Problemen seiner Nukleartechnik weiterarbeiten und versuchen, sie zu lösen. d) Über die Wiederaufnahme der Zentrifugenproduktion hat der Iran bislang keine öffentlich zugängliche Aussage gemacht. Mit ihr ist aber zu rechnen. Sie impliziert, dass dem Iran monatlich etwa 50 funktionsfähige Zentrifugen zusätzlich zur Verfügung stehen dürften, er sich also der Fähigkeit zu einer Pilotanreicherung und später auch einer kommerziellen Anreicherung wieder in mäßigem Tempo weiter annähern kann. e) Die Gespräche über ein Anreicherungs-Joint-Venture mit Russland (und ggf. China) gehören nicht zu den einseitigen Maßnahmen des Irans; es ist im zentralen Interesse des Irans, diese Türe derzeit offen zu halten. Anderslautende Äußerungen eines (bislang) einzelnen iranischen Offiziellen dürften sich m.E. nach nicht bewahrheiten. Ich gehe davon aus, dass zumindest der Termin 16.2. von iranischer Seite vorläufig gehalten wird. 2. HandlungsoptionDas iranische Außenministerium hat angesichts der nationalen, für die Regierung verbindlichen Gesetzgebung des iranischen Parlamentes, das zur Durchführung obiger Maßnahmen zwingt, wenn die IAEO den Iran an den UNSR überweist, angedeutet, dass die Administrative eine gewisse zeitliche Flexibilität bei der Umsetzung dieser Maßnahmen hat. Hier wäre zu überlegen, ob man dem nicht anrät (bzw. über weniger “desavouierte” Gesprächspartner als die EU-Staaten anraten lässt), dass der Iran zumindest
3. Zwei Generelle Anmerkungena. Es zeigt sich erneut, dass Druck - der eine Lösung mit Gesichtsverlust für den Iran impliziert - in mittelöstlichen Konfliktmanagementstrategien Gegendruck und schnelle Eskalation provoziert. Der Iran gibt unter solchem Druck nicht nach und wird das auch künftig nicht tun. Weitere Eskalationsschritte sind deshalb wahrscheinlich. Wir lesen diese fälschlicherweise als “Provokationen”, weil wir unsere, westlichen Konfliktmanagementstrategie zugrunde legen. Wer annimmt, der Iran mache bald den großen Rückzieher, irrt wohl. Eskalationskontrolle im westlichen Sinne ist in mittelöstlichen Konflikten ein Fremdwort. Eskalationskontrolle wird dadurch erreicht, dass man Art und Agenda der Eskalation dominiert. b. Wenn die Bundesregierung glauben sollte, durch eine Vorreiterrolle im Streit mit dem Iran eine deutliche Verbesserung des transatlantischen Verhältnisses und mehr Mitsprachegewicht bei den Entscheidungen über das weitere Vorgehen gegen den Iran erreichen zu können, dann irrt sie. Ihre Unterstützung wird Washington als Wiedergutmachung in Sachen Irak und Buße tuende Umkehr “mitnehmen”, wenn die USA die nächsten Eskalationsschritte angehen. “Gegenleistungen” werden kaum erfolgen. Ein erneuter Richtungswechsel wird dann für die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik sehr schwer. Schon jetzt deutet sich an: Am Beispiel Iran werden zentrale Grundmuster rot-grüner Außenpolitik paradigmatisch verändert, aber als praktizierte Kontinuität verkauft. Quelle:
BITS
vom 07.02.2006. Dieser Beitrag erschien zuerst am 28.01.2006 bei Veröffentlicht amArtikel ausdruckenWeitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von |
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