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Internationaler Frauentag am 8. März 2006

PRO ASYL: Wer vor drohenden ‘Ehrenmorden’ und Zwangsehen nach Deutschland flieht, muss Schutz erhalten!
Umsetzung des Zuwanderungsgesetzes unzureichend

Zum Internationalen Frauentag am 8. März 2006 fordert die bundesweite Flüchtlingsorganisation PRO ASYL, dass Frauen, die vor ‘Ehrenmorden’, Zwangsverheiratung oder Genitalverstümmelung nach Deutschland fliehen, als Flüchtlinge anerkannt werden.

“Der staatliche Einsatz gegen ‘Ehrenmorde’ und Zwangsehen ist nur dann glaubhaft, wenn Frauen, die davor nach Deutschland fliehen, auch Schutz erhalten”, so Marei Pelzer von PRO ASYL.

Nach über einem Jahr Erfahrung mit dem neuen Zuwanderungsgesetz, das Opfer geschlechtsspezifischer Verfolgung schützen soll, kommt es noch immer zu vielen negativen Entscheidungen gegenüber verfolgten Frauen, beklagt PRO ASYL.

Von bundesweit einheitlichen Entscheidungsmaßstäben kann bislang noch nicht die Rede sein. Einige Gerichte, aber vor allem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, versuchen die Entscheidung des Gesetzgebers für einen verbesserten Schutz für Flüchtlingsfrauen zu umgehen.

Das Bundesamt stellt sich auf den Standpunkt, dass geschlechtsspezifische Verfolgung nur dann anzunehmen sei, wenn alle Frauen eines Staates, einer Ethnie etc. von der Verfolgung betroffen seien. Denn nur dann sei das gesetzliche Merkmal der “sozialen Gruppe” gegeben. Mit dieser Begründung wurde zum Beispiel einer jungen Kosovarin der Schutzstatus verweigert, weil nicht alle Frauen im Kosovo unterschiedslos von Zwangsverheiratung betroffen seien. Diese Strategie des Bundesamtes, nur bei 100-prozentiger Betroffenheit aller Frauen den Flüchtlingsstatus zu gewähren, widerspricht nicht nur der Genfer Flüchtlingskonvention, sondern ist zudem lebensfremd und höhlt insgesamt den Flüchtlingsschutz für verfolgte Frauen aus.

Auch in Fällen drohender ‘Ehrenmorde’ kommt es noch immer zu bagatellisierenden Entscheidungen. Im Fall einer Algerierin, die - unverheiratet schwanger - ihre Tötung durch ihre strenggläubigen männlichen Familienangehörigen befürchtete, lehnte das Bundesamt den Asylantrag mit dem schlichten Hinweis ab, der algerische Staat sei bei Übergriffen nichtstaatlicher Kräfte, wie z.B. von Familienangehörigen, schutzwillig und schutzfähig. Dass dies in Algerien allerdings nicht der Fall ist, stellt richtigerweise das Verwaltungsgericht Dresden fest. In einem vergleichbaren Fall entschied es, dass es keinen staatlichen Schutz für Frauen in Algerien gebe (VG Dresden, 14.3.2005).

Eine weitere typische Fallgruppe geschlechtsspezifischer Verfolgung stellt die Sanktionierung wegen Ehebruchs oder außerehelichen Geschlechtsverkehrs dar. Das Verwaltungsgericht Saarland lehnte zum Beispiel den Asylantrag einer Iranerin ab, der wegen Ehebruchs Misshandlungen durch ihren Ehemann einerseits und Strafverfolgung durch iranische Behörden andererseits drohten: “Dass die Klägerin von ihrem Mann verprügelt worden ist und dass sie an einer sexuellen Traumatisierung leidet, ist nicht asylrelevant”, stellt das Gericht mit Hinweis auf die fehlende “politische” Verfolgung fest. Zur drohenden Strafverfolgung meint das Gericht: “Die Verfolgung knüpft nicht allein an das Geschlecht an - Anknüpfungspunkt ist vielmehr der Ehebruch an sich.”

Mancher Richter hat aus der Debatte der vergangenen Jahre überhaupt nichts gelernt. So entzieht ein Einzelrichter des VG Osnabrück, immerhin dessen Vizepräsident, einer Irakerin trotz der Zustände im Irak nicht nur den Asylstatus, er gibt für das Alltagsleben im Irak auch noch zynische Ratschläge. Obwohl die Irakerin wegen ihrer blonden Haare und ihrer blauen Augen (die Tochter einer deutschen Mutter hat nicht die deutsche Staatsangehörigkeit, weil sie vor der Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts geboren wurde) besondere Angst hat, im Irak Opfer von Übergriffen zu werden, attestiert ihr der Richter: “Einer derartigen Gefahr könnte die Klägerin problemlos dadurch entgegentreten, dass sie sich in der Öffentlichkeit den islamischen Kleidervorschriften (Kopftuch) anpasst.”

Nach über einem Jahr Erfahrung mit dem neuen Flüchtlingsrecht, das geschlechtsspezifische und nichtstaatliche Verfolgung ausdrücklich anerkennt, herrscht in der Entscheidungspraxis zum Teil Unwilligkeit, verfolgten Frauen den Schutz zu geben, der ihnen zusteht. Manchen fällt es offenbar leicht, bei Gewalt und Zwang gegen Frauen die Rückständigkeit anderer Gesellschaften und Kulturen zu thematisieren und gleichzeitig die fortbestehende Schutzlücke für die Betroffenen im eigenen Land zu ignorieren.

Quelle: PRO ASYL Bundesweite Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge e.V. - Presseerkärung vom 07.03.2006.

Veröffentlicht am

08. März 2006

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