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Frühkirchlicher Pazifismus und “gerechter Krieg” - Teil 3: Abschied vom “gerechten Krieg” im Atomzeitalter

Von Peter Bürger

Als der pazifistische Papst Benedikt XV. nach seinem Amtsantritt im September 1914 den ersten Höhepunkt des modernen - totalen - Krieges verurteilt, stehen alle weltlichen und religiösen Kirchenoberhäupter der beteiligten Länder gegen ihn. Benedikt spricht von "Morden", "Schlächterei", "Wahnsinn" und "Selbstmord des zivilisierten Europa". Zwei Drittel der damaligen Katholiken sind in das "entsetzliche Blutbad" direkt verwickelt. Die nationalen bzw. nationalistischen Bischöfe befinden sich im Kriegsrausch und erzählen den Gläubigen nicht, was Benedikt XV. denkt. (Stattdessen schreibt z.B. der Kölner Erzbischof Kardinal von Hartmann 1915 in seinem Fastenhirtenbrief: "Wieviel Segen hat dieser Krieg nicht schon gebracht!" Bischof Faulhaber betrachtet die Kanonen gar als "Sprachrohre der rufenden Gnade".) Gemäß seiner Grundüberzeugung, es gäbe weit bessere Mittel als den Krieg zur Wiederherstellung verletzter Rechte, fordert der Papst: Weltweit soll die Wehrpflicht, die "eigentliche Ursache vieler Übel", abgeschafft werden. Zur Lösung von Konflikten ist ein für alle Staaten verbindliches internationales Schiedsgericht zu schaffen. Benedikts 1917 vorgelegtes Prinzip ist wegweisend für die nachfolgende katholische Sozial- und Friedensethik: Waffengewalt muss durch die Macht des Recht ersetzt werden. Damit war der Krieg - wenn auch nicht prinzipiell - zumindest pragmatisch geächtet.

Eine gewisse Ehrenrettung für die Lehre vom gerechten Krieg besteht nun darin, dass einige ihrer strikten Verfechter relativ früh die praktische Selbstaufhebung der Konstruktion im Zeitalter der Massenvernichtung erkennen. Zu diesen integeren Verteidigern der Tradition gehört der ultrakonservative Kardinal Alfredo Ottaviani. Ab 1942 - unmissverständlich publiziert 1947 - bezeichnet er den modernen Krieg schlechthin als unsittlich und folgerichtig auch die allgemeine Wehrpflicht als große Ungerechtigkeit (maxima iniuria): Der moderne Krieg ist kein "Mittel im Dienste der Gerechtigkeit" mehr, sondern "Mord an Unschuldigen und Verbrechen an der Menschheit". In ihm ist die zwingend geforderte Unterscheidung zwischen kämpfenden Militärs und Zivilisten, die nicht getötet werden dürfen, weder üblich noch praktizierbar. In all diesen Fragen wird Ottaviani sich auf dem II. Vatikanischen Konzil nicht auf die Seite einer reaktionären Minderheit stellen.

Praktisch stünde nach solcher Einsicht einem Zusammengehen von katholischen Traditionalisten und christlichen Pazifisten nichts mehr im Wege. Die klaren Prinzipien der Lehre vom "gerechten Krieg" und die Prinzipienfestigkeit ihrer nichtkorrumpierten Anhänger sind außerordentlich verführerisch! Eine der biblischen Botschaft und der frühkirchlichen Praxis entsprechende Einschätzung wird aber weitergehen müssen: Der moderne Krieg zeigt eine der Zivilisation innewohnende Dynamik auf, die es rückblickend zu keinem Zeitpunkt als richtig erscheinen lässt, von "gerechten Kriegen" zu sprechen. In diesem Sinne muss die denkbar einfache Erklärung des Ökumenischen Rates der Kirchen von Amsterdam (1948) verstanden werden: "Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein." Praktisch aber ist es vollständig überflüssig und sogar sehr schädlich, kirchliche bzw. theologische Energien in einen Diskurs über die prinzipielle "Wahrheit" der überholten Doktrin zu investieren. Noch immer ist es den Feigen gelungen, durch derlei Dispute die Kirche vom unbequemen Blick auf das wirkliche Geschehen aktueller Kriegspolitik fernzuhalten. (Treffend schrieb der Katholik Johannes Fleischer 1962: "Die katholischen Theologen vertreiben sich zwischen den staatlich organisierten Menschenschlächtereien ihre Langeweile mit dem neckischen Spiel: Wann ist ein Krieg >gerecht< und wann >ungerecht<?") Die zwingende Notwendigkeit zum Verzicht auf den iustum-bellum-Rekurs ergibt sich - unabhängig von seiner abstrakten Berechtigung oder Unzulässigkeit - gegenwärtig allein aus unserer konkreten historischen Situation. Die Ideologie gerechter Kriegsführung unter dem Anspruch moralischer Überlegenheit ist jener Angelpunkt, mit dem der administrativ-militärisch-industrielle Komplex der USA die Unterstützungsbereitschaft bzw. Duldung der US-amerikanischen Gesellschaft bezogen auf Hochrüstung und globale Kriegsführung gewährleisten kann. Während ein christlicher Prinzipienstreit über Pazifismus gegenwärtig folgenlos wäre oder schlimmstenfalls vom Blick auf laufende Kriegsverbrechen ablenkt, wirkt ein Bedienen dieser US-Ideologie und der sich analog entwickelnden europäischen Militärdoktrinen unter allen Umständen aktiv kriegssubventionierend!

Die lehramtliche Weiterentwicklung der römischen Weltkirche, auf die wir uns im folgenden konzentrieren, gibt für die Bemühung "gerechter Kriege" im dritten Jahrtausend auch nichts mehr her. Papst Pius XII., dessen Stellungnahmen zum Krieg im übrigen viele Wendungen und Zweideutigkeiten beinhalten, hat Ottavianis Anliegen aufgegriffen. Zunächst erweitert er am 24.12.1944 die überkommene Kriegsdoktrin der Kirche durch eine Ächtung des Angriffskrieges, was einer Neubestimmung des bellum iustum für die gewandelten Bedingungen der Moderne gleichkommt. Er fordert wörtlich, ohne Aufschub "alles zu tun, was möglich ist, um ein für allemal den Angriffskrieg als erlaubte Lösung internationaler Spannungen und als Werkzeug nationaler Bestrebungen in Acht und Bann zu bringen." (Hier also reagiert die Kirche mit sechzehnjähriger Verspätung auf den Briand-Kellog-Pakt.) Immer wieder kommt der Papst auf klassische Kriterien der "gerechten" Kriegsführung zu sprechen (Unterscheidung der militärischen Ziele von nichtmilitärischen Objekten und Zivilisten; "begründete Wahrscheinlichkeit des Erfolgs" etc.). Franz Klüber belegt in seinem Buch "Katholiken und Atomwaffen" (1984) mit zahlreichen Zitaten, dass Pius XII. gemäß den Prinzipien der Güterabwägung bzw. Verhältnismäßigkeit sowie der Kontrollierbarkeit von Waffen (bzw. Waffenwirkungen) zehn Jahre später auch den atomaren Verteidigungskrieg ablehnt: Wenn die absehbaren Übel eines Verteidigungskrieges in keinem Verhältnis mehr zum abzuwehrenden Übel stehen, muss auf die entsprechende Verteidigungskriegsführung verzichtet werden. Der Einsatz von ABC- Waffen, die zur "Vernichtung allen Menschenlebens innerhalb des Aktionsbereichs" führen, ist "aus keinem Grunde erlaubt" (30.9.1954). In seiner Osteransprache vom 18. April 1954 fragt Pius XII: "Wie lange noch wollen sich die Menschen dem heilbringenden Licht der Auferstehung entziehen und stattdessen Sicherheit von den todbringenden Blitzen der neuen Kriegsmittel erwarten?"

Der atomwaffenfreundliche Katholizismus glaubt später, in den Formulierungen von Pius XII. noch Spielraum für seine "Interpretationen" finden zu können. Eindeutiger noch als sein Vorgänger wird Papst Johannes XXIII. In seiner Enzyklika "Pacem in terris" (1.4.1963) klagt er - bereits sterbenskrank und beiden Supermächten nach der Kubakrise wenig vertrauend - über die Folgen von Kernwaffenexperimenten und fordert generell, "dass Atomwaffen verboten werden". Aus der "schrecklichen Zerstörungsgewalt der modernen Waffen" schließt Johannes XXIII.: "Darum ist es in unserer Zeit, die sich des Besitzes der Atomkraft rühmt, vernunftwidrig [alienum est a ratione; Wahnsinn], den Krieg noch als das geeignete Mittel zur Wiederherstellung verletzter Rechte zu betrachten." Die Bedeutsamkeit dieses Satzes erkennt auf dem II. Vatikanischen Konzil eine von den Kardinälen Spellman und Shehan und Erzbischof Hannan geführte Gruppe. Sie verlangt kurz vor der Abstimmung in einer "theatralischen Kollektiverklärung" seine Streichung aus dem Konzilstext "Gaudium et spes". Als Anwalt der Blockinteressen der USA wollen diese nuklearistischen Bischöfe verhindern, dass jeglicher Atomwaffeneinsatz als unsittlich verurteilt wird. Die Konzilsmehrheit gesteht ihnen jedoch lediglich zu, das - durch den Protest erheblich aufgewertete - Zitat von Johannes XXIII. redaktionell in die Anmerkungen zu verschieben. Allerdings erringt die Spellman-Gruppe einen Teilsieg: Eine frühere Fassung hatte bereits den bloßen Besitz moderner Massenvernichtungswaffen klar verurteilt.

Nur eine einzige feierliche Verurteilung spricht das II. Vatikanische Konzil aus: "Darum erklärt diese Synode, indem sie sich die schon von den letzten Päpsten ausgesprochene Verdammung des totalen Krieges zu eigen macht: Jede Kriegshandlung, die unterschiedslos auf die Zerstörung ganzer Städte oder weiter Gebiete und ihrer Einwohner ausgerichtet ist, ist ein Verbrechen gegen Gott und die Menschen, das eindeutig und ohne Zögern zu verwerfen ist." (Gaudium et spes, Nr. 80) Hier sind selbstredend auch sogenannte konventionelle Waffen des modernen Krieges (Napalm, Streubomben etc.) angesprochen. Speziell bezogen auf die ABC-Waffen zur Massenvernichtung wird das Recht zur Verteidigung eingeschränkt: "Der Schrecken und die Verwerflichkeit des Krieges wachsen durch die Vermehrung wissenschaftlicher Waffen ins Unermessliche. Kriegshandlungen unter Verwendung dieser Waffen können ungeheure und unterschiedslose Zerstörung anrichten, die infolgedessen alle Grenzen gerechter Verteidigung weit überschreiten." Eine "durch den Schrecken der Waffen" auferlegte Weltordnung wird abgelehnt und stattdessen ein aus internationalen Vertrauensbeziehungen erwachsender Friede gefordert. Die röm.-kath. Weltkirche verfolgt hierzu ein Programm, das als Völkerrechtspazifismus bezeichnet werden muss: "Es ist also deutlich, dass wir mit all unseren Kräften jene Zeit vorbereiten müssen, in der auf der Basis einer Übereinkunft zwischen allen Nationen jeglicher Krieg absolut geächtet werden kann." (Nr. 82)

In der Folge solcher Klarstellungen wird der Wiener Kardinal Franz König sagen: "Wir reden vom Krieg, wie die Menschen seit Jahrhunderten vom Krieg geredet haben. Wir reden vom Krieg, weil wir kein anderes Wort haben. […] Mit Atombomben und Atomstrahlen kann man keinen Krieg führen […] Es fällt weg der so lang verwendete und so oft missbrauchte Begriff vom gerechten Krieg. Was heißt hier noch gerechter Krieg? Auch das Wort vom Verteidigungskrieg ist in diesem Zusammenhang ein sinnloses Wort geworden."

Besonders Papst Paul VI. verkündet einen Friedensbegriff, der von den ökonomischen Bedingungen nicht abstrahiert: Ohne weltweite Gerechtigkeit ist der Friede nicht möglich. Er verweist auf den vorrangigen gemeinsamen Gebrauch aller Reichtümer der Erde durch die Menschen: "Das Privateigentum ist also für niemand ein unbedingtes und unumschränktes Recht." (Populorum Progressio). In der gleichen Enzyklika verurteilt er scharf einen ungehemmten Kapitalismus, nach dem "der Profit der eigentliche Motor des wirtschaftlichen Fortschritts, der Wettbewerb das oberste Gesetz der Wirtschaft, das Eigentum an den Produktionsmitteln ein absolutes Recht, ohne Schranken, ohne entsprechende Verpflichtungen gegenüber der Gesellschaft" darstelle. Wichtig ist für Paul VI. der zentrale Grundsatz, "dass die Wirtschaft ausschließlich dem Menschen zu dienen hat". Er bewertet - wie schon Johannes XXIII. und das Konzil - die Rüstungskosten der militärisch konzipierten Weltordnung als Diebstahl an der menschlichen Gesellschaft und als mörderischen Angriff auf die Armen. Sehr deutlich verweist dieser Papst auf aktive gewaltfreie Methoden des Widerstands und eine Umwandlung der militärischen Beziehungen zwischen den Nationen in zivile. Unmissverständlich formuliert Paul VI. am 24. Juni 1968 vor dem Kardinalskollegium das Ziel einer "totalen Ächtung der Kernwaffen" und der "vollständigen Abrüstung". Er lehnt eine Beschäftigungspolitik ab, die "Hunderttausende von Arbeitern […] für die Produktion von Mordwaffen einsetzt". 1976 lässt der Papst durch eine Stellungnahme von Msgr. Giovanni Cheli, dem Ständigen Vertreter des Hl. Stuhles bei der UNO, die Aussagen des II. Vatikanums über die militärische Praxis der Massenvernichtung als faktische Exkommunikation auslegen: "Das Konzil ist in diesem Punkt kategorisch. Es verurteilt rückhaltlos die Verwendung der alles zerstörenden Mordwaffen und hat diese Verurteilung als einzige ausgesprochen." Pius XII. hatte das Erleiden von Unrecht der Verteidigung vorgezogen, wenn die verursachten Schäden sonst unverhältnismäßig wären. Das bezieht dieses Dokument ausdrücklich auf den Einsatz von ABC-Waffen und anderen modernen Waffensystemen. Überdies, so heißt es, führt die Hochrüstung der Großmächte mit Massenvernichtungswaffen zu kollektiver Hysterie bzw. zu Wahnsinn, provoziert Kleinwaffenhandel und Terrorismus und bewirkt eine Sabotage der notwendigen Entwicklungshilfe. Sie ist als "wissenschaftliche Vorbereitung der Menschheit auf ihren eigenen Tod" anzuprangern. (Diese Stellungnahme fand namentlich in der bundesdeutschen Amtskirche keine offizielle Verbreitung.)

Johannes Paul II. betont hernach schon früh einen "fast wesenhaften Unterschied […] zwischen den klassischen Formen des Krieges und einem nuklearen oder bakteriologischen Krieg." Er hat das Anliegen der in seinem Namen vereinigten Vorgänger - Gerechtigkeit und Frieden - bis zu seinem Tod als zentralen Auftrag seines Pontifikats verstanden. Man muss ihm - auch mit Blick auf politisch Andersdenkende in der eigenen Kirche - eine ganz einseitige Parteilichkeit in der Endphase des Kalten Krieges bescheinigen. In den 90er Jahren erteilt dieser Papst jedoch dem "neoliberalen" Kapitalismus und dem - im Gefolge der "neuen Weltordnung" wieder propagierten - Programm "Krieg" seine Absage. Zehn Jahre nach der Enzyklika "Laborem exercens" stellt "Centesimus Annus" vom 1. Mai 1991 konsequent fest: "Es besteht die Gefahr, dass sich eine radikale kapitalistische Ideologie breitmacht, die es ablehnt," eine Problemlösung angesichts des Elends in der Welt auch nur zu erwägen, da sie diese "in einem blinden Glauben der freien Entfaltung der Marktkräfte überlässt." Sein Bekenntnis zur Ächtung des modernen Krieges durch das Konzil: "Heutzutage macht es das Ausmaß und der Schrecken der modernen Kriegführung - ob nuklear oder nicht - absolut unmöglich, als Mittel eingesetzt zu werden, um Meinungsverschiedenheiten zwischen Nationen zu lösen. Krieg sollte zur tragischen Vergangenheit gehören, zur Geschichte." Gewalt definiert dieser Papst als eine Lüge, die "sich gegen die Wahrheit unseres Glaubens" und die Wahrheit des Menschseins richtet und die mit dem "Weg der katholischen Kirche" nicht vereinbar ist.

Vehement hat Johannes Paul II. vor den Folgen eines Irak-Krieges für den Weltfrieden und für das geltende Völkerrecht gewarnt. Der von den USA als Antiterrorkrieg deklarierte Waffengang sei eine "Gefahr für das Schicksal der Menschheit". Im Januar 2003 erklärt er vor dem Diplomatischen Korps: "Zu Beginn dieses Jahrtausends spürt der Mensch deutlicher denn je, wie zerbrechlich die von ihm gestaltete Welt ist. […] Egoismus ist auch die Gleichgültigkeit der wohlhabenden Länder gegenüber den Nationen, die sich selbst überlassen sind. Alle Völker haben das Recht, einen angemessenen Anteil an den Gütern dieser Welt und am Know-how der entwickelten Länder zu erhalten. […] >Nein zum Krieg!< Er ist nie ein unabwendbares Schicksal. Er ist immer eine Niederlage der Menschheit. Das Völkerrecht, der aufrichtige Dialog, die Solidarität zwischen den Staaten und die ehrenvolle Ausübung der Diplomatie sind jene Mittel zur Lösung von Streitigkeiten, die des Menschen und der Nationen würdig sind. Ich sage dies mit Blick auf jene, die ihr Vertrauen noch immer in Atomwaffen setzen […] Die Unabhängigkeit der Staaten ist nur noch in einer gegenseitigen Abhängigkeit voneinander denkbar. Alle sind im Guten wie im Schlechten miteinander verbunden. […] Denn wie könnte man die Geschicke der Welt lenken, ohne Bezug auf all jene Werte zu nehmen, die an der Basis jenes >universalen Gemeinwohls< stehen, von dem die Enzyklika Pacem in terris von Papst Johannes XXIII. so treffend gesprochen hat?"

Die vatikanische Diplomatie verlegt sich heute nicht nur auf unverbindliche Appelle, sondern beharrt nachdrücklich auf der politischen Forderung nach einer atomwaffenfreien Welt: "Wenn es möglich ist, biologische Waffen, chemische Waffen und jetzt auch Landminen abzuschaffen, so muss dies auch mit Kernwaffen möglich sein. Keine andere Waffe bedroht den Frieden, den wir für das 21. Jahrhundert herbeisehnen, so sehr wie die Kernwaffe."Diese Aussage des Heiligen Stuhls wird 1998 von 75 Pax-Christi-Bischöfen der USA in ihrem Hirtenbrief zur nuklearen Abschreckung angeführt. Vgl. auch: Heiliger Stuhl ratifiziert Abkommen über Verbot von Atomwaffen - Auch scharfe Verurteilung des illegalen Kleinwaffenverkaufs. In: Zenit, 20.7.2001. http://www.zenit.org/german/archiv/0107/ZG010720.htm . Schon 1997 hatte der ständige Vertreter von Johannes Paul II. bei der UNO gefordert, alle Staaten, die sich der hierzu erforderlichen Nuklearwaffenkonvention verweigerten, müssten verurteilt werden. Abrüstung wird als Grundvoraussetzung für ein internationales Vertrauensklima bewertet, in dem sich eine Kultur des Friedens überhaupt erst entwickeln kann.

Fazit: Das letzte Konzil hat im Atomzeitalter darauf verzichtet, die Rede von "gerechten Kriegen" fortzuführen. Die Ächtung aller Massenvernichtungswaffen wäre allerdings bereits mit Hilfe der traditionellen Doktrin mühelos zu bewerkstelligen gewesen, und alle Konzessionen an die modernen Kriegsführung sind nur unter Abfall von der überkommenen Morallehre möglich. (Karl Rahner, der zur Mitte des 20. Jahrhunderts bedeutsamste katholische Theologe Europas, resümiert für den Bereich der Individualethik: "Die Zündung einer Atombombe durch einen katholischen Christen ist objektiv schwere Sünde, und zwar in jedem Fall […] Eine solche Zündung darf auch dann nicht getan werden, wenn die Verweigerung einem das Leben kostet.") Die in der katholischen Weltkirche seit Benedikt XV. erzielten Klärungen gehen jedoch weit über eine Waffenkasuistik hinaus. Sie ergeben - zumal nach "Hiroshima" - ein Bekenntnis zum Internationalismus und zum globalen Gemeinwohl-Begriff, das Programm einer gerechten Weltordnung sowie die Zielvorgabe einer Zivilisation, die den Krieg vollständig ächtet und Konfliktlösungswege jenseits der militärischen Mittel entwickelt (Gaudium et spes, Nr. 82). Der Ökumenische Weltrat der Kirchen steht dem in nichts nach. Damit sind lange verschmähte Grundziele der Christinnen und Christen, die in den ersten drei Jahrhunderten Gewaltfreiheit praktizierten, rehabilitiert. Das haben auch katholische Bischöfe erkannt.So schreiben die DDR-Bischöfe in ihrem Hirtenbrief von 1983 (kompromisslose Ächtung jeglicher Massenvernichtung): "Gewinnt hier nicht das häufig belächelte Ideal der Gewaltlosigkeit, wie es uns Jesus Christus in der Bergpredigt verkündigt, eine bisher ungeahnte rationale Aussagekraft?" Im gleichen Jahr finden auch die US-Bischöfe wohlwollende Worte über christliche Pazifisten: "Es ist klar, dass die Mitglieder der Kirche, nach deren Auslegung die Lehre des Evangeliums alle Gewalt verbietet, sich bedingungslos gegen jeden Einsatz von Kernwaffen wenden. In gewissem Sinne bestätigt und verstärkt die Existenz dieser Waffen einfach die ursprüngliche Erkenntnis der gewaltlosen Position, nämlich dass Christen keine todbringende Gewalt gebrauchen sollten, da die Hoffnung oft illusionär ist, Gewalt könne selektiv und beschränkt eingesetzt werden. Die Atomwaffen scheinen dieses Argument in einer bisher nicht gekannten Weise zu belegen." Eine entsprechende Kirchenpraxis der Ökumene, die sich zumindest dem System der Massenvernichtung konsequent verweigert, ist leider bis heute nicht nachgefolgt. Leider gibt es Anhaltspunkte dafür, dass der gegenwärtige Papst aus Deutschland die Kritik an einer auf Profit und Krieg abzielenden Weltordnung weniger wichtig nimmt als seine VorgängerVgl. Peter Bürger: Joseph Ratzinger und die "neoliberale" Weltordnung - Wird der deutsche Papst die römische Kirche politisch zähmen? In: Telepolis, 16.08.2005. http://www.heise.de/tp/r4/artikel/20/20742/1.html .; als Kardinal hat er sich sogar durch eine auffällige Pazifistenschelte profiliert.

 

Der Beitrag folgt dem Buch: Peter Bürger: Hiroshima, der Krieg und die Christen. Düsseldorf: fiftyfifty 2005. (203 Seiten; 15,- Euro) Im Internet informiert dazu: www.friedensbilder.de/christenkrieg . Siehe ebenfalls die Buchbesprechung von Michael Schmid: Ein eindrückliches Zeugnis für das Überleben der Zivilisation

 

 

Fußnoten

Veröffentlicht am

25. April 2006

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