Wie gefährlich ist der Iran?Interview mit Otfried Nassauer vom 28.04.2006 Wie gefährlich ist der Iran? Wie sollte die UN vorgehen? Welche Interessen verfolgen die USA/Israel/Europa?NDR Info: Die Frist des Sicherheitsrates läuft ab: Heute soll der Iran die Uran-Anreicherung einstellen - so fordert es das höchste UNO-Gremium. Doch kurz vor Ablauf des Ultimatums hat der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad erneut deutlich gemacht, sein Land werde das Atomprogramm niemals aufgeben. Und einen richtigen, gemeinsamen Hebel, den Iran doch noch zum Einlenken zu bringen, hat der Sicherheitsrat noch nicht gefunden. Otfried Nassauer ist Leiter des Berliner Informationszentrums für Transatlantische Sicherheit und nun am Telefon. Sehen Sie irgendwelche Anzeichen, dass der Iran doch noch einlenken könnte? Nassauer: Ich denke nicht, dass der Iran einlenken wird, schlicht und einfach deswegen nicht, weil er die Forschung an der Uran-Anreicherung, wird ja nicht im industriellen oder technischen Sinne angereichert, die Forschung an der Urananreicherung weiterführen will, das für sein gutes Recht hält, was es juristisch gesehen auch ist. Die Nukleartechnik ist eine moderne Technik, die der Iran beherrscht, die er sich selber mit ausländischer Hilfe zugelegt hat, und die er auch durchführen darf und durchführen wird. NDR Info: Dabei geht es aber nur um die Urananreicherung zu zivilen Zwecken, sprich, um damit Strom zu produzieren. Aber mit angereichertem Uran kann man auch Bomben bauen und darum geht es auch in diesem Streit. Was könnte denn der Sicherheitsrat unternehmen, wenn der Iran das Ultimatum nun tatenlos verstreichen lässt? Nassauer: Der Iran kann bisher das Uran auf 3,5 Prozent anreichern. Das ist eine Eigenangabe der Iraner, wo man gucken muss, ob die auch einhundertprozentig stimmt. Für die militärische Nutzung wird man 90 Prozent brauchen, das ist noch einmal ein ziemlicher Schritt weiter. Soweit sind die Iraner zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht. Wenn der Sicherheitsrat jetzt agieren soll, dann müsste er sich erst einmal einig sein, und das ist er nicht. Es gibt auf der einen Seite die Amerikaner, die möglichst scharfe und schnelle Maßnahmen gegen den Iran fordern, und es gibt auf der anderen Seite die Russen und Chinesen, die sagen, Sanktionen oder irgendwelche weitergehenden Schritte gegen den Iran, die sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht drin und beide Staaten würden das Ende des Ultimatums verstreichen lassen, ohne dass es zu konkreten Maßnahmen gegen den Iran kommt. NDR Info: Das Problem ist, dass alle Mitglieder des Sicherheitsrates eigene Interessen haben, was die Energiepolitik angeht, und da spielt der Iran eine wichtige Rolle. Wie könnte man trotzdem eine Einigung finden? Nassauer: In der Tat, alle haben, nicht nur was die Energiepolitik betrifft, sondern auch was die Geopolitik betrifft, gegenüber dem Iran Eigeninteressen. Für China ist der Iran mit Sicherheit einer der wichtigen Energielieferanten der Zukunft, für Russland ist es wichtiger Technologieempfänger, beide haben Eigeninteressen. Das gilt allerdings im Umkehrschluss auch für die Amerikaner, die dem Regierungswechsel im Iran, den sie mit Sicherheit letztlich anstreben, auch gerne nutzen möchten, um verstärkten Zugriff auf die Regel, nachdem iranisches Öl verkauft wird auf dem Weltmarkt, zu bekommen. Da sehe ich, ehrlich gesagt, relativ geringe Chancen, auf dieser Ebene zu einer Lösung zu kommen, wenn man ausschließlich diese Interessen gegeneinander legt. Wo die Lösungsmöglichkeiten liegen könnten, das wäre der Fall, wenn man hingehen würde und sagen würde, wir betrachtet das Ganze wieder rein von der sachlichen Ebene her, dann könnte man tatsächlich wieder zu der Schlussfolgerung kommen, dass ein russisch-iranisches Kompromissangebot, das schon vor über einem Monat, das schon einmal in der Diskussion war, gar nicht so dumm war. Da ging es darum, dass die Iraner akzeptiert hätten, im industriellen Maßstab in Russland anreichern zu lassen, und selber nur in ganz kleinem Umfang Anreicherungsforschung weiter zu betreiben. NDR Info: Gibt es eine Macht, die das vielleicht als neutrale Instanz vermitteln könnte? Nassauer: Ich glaube nicht, dass es diese Macht in dieser Form gibt, sondern dazu erst Vernunft in die Debatte zurückkehren müsste.
Quelle: BITS vom 04.05.2006. Das Interview wurde am 28.04.2006 von NDR Info geführt. Wir veröffentlichen diesen Artikel mit freundlicher Genehmigung von Otfried Nassauer.
Otfried Nassauer ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS Veröffentlicht amArtikel ausdruckenWeitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von |
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