Tod eines TerroristenMit Abu Mussab al-Sarkawi wurde einer der meistgesuchten Extremisten der arabischen Welt getötetVon Karl Grobe Diesmal scheinen die Fakten klar und eindeutig. Der tote Abu Mussab al-Sarkawi ist von den Koalitionstruppen identifiziert worden: Fingerabdrücke, Gesichtsvergleich, das Vorhandensein bekannter Narben. So hat es General George W. Casey jr. am Donnerstag in Bagdad mitgeteilt. Woher die zum Vergleich herangezogenen Fingerabdrücke stammen und was es mit den "bekannten Narben" auf sich hat, sagte er nicht; die geheimen Dienste hatten ja auch schon mal verbreitet, dem Jordanier sei einst ein Bein amputiert worden. Es war eine der vielen falschen Informationen aus angeblich totsicherer, aber unnennbarer Quelle. Zuletzt hatte sich Al-Sarkawi in Video-Botschaften als das wahre Haupt der Al Qaeda stilisiert - und als der Vorkämpfer der Sunniten. Seine Aufrufe quollen über von Hetzparolen gegen Schiiten und Ungläubige. Gegen ihn verblasste das Bild Osama bin Ladens, als dessen Stellvertreter er gegolten hatte und dessen Rivale er war. Mit Anschlägen hat sich Al-Sarkawi gerühmt und die so genannte Verantwortung für Gewaltakte übernommen, die er allerdings zum Teil nicht begangen haben kann. Auch in der Wahrnehmung der USA wurde er so zum Phantom, das hinter allem steckte, was Terror ist. In dieser Rolle hat er sich zuletzt wohl selber gesehen. Abu Mussab al-Sarkawi ist im Oktober 1966 im jordanischen Sarka geboren und hat den Namen, unter dem er stets genannt wird, von dieser Stadt abgeleitet: "Der aus Sarka". Eigentlich hieß er Ahmed Fadhil al-Chalajleh. Er war ein Straßenjunge und - wie einige Quellen sagen - sowohl Kleinkrimineller als auch Straßenfußballer, hat mit 17 die Schule verlassen, angeblich als kaum des Lesens Kundiger, und verbüßte in jungen Jahren eine Gefängnisstrafe. Als die Legendenbildung begannIrgendwann im Jahre 1989 reiste er nach Afghanistan, um gegen die sowjetische Invasion zu kämpfen; die Sowjetarmee war aber schon abgezogen, als er ankam. Damals soll er Kontakt mit Osama bin Laden aufgenommen haben. In diese Zeit fällt der Anfang der Legendenbildung. Er habe geträumt, ein Schwert mit der Aufschrift "Dschihad" sei vom Himmel gefallen, daraufhin habe er beschlossen, ein Kämpfer zu werden. Was ihm in Sarka 1993 sieben Jahre Haft eintrug wegen Mitgliedschaft in einer islamistischen Vereinigung, die den Sturz der jordanischen Monarchie anstrebte, und weil in seinem Haus ein Waffenlager gefunden wurde. Mithäftlinge schildern ihn einerseits als Drangsalierer, andererseits als konzentrierten Koran-Leser - und als Bewunderer der USA und Russenhasser. Das letzte Gefängnisjahr wurde ihm erlassen. Er reiste aus und ließ sich mit Familie im pakistanischen Peschawar nieder, bis sein Visum ablief; allein ging er nach Afghanistan, wohl im Juni 2000. US-Geheimdienste berichten, er habe alsbald ein Militärlager mit Verbindungen zum Terrornetzwerk Al Qaeda aufgemacht. Bei einem US-Raketenangriff nach dem 11. September 2001 sei er verwundet worden, nach Nord-Irak ausgewichen und habe sich dort der islamistischen Gruppe Ansar al-Islam angeschlossen. Daraus konstruierten Befürworter des Krieges gegen Irak eine angebliche Zusammenarbeit mit dem Regime Saddam Husseins. Wahr ist aber, dass besagte Gruppe zu den radikalsten Gegnern des Regimes gehörte. Am 9. September 2002 nahm Jordaniens Abwehr seine Spur auf: Al-Sarkawi sei von Syrien aus illegal eingereist. Er habe Gewalttäter angeworben, die den US-Diplomaten Laurence Foley in Amman ermordeten. Auf das Geständnis der Täter hin wurde Al-Sarkawi in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Als US-Außenminister Colin Powell im Februar 2003 vor den UN für den geplanten Krieg gegen Irak warb, nannte er den Aufenthalt Al-Sarkawis als Beweis für die Unterstützung des Terrorismus durch das Bagdader Regime. Das erwies sich, wie der US-Geheimdienst CIA Ende 2004 einräumte, als ebenso falsch wie Powells Angabe, Al-Sarkawi sei Palästinenser. Ein langer Text lag allerdings vor, der eine Strategie beschrieb, einen Bürgerkrieg zwischen den Konfessionen in Irak zu entfesseln. Er war auf einer CD in Bagdad entdeckt worden. Der literarische Stil des zynischen Dokuments passt nicht zum Bildungsstand Al-Sarkawis; doch ihm wurde es zugeschrieben. 25 Millionen Dollar KopfgeldZugeschrieben: Das ist das Schlüsselwort. Nicht jede der Aufzeichnungen, in denen sich Al-Sarkawi zu Gewalttaten bekennt, kann als authentisch gelten. Das führt desillusionierte Iraker zu der absurden Spekulation, der Mann sei heimlicher Agent der USA mit dem Auftrag, die Sunniten gegen die Schiiten aufzuhetzen. Wahr ist, dass die USA ein 25-Millionen-Dollar-Kopfgeld auf ihn ausgesetzt haben. An einer Täterschaft bei zahlreichen Gewaltverbrechen besteht kein begründeter Zweifel. Aber nicht alles, was ihm zugeschrieben wird und wessen er sich brüstete, hat er wirklich getan. Dass er, ein Erz-Gangster, sich als Vertreter von Al Qaeda im Zweistromland ausgab, war so lange Prahlerei, bis sein böser Ruhm in einschlägigen Kreisen Osama bin Laden veranlasste, ihn zum Bundesgenossen zu erklären. Für die USA war er längst zum Feind Nummer eins geworden. So groß aber war er nicht. ZitateSarkawi-Äußerungen aus jüngerer Zeit, die zumeist per Video- oder Tonband über das Internet verbreitet wurden: September 2004 Zur Enthauptung der US-Geisel Eugene Armstrong: "Die Gotteskämpfer werden Amerika ein Gefühl davon geben, welche Erniedrigung das Land dem irakischen Volk gebracht hat." 23. Januar 2005 Vor den irakischen Parlamentswahlen: "Wir haben dem Prinzip der Demokratie und all denjenigen, die sich für dieses einsetzen, einen erbitterten Krieg erklärt." 29. April 2005 "Wir versprechen Gott, dass solange unsere Herzen schlagen, der Hund (…) Bush keinen Frieden und seine Armee kein gutes Leben haben wird." 14. September 2005 "Die Al-Qaeda-Organisation in Irak hat allen Schiiten in Irak den Krieg erklärt." 25. April 2006 "Amerika hat heute begriffen, dass seine Panzer, Armeen und schiitischen Agenten nicht in der Lage sind, den Kampf gegen die Gotteskämpfer zu beenden."
Quelle: Frankfurter Rundschau vom 09.06.2006. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Karl Grobe. Weblinks:
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