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Hisbollah, Hamas und Israel: alles was man über sie wissen sollte

Eine gefährliche Exkursion in die entfernte Vergangenheit, die vor nur sieben Wochen begann

Von Alexander Cockburn, CounterPunch, 21.07.2006

Als die Fernsehkanäle Israels Verteidigern unbegrenzte Zeit für Kommentare gaben, wurde die Botschaft laut, dass keine Nation - am wenigsten Israel - es erlauben würde, über die Grenze hinweg ein Bombardement oder einen bewaffneten Überfall ohne Vergeltung zuzulassen.

Die Richtlinie dieses Tsunami von Gefasel ist die, den Zuschauern keinerlei historischen Kontext zuzutrauen - also nichts von dem, was vor dem 28. Juni geschah, als ein israelischer Soldat gefangen genommen und zwei andere von Hamas getötet wurden und dies die Schlagzeilen beherrschte. Bald danach folgte der Angriff einer Einheit von Hisbollah-Kämpfern an der libanesischen Grenze.

Das Gedächtnis soll am 28. Juni 2006 stehen bleiben.

Machen wir eine kurze Exkursion in die Vorgeschichte! Ich rede über den 20. Juni 2006, als die israelische Luftwaffe mindestens eine Missile-Rakete auf einen Wagen abfeuerte, um eine außergerichtliche Tötung auf der Straße zwischen Jabalya und Gaza auszuführen. Die Rakete verfehlte ihr Ziel. Stattdessen tötete sie drei palästinensische Kinder und verwundete 15 andere. (Einen Tag zuvor wurden von israelischen Undercovereinheiten zwei Zivilisten aus Khan Yunis, ein Arzt und sein Bruder, irgendwohin entführt —- über diese erfährt man nichts, als ob sie keine Menschen wären - die Übersetzerin) Gehen wir zurück bis zum 13. Juni 2006: die israelische Luftwaffe feuerte Missile-Raketen auf einen LKW, um noch einen Versuch außergerichtlicher Tötung zu versuchen. Die folgende Ladung tötete neun unschuldige Palästinenser.

Nun sind wir schon im dunklen Zeitalter, das weit, weit zurückreicht bis zum 9. Juni 2006, als Israel am Strand von Beit Lahiya acht Zivilisten tötete und 32 verletzte.

Das ist nur ein kurzer Trip zurück in der Erinnerung, und wir stolpern über die Körper von 20 Toten und 47 Verletzte - alles Palästinenser, die meisten sind Frauen und Kinder.

Israel bedauert … oh, nein! Israel bedauert nicht im Geringsten. Es macht sich nicht einmal die Mühe, Bedauern vorzutäuschen. Es sagt: "Wir behalten uns das Recht vor, Palästinenser zu morden, wann immer wir wollen. Wir behalten uns das Recht vor, ihre Führer zu morden, ihre Häuser zu zerstören, ihr Wasser zu stehlen, ihre Olivenhaine auszureißen, und wenn sie sich dem widersetzen, nennen wir sie Terroristen, die den ‘Friedensprozess’ vernichten."

Nun sage ich: Israel will die Hisbollah auslöschen. Es möchte natürlich dem libanesischen Volk kein Leid antun, so lange es kein Unterstützer der Hisbollah ist oder irgendwo in der Nähe einer Person oder eines Hauses, eines Autos, eines LKW, einer Straße, eines Busses, eines Feldes, eines Elektrizitätswerkes oder einer Post steht, von der ein israelischer Kommandeur oder ein Pilot glaubt, dass dieses oder dieser etwas mit der Hisbollah zu tun hat. Bei einer dieser Möglichkeiten gilt kein Versprechen. Dann wirst du oder deine Frau oder deine Mutter oder dein Baby getroffen/ verbrannt.

Israel bedauert … oh nein! Siehe oben. Es bedauert nicht im Geringsten. Auch George Bush oder Condolezza Rice oder John Bolton bedauern nicht. Letzterer ist der moralisch Primitive, der jeden Tag, an dem er als Amerikas Botschafter in der UNO sitzt, Schande über sein Land bringt. Er hat gerade der Welt erzählt, dass ein toter israelischer Zivilist moralisch viel mehr Wert ist als ein libanesischer….

Keiner von ihnen spricht ein Bedauern aus. Sie sagen, die Hisbollah ist ein Krebsgeschwür im Körper des Libanon. Manchmal endet das Herausschneiden des Krebsgeschwürs mit dem Tod des ganzen Körpers … auch mit Körpern von Babys. Vielen von ihnen. Schau dir mal die Website www.fromisraeltolebanon.info an! …

Man kann sogar sagen, dass Israel zum Entstehen der Hisbollah beigetragen hat. Man kann es beweisen - doch dies erfordert noch einmal eine erschreckende Exkursion in die Geschichte ….

Dieses Mal müssen wir fast unvorstellbar weit in der Geschichte zurückgehen. Bis 1982, bis vor die Zeit der Dinosaurier, vor die Zeit von CNN, … Aber nicht vor die Zeit der Neo-Cons, die zu jener Zeit … schon genau das taten, was sie jetzt tun: einen amerikanischen Präsidenten beraten, er möge Israel grünes Licht geben, um seine "Sicherheitsprobleme zu lösen" indem es den Libanon zerstört.

1982 hatte Israel ein Problem. Yassir Arafat, der sein Hauptquartier in Beirut hatte, war gerade dabei zu verkünden, dass die PLO bereit sei, sich mit Israel zusammen zu setzen und im guten Glauben Verhandlungen über eine Zwei-Staatenlösung zu beginnen.

Israel will aber keine Zwei-Staatenlösung: denn das würde bedeuten - wenn die UN-Resolutionen ernst genommen würden - einen palästinensischen Staat direkt neben Israel, mit Wasser und zusammenhängendem Gebiet. Deshalb entschied sich Israel, die PLO aus dem Libanon zu jagen. Es verkündete, dass die palästinensischen Kämpfer die jahrelange Waffenruhe gebrochen hätten, indem sie ein paar Granaten in das nördliche Israel geworfen hätten.

Die Palästinenser hatten aber nichts dergleichen getan. Ich erinnere mich noch sehr gut, weil ich zu jener Zeit vom stellvertretenden Generalsekretär der UN, der mit den UN-Beobachtern an Israels Nordgrenze zu tun hatte, in sein Büro eingeladen worden war … er zeigte mir alle aktuellen Berichte dieser Zone. Seit über einem Jahr gab es keine Schießerei mehr an der Nordgrenze. Israel hatte gelogen…

Mit oder ohne Vorwand wollte Israel in den Libanon einfallen. Dies geschah und die IDF kam bis Beirut. Sie bombardierte und beschoss Städte und Dörfer. Sharons Militär tötete etwa 20.000 Menschen und ließ die libanesischen Christen Hunderte von palästinensischen Flüchtlingen in den Lagern Sabra und Shatila schlachten.

Das Töten wurde so schlimm, dass sogar Ronald Reagan aus seinem Schlummer erwachte und Tel Aviv anrief, Israel möchte aufhören. …

Wir sind nun 24 Jahre später, nachdem Sharon sein Bestes getan hat, 1982 den Libanon zu zerstören - und nun tun dies seine Erben noch einmal. Da sie die Idee eines gerechten Friedens-Vertrages mit den Palästinensern nicht ertragen können, ist dies hier das einzige, was sie tun können: Man nenne den Libanon eine Terror-Oase und bombt ihn zurück in die Steinzeit. Man nenne den Gazastreifen eine Terror-Oase und bombardiere sein Kraftwerk als ersten Schritt auf dem Weg in die Steinzeit. Man bombardiere Damaskus. Man bombardiere Teheran.

Natürlich wird Israel die Hisbollah nicht zerstören. Jedes Mal, wenn noch eine libanesische Familie getötet wird, vervielfacht dies den Hass auf Israel und unterstützt so die Hisbollah. …

Ich hoffe, die Leser haben bei der kleinen Exkursion in die Geschichte ihre Freude gehabt - auch wenn sie gefährlich ist. Darum legen die US-Medien so viel Wert auf Geschichte - doch auch ohne die historischen Kenntnisse mag ein großer Teil der Amerikaner das nicht, was Israel tut. …

Israels Angriff auf den Libanon im Jahr 1982 wurde in den USA schon nach wenigen Tagen unpopulär. Doch die USA zu zwingen, auf Israel Druck auszuüben, um das Grundproblem zu lösen, erfordert politischen Mut; denn tatsächlich ist kein US-Politiker bereit, sich mit der Israel-Lobby anzulegen - auch wenn noch so viele Familien im Libanon und im Gazastreifen auf dem Altar der Feigheit geopfert werden .

Deutsche Übersetzung und Kürzung: Ellen Rohlfs

Alexander Claud Cockburn (* 6. Juni 1941) ist ein irischer Journalist, der seit 1973 in den USA arbeitet und lebt. Er ist Mitautor des politischen Newsletter CounterPunch . Cockburn schreibt weiterhin die Kolumne "Beat the Devil" für die US-amerikanische Zeitschrift The Nation und eine wöchentliche Kolumne für die Los Angeles Times.

Veröffentlicht am

24. Juli 2006

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