Teherans PrahlenVon Karl Grobe - Kommentar Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad hat sein Land zum Mitglied des Atomclubs erklärt. Der Anspruch ist falsch. Dem Club gehören Staaten an, die über Nuklearwaffen verfügen - die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats, Indien, Pakistan, Israel und möglicherweise Nordkorea. Die vier zuletzt Genannten sind illegal beigetreten, indem sie unter Umgehung internationaler Verträge solche Waffen entwickelt haben. Im Fall Nordkorea ist dies fraglich. Mehr als eigene Bekundungen und fremde Vermutungen gibt es bisher nicht. Was iranische Wissenschaftler und Techniker in der lange geheim gehaltenen Anlage von Natanz erreicht haben, ist ein technischer Erfolg, aber kein militärtechnischer. Sie haben den Anteil des spaltbaren Uran-Isotops 235 auf etwa 3,5 Prozent des gesamten Metalls erhöht. Dieser Anreicherungsgrad genügt für Atomkraftwerke. Waffen-Uran muss zu 80 bis 90 Prozent aus dem Isotop U-235 bestehen. Zu dieser Anreicherung ist Iran bisher technisch nicht imstande und wird es auf geraume Zeit auch nicht sein. Ahmadinedschad hat also geprahlt. Es ist nicht das erste Mal. Offenkundig ist ein Motiv: Dem Sicherheitsrat wurde die Stirn geboten. Iran ist groß, und wie die Zuhörer skandierten: Allah ist groß. Was in diesem Fall nicht viel mehr ist als ein Ausruf der Begeisterung. Die herzustellen gelingt dem Präsidenten nicht durch die Verwirklichung seiner Wahlversprechen auf Wohlstand für alle. Dem Nationalismus Futter zu geben ist einfacher. Die Wirkung ist gleichwohl verheerend. Die Teheraner Mullah-Diktatur hat sich über einen Sicherheitsratsbeschluss hinweggesetzt, den sie zwar nicht gebilligt hat, der aber einen Ausweg in das Terrain diplomatischer Lösung wies. Auf die Fortführung der Anreicherungs-Experimente hätte das Land verzichten sollen, bis das UN-Gremium über Sanktionen befindet. Es besteht aber auf der zivilen Nutzung der Atomenergie und hat dabei, so unbequem das der Außenwelt sein mag, das internationale Nuklearrecht (den Atomwaffensperrvertrag) auf seiner Seite. Es verletzt dieses Recht, wenn es keine umfassenden Inspektionen zulässt oder unkontrollierte Produktion betreibt. Selbst wenn es - in diesem Sinne illegal - Niedrig-Anreicherung betreibt, erhöht das nicht das ihm unterstellte Drohpotenzial. Diesen Tatbestand zu übersehen, macht Ahmadinedschads trotzige, demagogisch wirksame Prahlerei leichter. Er liefert der kriegswilligen Partei Argumente frei Haus. Jene bellizistischen Zivilisten in Washington, Jerusalem und möglicherweise London, die aus einer Vielzahl anderer Gründe das Regime von außen her durch militärische Aktionen stürzen wollen, reiben sich die Hände. Die wenigen Halb-Freunde, die Teheran noch hat, sind bestürzt. Abermals geschwächt sind die oppositionellen Kräfte, die es in Iran sehr wohl gibt, die vor einem Jahrzehnt zur Wahl des weltoffeneren Präsidenten Khatami stark genug waren. Iran ist nicht monolithisch. Es kann es werden durch das Zusammenspiel präsidialer nationalistischer Kampfrhetorik und gezielt in die West-Öffentlichkeit lancierte Gedankenspiele mit dem Atomkrieg. Die Enthüllungen vom Wochenende in der US-Presse über einschlägige Planspiele und tatsächliche Untergrund-Aktivitäten der USA in Iran helfen dem Nationalismus der Ahmadinedschad-Fraktion aufs Pferd. Beide Extremismen bedingen einander und nützen einander. Wer den bewaffneten Konflikt will oder ihn "nicht scheut", muss so handeln. Es sei nochmals daran erinnert, dass andere Interessen den Konflikt heizen, und zwar länger als es ein Teheraner Atomprogramm gibt. Ein Stichwort heißt Erdöl, ein anderes Hegemonie über die Region rings um den Persischen Golf. Iran ist der Hegemonie näher gekommen durch das Chaos, das die Besetzung Iraks erzeugt hat. Diese Hegemonie zu verhindern, ist ein altes amerikanisches Ziel.
Quelle: Frankfurter Rundschau vom 13.04.2006. Wir veröffentlichen diesen Artikel mit freundlicher Genehmigung von Karl Grobe.
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