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Atomwaffeneinsatz gegen den Iran?

IPPNW beschließt Appell

Die atomkritische Ärzteorganisation IPPNW hat auf ihrem internationalen Kongress "Zeitbombe Atomenergie. 20 Jahre Tschernobyl" an diesem Wochenende mit Bestürzung auf einen Bericht des US-amerikanischen Magazins The New Yorker reagiert. Demnach planen die USA, unterirdische nukleare Forschungsanlagen im Iran mit Atomwaffen anzugreifen. Der amerikanische Journalist Seymour Hersh berichtet unter Berufung auf Washingtoner Quellen von konkreten Plänen der US-Militärführung, nach denen die US-Regierung den Einsatz von bunkerbrechenden Nuklearwaffen gegen die Atomanlage Natans durchführen soll.

"Wir verurteilen die Kriegspläne der USA, insbesondere den menschenverachtenden Einsatz von Atomwaffen. Wir fordern die deutsche Regierung und Politiker aller Parteien auf, einer deutschen Unterstützung eines Krieges gegen den Iran eine klare Absage zu erteilen", so die Vorsitzende der IPPNW Dr. Angelika Claußen. Dies ist auch die Botschaft eines Appells, den die Kongressbeteiligten verabschiedeten. Der Appell schlägt die Bildung einer Langzeitkonferenz für Sicherheit und regionale Zusammenarbeit im Mittleren und Nahen Osten vor, die unter anderem das Ziel verfolgt, dort eine atomwaffenfreie Zone unter Einschluss von Israel zu erreichen.

Bereits 2003 widerlegte eine IPPNW-Studie (Dr. Sidel et al) die Behauptung von US-Militärs, dass eine mit geringer Sprengkraft bestückte bunkerbrechende Atomwaffe "minimalen Kollateralschaden" erzeuge. Eine Ein-Kilo-Tonnen-Bombe müsste mindestens einhundert Meter in die Erde eindringen, um die Radioaktivität im Untergrund eingeschlossen zu halten. Der sogenannte Bunkerbuster B-61-11 dringt aus einer Höhe von ca. 13.000 Metern nur bis zu sieben Meter in die Erde ein. Die Explosion einer solchen Waffe würde durch ihren Fallout radioaktiven Staub, Trümmer und anderes radioaktives Material über viele Quadratkilometer verteilen. Weite Teile des Irans würden radioaktiv verseucht, unzählige Menschenleben gefordert. 

Quelle: IPPNW - Presseerklärung vom 09.04.2006


Appell

IPPNW-Kongress verabschiedet Appell

Zur Verhinderung eines Irankrieges

Wortlaut des Appells an die Bundesregierung, die Fraktionen und die Abgeordneten des deutschen Bundestages zur Verhinderung eines Krieges gegen den Iran:

"Wir sind im höchsten Maß beunruhigt über die Absicht der Vereinigten Staaten, gegen Iran einen Luftkrieg führen zu wollen, an dem auch die Bundesrepublik Deutschland direkt oder indirekt beteiligt sein wird. Viele Indizien untermauern unsere Befürchtung: Vor allem die Ablehnung des russischen Kompromissvorschlages durch die USA am 07. März, obwohl Irans Regierung diesem Vorschlag nach schwieriger interner Abstimmung zugestimmt hatte (s. Anlage). Der Artikel von Seymour Hersh in der Zeitschrift "The New Yorker" über die aktuellen Planungen der USA für ein Bombardement des Iran, einschließlich des Einsatzes von Atombomben, alarmiert uns zusätzlich.

Obwohl wir die außenpolitische Haltung der gegenwärtigen iranischen Regierung gegenüber Israel für inakzeptabel halten, hat der Iran ein völkerrechtlich verbrieftes Recht auf Urananreicherung (NPT). Der russische Vorschlag sichert dem Iran dieses Recht prinzipiell zu, unterbindet aber gleichzeitig die industrielle Urananreicherung auf iranischem Boden und erfüllt so die zentrale Forderung der EU und der USA.

Im Interesse der Kriegsvermeidung halten wir die Akzeptanz des russischen Vorschlags für notwendig. Dessen ungeachtet lehnen wir selbstverständlich die "friedliche" Nutzung der Atomkernspaltung ebenso wie die militärische weiterhin ab.

Ein Krieg gegen den Iran wird von der Mehrheit der US-Amerikaner abgelehnt. Die unklare Haltung der Bundesregierung und anderer europäischer Regierungen ermutigt jedoch die USA, die Eskalation zuzuspitzen und Gewalt als Mittel zur Lösung des Atomkonflikts einzusetzen, mit oder ohne UN-Sicherheitsrat. Wir dürfen nicht zu Handlangern einer solchen kriegerischen Entwicklung werden!

Deshalb appellieren wir eindringlich an die Bundesregierung, die Fraktionen und alle Abgeordneten des deutschen Bundestages:

  • Schließen Sie jetzt unmissverständlich eine deutsche Unterstützung für einen Krieg gegen den Iran aus und erteilen Sie einer Politik der Droheskalation, die unweigerlich in einen Krieg einmündet, eine klare Absage.
  • Verlangen Sie von der Regierung der Vereinigten Staaten, dem russischen Vorschlag zuzustimmen. Nur wenn es gelingt, einen Krieg zu verhindern und Irans legitime Rechte nicht infrage zu stellen, können die Reformwilligen im Iran wieder die Oberhand gewinnen und die Hardliner um den iranischen Präsidenten Ahmadinedschad isolieren.
  • Treten Sie ein für die Bildung einer Langzeit-Konferenz für Sicherheit und regionale Zusammenarbeit im Mittleren und Nahen Osten, die auch das Ziel verfolgt, dort - wie in der IAEO-Resolution vom 04.02.2006 hervorgehoben - eine atomwaffenfreie Zone zu errichten, die Israel einschließt. Unternehmen Sie dafür schon jetzt erste Schritte."

Bonn, 9. April 2006


ANLAGE

Hintergrund zum aktuellen russischen Kompromissvorschlag

1. Im Januar 2006 führen Irans Reformer, vor allem der ehemalige Staatspräsident Rafsandschani umfangreiche Gespräche mit der gesamten religiösen Führung, um den Revolutionsführer Ayatollah Khamenei und den gegenwärtigen Staatspräsidenten Ahmadinedschad für einen Kompromiss zu gewinnen.

2. Mitte Februar 2006 veröffentlichten iranische Medien Auszüge aus einer spektakulären Rede von Hassan Rouhani (Rafsandschanis Gefolgsmann und ehemaliger Generalsekretär des Nationalen Sicherheitsrates und Irans Verhandlungsführer mit den EU-Drei unter der Regierung Khatami). Darin erklärt Rouhani die bisherige Doppelstrategie des Irans, nämlich die friedliche Nutzung der Nuklearenergie in Verbindung mit der Beherrschung des gesamten Brennstoffkreislaufs für gescheitert. "Wir müssen Geduld haben und zur Beendigung der Aussetzung (der Urananreicherung) andere günstigere Gelegenheiten abwarten. Und wenn wir uns damit abfinden wollen, müssen wir auch alle unsere Möglichkeiten dafür einsetzen und überlegt vorgehen, ohne uns unter Druck zu setzen." (zitiert nach Enghelabe Eslami Nr. 640 (6.-19. März, Paris)

3. Russland unterbreitet Iran Ende Februar einen neuen Vorschlag. Die iranischen und internationalen Medien berichten über intensive und zähe Verhandlungen.

4. Die iranische Reformzeitung Shargh berichtete am 05. März über ein aus 6 Paragraphen bestehendes Einigungsdokument zwischen Russland und Iran und zitierte Irans gegenwärtigen Verhandlungsführer Larijani, der nach Gesprächen mit El Baradey gerade nach Teheran zurückkehrte, u. a. mit folgenden Äußerungen: "Über das Recht Irans zur Urananreicherung gibt es keine Diskussion mehr. […] Die Europäer wollten, dass wir auch die Urananreicherung zu Forschungszwecken im Zusammenhang mit dem russischen Vorschlag aussetzen, was wir aber nicht akzeptieren […] Urananreicherung zu Forschungszwecken ist für uns nicht verhandelbar. […] Der russische Vorschlag enthält Forderungen der IAEA und unsere Erwartungen."

Kommentar: Larijani bestätigt indirekt jedoch eindeutig, dass Iran bereit ist, auf industrielle Urananreicherung auf eigenem Boden zu verzichten.

5. Am 07. März versucht Sergej Lawrow in Washington die US-Regierung für eine Zustimmung zum russischen Kompromissvorschlag zu gewinnen. Präsident Bush und Außenministerin Rice lehnen diesen Vorschlag rundweg ab. Lawrow erklärt noch am selben Tag zur Verblüffung der anwesenden Journalisten den russischen Vorschlag für "nicht existent". Zeitgleich drohte Dick Cheney dem Iran trotz dessen unbestreitbarem Sinneswandel bei einer öffentlichen Veranstaltung, dass die "internationale Gemeinschaft auf bedeutungsvolle Konsequenzen vorbereitet" sei. Stunden später erklärte der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad, dem Irans Reformer nach harten Auseinandersetzungen und mit erheblicher Mühe die Zustimmung zum russischen Vorschlag abgerungen hatten, diesen Vorschlag ebenfalls für "nicht existent" und erwiderte Cheneys Drohung seinerseits mit dem Satz "Wer iranische Rechte zu verletzten versucht, der wird das bitter bereuen."

Kommentar: Die Botschaft Irans ist im Umkehrschluss klar erkennbar: der russische Vorschlag steht noch auf der Agenda, sofern die USA ihre Zustimmung signalisieren. 

Quelle: IPPNW vom 09.04.2006.

Weblinks:

Veröffentlicht am

10. April 2006

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