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Transatlantisches in Trinwillershagen

Deutschland-Trip vor dem G-8-Gipfel: Kanzlerin Merkel empfängt George Bush zu Fischsuppe und manch delikatem Happen aus der politischen Menü-Küche

Von Konrad Ege

Kann man gespannt sein, ob der wegen seiner manchmal eigenwilligen Sprechweise bekannte US-Präsident es wagen wird, bei seinem Deutschlandbesuch die Ortsnamen Stralsund und Heiligendamm und besonders das fünfsilbige Trinwillershagen in den Mund zu nehmen? Abgesehen vom Nervenkitzel dieses Wartens fehlt es an Spannung bei der Visite des Mannes aus Washington im deutschen Osten. Wird schon ordentlich verlaufen. Die letzten Kratzer vom Machismo-Poltern der Ära Schröder werden wegpoliert. Frau Merkel profiliert sich als Hauptansprechpartnerin der USA im kontinentalen Europa. George Bush ist dankbar für eine wohlwollende Regierungschefin, vor allem weil der durch interne politische Probleme angeschlagene Insulaner Tony Blair nicht mehr so wie bisher nützlich ist.

Die große Koalition aus CDU/CSU und SPD wird geschätzt in Washington, von der politischen Klasse (nach anfänglichem Zweifel am rot-schwarzen Kooperationsvermögen) und im Weißen Haus. Merkel und ihre Leute unternehmen keine unerwarteten Vorstöße, fallen der US-Regierung nicht in den Rücken. Wenn unterschiedliche Meinungen vorgetragen werden, etwa als die Kanzlerin Kritik übte am Gefangenenlager Guantanamo, wird das lange vorher angekündigt, und Präsident Bush hat Zeit, sich vorzubereiten. Die Reise nach Mecklenburg-Vorpommern ist wohl als Freundschaftsbeweis gedacht; angeblich lädt Bush Angela Merkel demnächst sogar in sein Landhaus im texanischen Crawford ein. Eine Ehre, die nicht vielen Politikern zuteil wird. Gerhard Schröder musste froh sein, wenn er im Weißen Haus ein Häppchen zu essen bekam.

"Nach dem Spiel ist vor dem Spiel", sagte Angela Merkel nach dem vierten deutschen Elfmetertor gegen Argentinien. Diese selbst Regionalliga-Trainern geläufige Weisheit trifft auch in der Politik zu. Merkels Bemühungen haben möglicherweise Bush dazu gebracht, bei der Kontroverse um Irans Atomprogramm die Rhetorik zu drosseln und Raum zu schaffen für Diplomatisches. Aber Iran ist nicht das einzige "Spiel": Auch wenn in Trinwillershagen das Fischsüppchen gut geschmeckt hat, und Bush einen Barbecue-Abend in Crawford in Aussicht stellt, manche Spannungen im deutsch-amerikanischen Verhältnis lassen sich nicht so leicht wegpolieren. Die unterschiedliche Haltung zum Irak-Krieg ist bekannt, und im Krieg gegen den "Terrorismus" geht der deutschen Seite das Foltern und Entführen zu weit, obwohl man den Protesten kaum Taten folgen lässt.

Bei dem nach Trinwillershagen anstehenden G-8-Gipfel in Sankt Petersburg könnten die deutsch-amerikanischen Meinungsdifferenzen dank unterschiedlicher Interessen deutlicher werden. Die Bush-Administration verfolgt eine Russlandpolitik, die zunehmend an die Zeiten des Kalten Krieges erinnert. Washington behandelt Russland wie den Verlierer dieser Ära und lässt nicht gelten, dass Wladimir Putin auch das Recht haben muss, eigene Sicherheitsinteressen zu artikulieren, etwa wenn er das amerikanische Einmischen in der Ukraine moniert oder den Ostdrang der NATO. Sollte Merkel in dieser Hinsicht tatsächlich europäische Interessen vertreten, müsste sie Bush drängen - bei aller berechtigten Kritik an Putins autoritärer Amtsführung -, Moskau vorzugsweise als Partner zu behandeln und Verständnis dafür aufzubringen, dass die Russische Föderation mit ihren vielen Millionen Muslimen nicht sonderlich lautstark in Bushs Sermon vom Krieg gegen den "militanten Islam" einstimmen will.

Langfristig dürfte Bushs Ostpolitik ebenso verfehlt sein wie seine Anti-Terror- und Irak-Strategie. Fundamentalistischen Hass besiegt man nicht mit Bomben. Schon gleich gar nicht, wenn israelische Flugzeuge die Infrastruktur des Gaza-Streifens über Nacht zerstören, und Washington dazu schweigt. Demokratie in den ex-kommunistischen Ländern verbreitet man nicht, indem man Russland mit Militärstützpunkten einkreist und als großer Lehrmeister in Sachen Freiheit auftritt. Hier könnte Angela Merkel ihre Freundschaft mit George W. Bush in die Waagschale werfen. Aber vielleicht gäbe es dann kein Barbecue unter texanischem Himmel.

Quelle: FREITAG. Die Ost-West-Wochenzeitung 27 vom 07.07.2006. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Konrad Ege und Verlag.

Veröffentlicht am

08. Juli 2006

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