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Gandhi, Bush und die Bombe

Von Lawrence S. Wittner - History News Network / ZNet 28.02.2006

Am 24. Februar sagte der Nationale Sicherheitsberater des Weißen Hauses, Stephen Hadly, auf einer Pressekonferenz, Präsident Bush werde auf seiner bevorstehenden Indienreise einen Kranz zu Ehren von Mohandas Gandhi niederlegen.

Wer sich mit dem zynischen Symbolismus von Regierungsoffiziellen etwas auskennt, dürfte sich nicht wundern, dass der amerikanische Präsident alles daran setzt, einen PR-Nutzen aus Mahatma Gandhi zu ziehen. Schließlich ist Gandhi einer der verehrtesten Menschen in Indien und einer der verehrtesten Menschen in der Weltgeschichte überhaupt.

Die Heuchelei wird noch getoppt durch die Tatsache, dass Bush derzeit einer der führenden globalen Kriegsherren ist - das muss man sich mal vorstellen -, während Gandhi einer der führenden globalen Verfechter des Prinzips der Gewaltlosigkeit war. Hinzu kommt, dass der Hauptzweck der Indienreise des amerikanischen Präsidenten ein Deal ist, der Indien mit zusätzlicher Nukleartechnologie versorgen soll. So wird es dem Land möglich sein, die Entwicklung von Atomwaffen weiter zu beschleunigen.

Wir erinnern uns, Mahatma Gandhi war nicht nur ein leidenschaftlicher Anhänger der Idee des gewaltlosen Widerstands - als Alternative zum Krieg - er war auch ein scharfer Kritiker der Atombombe. Gandhi 1946: “Der Einsatz der Atombombe, um Männer, Frauen und Kinder insgesamt zu vernichten, ist für mich der teuflischste Gebrauch der Wissenschaft”. Gandhi sagte einmal, als er von dem Atombombenabwurf auf Hiroshima gehört habe, sei es ihm durch den Sinn gegangen: “Wenn die Welt jetzt nicht die Gewaltlosigkeit akzeptiert, bedeutet dies den sicheren Selbstmord”. 1947 sagte Gandhi, “derjenige, der die Atombombe erfand, hat die schwerste Sünde auf dem Gebiet der Wissenschaft auf sich geladen”. Und weiter: “Die einzige Waffe, die die Welt noch retten kann, ist die Gewaltlosigkeit.” Die Atombombe, so Gandhi, “lässt sich nicht durch Gegenbomben zerstören.” Und: “Hass lässt sich nur durch Liebe besiegen”.

Diese Aussagen Gandhis bilden den interessanten Hintergrund zum Plan von Präsident George Bush, Indien mit neuer Nukleartechnologie zu versorgen. Indien ist eine von nur vier Nationen, die sich beharrlich weigern, den Atomwaffensperrvertrag (NPT) zu unterzeichnen - einen Vertrag, hinter dem 188 Nationen stehen. Indien hat der Welt den Vogel gezeigt und Atomtests durchgeführt. In Indien existieren, davon gehen Experten aus, zwischen 50 und 100 Atomwaffen, die im Land selber entwickelt wurden. Laut Atomwaffensperrvertrag ist es verboten, Nukleartechnologie an Staaten zu exportieren, die keine internationalen Inspektionen ihres Atomprogramms zulassen. Auch das amerikanische Gesetz verbietet es, Nukleartechnologie an Länder zu liefern, die eine vollständige internationale Überwachung ablehnen, zudem verbietet das amerikanische Recht einen entsprechenden Technologietransfer an Länder, die den Atomwaffensperrvertrag nicht unterzeichnet haben bzw. Atomtests durchführen.

Gäbe Präsident Bush irgendetwas auf die Ideen des Mahatma Gandhi bzw. auf die Verpflichtungen, die ihm aus internationalen Verträgen und aus amerikanischem Recht erwachsen, so würde er nicht darauf hinarbeiten, Indien mit derselben Atom-Technologie zu versorgen, die er hinsichtlich Iran so vehement verurteilt. Übrigens hat der Iran den Atomwaffensperrvertrag durchaus unterzeichnet. Der Iran ließ Inspektionen der Internationalen Atomaufsichtsbehörde (IAEA) zu, und der Iran hat noch nie irgendwelche Atomwaffentests durchgeführt.

Es gibt weitere Kritikpunkte hinsichtlich des Deals. Derzeit gestalten sich die Beziehungen zwischen Indien und Pakistan zwar relativ stabil, sie könnten aber in Mitleidenschaft gezogen werden, sollte der Eindruck entstehen, dass die indische Regierung den Ausbau ihres atomaren Arsenals beschleunigen will. Was ist, wenn Pakistan genau dieselbe Hilfe im Nuklearbereich einfordert wie Indien? Und wenn Indien damit durchkommt, den Atomwaffensperrvertrag einfach zu ignorieren und anschließend von den USA sogar noch mit Nukleartechnologie beliefert wird, welchen Grund sollten andere Länder haben, sich an den Atomwaffensperrvertrag zu halten? Sicherlich werden die Iraner genau in diese Richtung argumentieren.

Auch in den USA ist Bushs Doppelmoral nicht unbemerkt geblieben. Der demokratische Kongressabgeordnete Ed Markey und der republikanische Abgeordnete Fred Upton haben im Kongress eine parteiübergreifende Resolution eingebracht (H.Con.Res.318), in der sie starke Bedenken gegenüber dem geplanten Nuklearabkommen zwischen Indien und den USA äußern. Hilfe für Indien auf humanitärem und wissenschaftlichem Gebiet befürworten beide ausdrücklich - eine derart umfassende Zusammenarbeit zwischen Indien und Amerika auf dem Gebiet der zivilen Nutzung der Nukleartechnologie allerdings wird von ihnen als ernste Gefahr gesehen. Die Resolution nennt ein Beispiel: Sollten die USA Indien mit nuklearem Brennmaterial versorgen, könnte dies dazu führen, dass die in Indien existierende Produktion von spaltbarem Material Überschüsse freisetzt, die für den Ausbau des indischen Atomwaffenarsenals genutzt werden könnten. Die Resolution wendet sich zudem gegen einen Transfer von Nukleartechnologie an jedwedes Land, das den Atomwaffensperrvertrag nicht unterzeichnet hat und der vollen Überwachung (seines Atomprogramms) nicht zustimmt.

Bleibt abzuwarten, was aus dieser Resolution letztendlich wird. Falls die Bush-Administration tatsächlich zu einem Nuklearabkommen mit der indischen Regierung kommt, müsste sie den US-Kongress anschließend überzeugen, amerikanisches Recht zu ändern. Gruppen, die sich für Abrüstung und Waffenkontrolle einsetzen, werden vehement versuchen, dies zu verhindern.

Mag die Regierung Bush auch vor Gandhi auf die Knie gehen - um zu einem Atompakt mit Indien zu kommen -, bevor sie ein entsprechendes Abkommen umsetzen kann, bekommt sie es jedenfalls mit einer Menge äußerst skeptischer Beobachter zu tun und wird diese Skeptiker erst überzeugen müssen.

Lawrence S. Wittner ist Professor für Geschichte an der State University of New York /Albany und Autor von ‘Toward Nuclear Abolition: A History of the World Nuclear Disarmament Movement, 1971 to the Present’ (Stanford University Press)

Quelle: ZNet Deutschland vom 04.03.2006. Ãœbersetzt von: Andrea Noll. Orginalartikel: Gandhi, Bush, and the Bomb

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Veröffentlicht am

05. März 2006

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