Am deutschen Wesen soll die Reaktor-Welt genesen!Deutsche Hochtemperatur-Reaktortechnik auf ehemaligem deutschen Kolonialstützpunkt in China. Baubeginn: 2007Von Horst Blume Wenn am 22. Februar Außenminister Steinmeier in alter deutscher Tradition mit einem Tross von Wirtschaftsvertretern nach China reist, will er erneut der deutschen Industrie die Türen öffnen und zu neuen Aufträgen verhelfen. Ein in diesem Riesenland vergleichsweise kleinerer Landstrich wird hierbei eine besondere Rolle spielen, weil er seit langem mit Deutschland in inniger Verbindung steht. Eine alte Geschichte…Es ist der Ort, wo seit über 100 Jahren Bier nach deutschem Reinheitsgebot gebraut wird, wo Wilhelm II. bis 1914 im kaiserlichen Kolonialstützpunkt das Sagen hatte und viel später Bayer, Rheinmetall, Degussa - und wo im nächsten Jahr eine längst totgeglaubte altdeutsche Technik aus der Versenkung heraustritt, um erneut die Welt zu erobern: Hier auf der Halbinsel Shandong wird nicht zufällig der Thorium Hochtemperatur-Reaktor (THTR) gebaut. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts hatte China viele militärische Niederlagen hinnehmen müssen. In den folgenden Jahren verlangten europäische Großmächte, Japan und Russland Hafenrechte, Konzessionen, Einflusszonen und Kriegsentschädigungen. China als Selbstbedienungsladen der Finanzimperien wurde für Deutschland interessant. Bereits 1860 erkundete eine preußische Expedition die Gegend der Kiautschou-Bucht auf der Halbinsel Shandong, was in den folgenden Jahren zum Abschluss verschiedener Handelsverträge führte. 1890 wurden christliche Missionsstationen unter “Schutz” gestellt und es begann der Wettlauf um Bergbau- und Bahnkonzessionen. 1898 nötigte das Deutsche Kaiserreich China einen auf 99 Jahre befristeten Vertrag über ein Pachtgebiet in der Kiautschou-Bucht auf. Die hier neu entstandene Stadt Tsingtau, später Qingdao genannt, wurde ein paar Wochen später in ein deutsches “Schutzgebiet” umgewandelt. Das Territorium in einem Umkreis von 50 Kilometern zu einer “neutralen” Einflusszone erklärt. Die deutsche Firma Carbwitz & Co sicherte sich bei dem Bau der Eisenbahnlinie von Qindao in die Provinzhauptstadt Jinan einen 15 Kilometer breiten Korridor rechts und links der Bahnlinie das Recht für die Ausbeutung von Kohleminen. Die Folge zahlloser unter Zwang und Druck abgeschlossener Verträge war die halbkoloniale Versklavung großer zusätzlicher Gebiete Chinas. Die Ermordung von zwei deutschen Missionaren und des deutschen Gesandten Baron von Ketteler mussten im Gefolge des “Boxer-Aufstandes” für mehr als 40 blutige Strafexpeditionen des deutschen Kaiserreiches in Nordchina herhalten. Der Brigadekommandant Lothar von Trotha nahm übrigens nicht nur an der Niederschlagung des Boxeraufstandes teil, sondern auch vier Jahre später an dem Völkermord an den Herero und Nana in Deutsch-Südafrika. (Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre wurde hier das Uran für den deutschen THTR abgebaut….). Wilhelm II. rief in seiner berüchtigten “Hunnenrede” am 27.7.1900 zur Schonungslosigkeit auf: “Kommt Ihr vor den Feind, so wird er geschlagen, Pardon nicht gegeben; Gefangene nicht gemacht. Wer Euch in die Hände fällt, sei in Eurer Hand. Wie vor tausend Jahren die Hunnen unter ihrem König Etzel sich einen Namen gemacht, der sie noch jetzt in der Überlieferung gewaltig erscheinen läßt, so möge der Name Deutschland in China in einer solchen Weise bekannt werden, daß niemals wieder ein Chinese es wagt, etwa einen Deutschen auch nur scheel anzusehen.” Nach der weitgehenden Unterwerfung Chinas durch die neuen europäischen Kolonialherren konnten die Geschäftsinteressen deutscher Firmen intensiver weiterverfolgt und immer mehr diskriminierende Konsessionsverträge abgeschlossen werden. 1914 besaßen deutsche Konzerne 16% der Anleihen in China. Die Verwaltung von Qingdao unterlag dem Reichsmarineamt. Zu Beginn des 1. Weltkrieges wurde das dort stationierte dritte Seebatallion (1400 Mann) durch 3400 weitere Soldaten verstärkt. Nach wochenlangen Kämpfen gegen japanische und englische Truppen kapitulierte am 7. 11. 1914 die deutsche Truppe. Qingdao wurde durch Japan besetzt. Die aktuelle EntwicklungUnd Heute? China und Deutschland bemühen sich auch jetzt darum, den Konzernen alles Recht zu machen, damit sie investieren. Sicherlich, die Vergangenheit hat gewisse “Schatten” hinterlassen. Aber wo das Geschäft winkt, wird sogar von chinesischen Wissenschaftlern mal eben ein koloniales Terrorregime in eine “Musterkolonie” mit Universität, deutscher Architektur und hundertjähriger Brauereitradition umdefiniert, die damalige “Modernisierungsleistung” der Deutschen gelobt und fleißig “differenziert”: “Auf der anderen Seite sind Aspekte wie der Bau von Eisenbahnenlinien und die dadurch erreichte Belebung der Wirtschaft der Region und die Entwicklung Qingdaos zur modernen Stadt, der Aufbau einer modernen Verwaltung und eines modernen Ausbildungssystems nicht zu bestreiten. (…) Muß man gar das Ende des kolonialen Zeitalters betrauern?” schrieb 1998 Jing Dexiang in dem Tsingtau-Ausstellungskatalog des Deutschen Historischen Museums. In den letzten Jahren sind beide Länder im beiderseitigen Geschäftsinteresse im Eiltempo aufeinander zugegangen und knüpfen damit an alte Traditionen an. Helmut Kohl hat während seiner Chinareise 1995 Qingdao besucht und neue Kooperationen angebahnt. Nukleare Kooperation zwischen China und DeutschlandSo ist nicht wirklich verwunderlich, dass die in Deutschland entwickelte HTR-Linie hier ihren Neuanfang nimmt. Ein Konsortium aus Huaneng, Tsinghua und China Nuclear Engineering and Construction (CNEC) hat sich dafür entschieden, bei Weihai an der Nordküste von der Halbinsel Shandong einen 195 MW THTR zu bauen. Huaneng, einer von Chinas größten Stromerzeugern, erhält 50% in dem Joint Venture. CNEC wird 35% und Tsinghua 5% übernehmen. Die restlichen 10% sollen offen für weitere Investoren sein. 2007 ist Baubeginn, 2010 soll die Anlage fertig sein. Auch diese neuere Entwicklung hat eine unmittelbare Vorgeschichte. Bereits 1976 bereisten Ingenieure der Essener Vereinigung der Großkraftwerke (VGB) China und sprachen eine Einladung nach Deutschland aus. Am 19.1.1978 besuchte der stellvertretende Energieminister Chinas, Chan Pin, den damals im Bau befindlichen THTR in Hamm/Westfalen. In den 80er Jahren bestanden intensive Kontakte zwischen dem Kernforschungszentrum Jülich, wo der THTR entwickelt wurde, und der Tsinghua Universität in Peking. Auch nach dem Massaker auf dem “Platz des Himmlischen Friedens” im Jahre 1989 in Peking arbeiteten deutsche und chinesische Wissenschaftler an drei Studien für einen zu bauenden HTR in China. Der Kernphysiker Wang Dazong hatte in der mit dem Forschungszentrum Jülich kooperierenden RWTH Aachen promoviert und seine Doktorarbeit über kleine HTRs geschrieben. Er ging zurück nach China, machte Karriere und wurde Präsident der Pekinger Uni Tsinghua. China kaufte die stillgelegten Anlagen aus Hanau zur Herstellung der HTR-Brennelemente - der Skandal blieb damals aus - und erwarb das noch fehlende Know how. 1995 begannen die Chinesen mit dem Bau eines 10 MW Versuchsreaktors auf dem militärisch gesicherten Gelände der Pekinger Universität. Im Jahre 2000 wurde der Reaktor erstmals kritisch. Eine rege Tagungstätigkeit begleitet den Versuchsbetrieb. Deutsche Wissenschaftler und Verbandsvertreter sind natürlich immer dabei. China hat im März 2005 mit Südafrika, das ebenfalls mit deutscher Hilfe 2007 mit dem Bau eines THTR´s beginnen will, ein Kooperationsabkommen für den Austausch technischer Daten und für Nuklearentwicklung und Vermarktung abgeschlossen. Inzwischen ist Shandong vom chinesichen Staatsrat zu einer “ökologischen Provinz” erklärt worden. Vom 11.bis zum 13. Januar 2006 fand in Qingdao das zweite Deutsch-Chinesische Umweltforum statt. Neben dem deutschen Umweltstaatssekretär Matthias Maching reiste auch Bundesumweltminister Sigmar Gabriel an. Es nahmen mehr als zweihundert Teilnehmer aus Wirtschaft und Politik teil. Die deutschen Forschungszentren setzten in diesem Rahmen ihre altbekannte Arbeit fort. “Zusammenarbeit im Technologiebereich”, “Energieeffizienz” und “gemeinsame Bemühungen zur Förderung der nachhaltigen Nutzung von Ressourcen” heißt es im Text der “Qingdao-Initiative” zum Ziel der Veranstaltung. Da die Produktion von nuklearem Wasserstoff in Verbindung mit dem HTR inzwischen zu einer umweltfreundlichen Energieform umdefiniert wurde, schließen die genannte Thematik und der Konferenzgegenstand die Bemühungen zur Förderung der Atomenergie nicht aus. Denn hier handelt es sich in Anlehnung an die alte rotgrüne Sprachregelung bekanntlich ohnehin um wichtige “Sicherheitsforschung”. Weitere Infos zum HTR in China in den THTR-Rundbriefen Nr. 88 und 98 auf der Homepage
www.thtr-a.de
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