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Interessenzone Iran

Von Karl Grobe - Kommentar

Dreißig Tage Zeit zum Luftholen gewährt die Erklärung des UN-Sicherheitsrats zum iranischen Atomprogramm. Sie ist ein Wunschzettel, kein Ultimatum mit Strafandrohung. Und sie ist die letzte mögliche Position, auf die sich die fünf Mächte einigen konnten. Sie lässt alles offen, da sie weder etwas erzwingen noch etwas konzedieren will. Über die Berliner Runde der fünf Mächte mit Deutschland kann Günstigeres auch nicht gesagt werden. Die Sechser-Einheit ist Fassade.

Zwei Kernfragen, in denen sich die Interessen der konfrontativen Staaten USA und Iran bündeln, enthalten das Problem. Was plant die Bush-Regierung wirklich, will sie den Krieg und fahndet nur noch nach passenden Vorwänden? Und: Was plant die Teheraner Regierung wirklich, will sie "die Bombe" und verschleiert sie nur diese Absicht mit der Beteuerung, es gehe um zivile Nutzung des geschlossenen Brennstoff-Kreislaufs, wie es jedem Staat unter Bedingungen gestattet ist? Da es keine plausiblen Antworten gibt, wird das Misstrauen plausibel.

Die Beteuerung, es werde nur das zivile Ziel der Energiegewinnung verfolgt, ist nicht unbedingt glaubwürdig. Israel, Indien und Pakistan haben Gegenbeweise geliefert. Doch auch Unglaube ist kein Beweis. Denn nicht jeder Staat, der es könnte, rüstet nuklear. Japan, Südafrika, einige südamerikanische und europäische Staaten belegen das.

Das Bekenntnis zur Diplomatie spricht ebenso wenig für die Absichten des Bekenners. Diplomatie kann ebenso wie Aufrüstung das Mittel der Wahl sein, um bestimmte Ziele zu erreichen und erkennbare Interessen durchzusetzen. Die Option, Gewalt anzuwenden, ist für den Fall in Reserve gehalten, dass der gewaltlose Druck nicht ausreicht. Letztlich geht es um die Abwägung von Risiken, Möglichkeiten und Potenzialen.

Seit sechzig Jahren ist die Golfregion, somit auch Iran, für Washington eine strategische Interessenzone. Der Grund dafür heißt Erdöl. Wer mit den USA kooperiert und wie das betreffende Regime beschaffen ist, interessiert die USA herzlich wenig, solange die Kooperation - der Zugang zum Energierohstoff - gesichert ist. Als Mohammed Mossadek 1953 die iranischen Ölquellen verstaatlichte, war das den USA Anlass genug, durch eine Geheimdienst-Operation das demokratische Regime in Teheran zu stürzen und durch ein kaiserlich-autokratisches zu ersetzen. Für Iraner, ob Demokraten oder willige Anhänger der Theokratie, ist dies das wichtigste geschichtliche Datum. Von hier aus werden die Bewegungen und Interventionen der USA in der Region gemessen und bewertet. Von diesem Datum aus bauen die Verfechter einer Nuklearrüstung ihre Argumente auf.

Den USA gibt - ebenso verständlich - das Jahr 1979 den argumentativen Angelpunkt: Das Jahr, in dem der Schah gestürzt, die Islamische Republik revolutionär gegründet und die US-Botschaft in Teheran zur Stätte einer langen Geiselaffäre wurde. Es war das Jahr, in dem Washington einen Vertreter seiner strategischen Interessen verlor.

Viele Iraner unterstellen Washington das permanente Streben nach uneingeschränkter Herrschaft. Gleichzeitig unterstellen viele US-amerikanische Politiker Teheran das Streben nach regionaler Hegemonie. Das wechselseitige Misstrauen in die letzten Absichten des jeweils anderen ist hier begründet. Die Atom-Problematik, so gewichtig sie auch schon für sich ist, hat in diesem Zusammenhang taktische Bedeutung: Eine denkbare "iranische Bombe" verschöbe die Gewichte, ändert aber nicht die Interessenlage.

Das alles geht nicht nur die beiden gegenwärtig aufeinander fixierten Staaten an. Das Erdöl im Nahen Osten steht der Weltwirtschaft nur dann zur Verfügung, wenn es bei friedlichen Verhältnissen bleibt. Russen, Westeuropäer, Inder und Chinesen haben dieses ökonomische Interesse. Sie brauchen Sicherheit und Vertrauen, gegründet auf Diplomatie. Gewiss wäre ein demokratisches Regime in Teheran der angenehmere Partner; dieses den 70 Millionen Iranern von außen aufzuzwingen, wie es auf der Tagesordnung der Neokonservativen in den USA steht, ist aber Illusion. Hier trennt sich der Weg der Europäer und Asiaten vom möglichen amerikanischen Kriegspfad.

Quelle: Frankfurter Rundschau vom 31.03.2006. Wir veröffentlichen den Artikel mit freundlicher Genehmigung von Karl Grobe.

 

Veröffentlicht am

01. April 2006

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