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UN-Mission im Libanon?

Nur wenn alle Parteien gleich behandelt werden

Von Sabine Kebir

Im Gegensatz zur Invasion von 1982 hat Israel inzwischen im Libanon offenbar keine nennenswerten Verbündeten mehr. Seinerzeit standen christliche Milizen mit den vorwiegend aus Palästinensern rekrutierten muslimischen Kampfverbänden in einem blutigen Bürgerkrieg. Unter dem Schirm israelischer Militärs und Ariel Sharons verübten die Christen-Milizen im September 1982 in den Flüchtlingsvierteln Sabra und Chatila ein grauenhaftes Pogrom - fast tausend Palästinenser, vor allem Frauen und Kinder, wurden massakriert. Die Kämpfer der PLO mit Yassir Arafat an der Spitze konnten sie nicht mehr schützen, sie hatten als Unterlegene den Libanon in Richtung tunesisches Exil verlassen müssen.

Wer als palästinensischer Flüchtling, den brennenden Sommer des Jahres ´82 überlebt hatte, der blieb. Auch weil bald erkennbar war, dass sich die innerlibanesischen Spannungen durch eine neue Verfassung zügeln ließen, mit der erstmals die christliche Vorherrschaft gebrochen und die muslimische Mehrheit emanzipiert wurde. Wenn sich der Libanon in den neunziger Jahren dann auch ökonomisch erholte, lag das nicht mehr wie früher vorzugsweise an der Verflechtung seiner Finanzwelt mit westlichen Banken, sondern an neuen Bindungen, mit denen die libanesische Ober- und Mittelschicht - unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit - nicht zuletzt von islamischen Projekten in Asien profitierte, besonders durch Investitionen in den früheren Sowjetrepubliken.

Dass sich unter den palästinensischen Flüchtlingen etwa zur gleichen Zeit erneut militante Gruppen bildeten, die von Syrien und dem Iran unterstützt wurden, war nur möglich, weil in den palästinensisch-israelischen Verhandlungen, die zu den Verträgen von Oslo führten, nicht nur ein Rückkehrrecht in die einstige Heimat ausgeklammert blieb, sondern auch jeder seriöse Vorschlag für eine Entschädigung. Die Palästinenser konnten nicht begreifen, weshalb Juden aus der ehemaligen Sowjetunion mehr Heimatrechte in Israel haben sollen als sie selbst, die dort einst gelebt hatten. Der Westen nahm an diesem Unrecht freilich keinen Anstoß, er gab sich - erst recht galt das nach dem 11. September 2001 - lieber dem trügerischen Glauben hin, den die eigene Rüstungsindustrie immer wieder mit dem Versprechen nährte, modernste Kriegstechnik werde dauerhafte politische Lösungen erzwingen, die für alle Konfliktparteien bindend seien.

Realiter zeigt sich, dass Israel nicht nur vor noch gar nicht existierenden muslimischen Kernwaffen Furcht haben muss, sondern vor bereits vorhandenen Mini-Raketen, wogegen es keinen zuverlässigen Schutz zu geben scheint. Möglicherweise auch ein Grund dafür, dass die israelische Regierung den jahrzehntelang abgelehnten Einsatz internationaler Truppen inzwischen nicht mehr vollends ausschließt. Freilich bezieht sich der Sinneswandel nur auf den Libanon und nur auf die mögliche Unterstützung eigener Ziele - sprich: einer dauerhaften Entwaffnung der Hisbollah. Um so wichtiger ist es, über ein sinnvolles Mandat für eine UN- oder wie auch immer geartete Mission nachzudenken. Soll das Völkerrecht bei dieser Gelegenheit nicht endgültig begraben werden, könnte sich ein solcher Einsatz nur auf die Gleichberechtigung und gleiche Behandlung aller Konfliktparteien gründen, was in diesem Falle auf eine Anerkennung Israels in den Grenzen von 1948, der Hisbollah und der gewählten palästinensischen Regierung hinausliefe. Auf diese Weise würde eine Neuauflage der Vorgänge eingeleitet, die mit den Verträgen von Oslo 1993 zur Anerkennung Yassir Arafats als legitimen Verhandlungsführer der Palästinenser durch die internationale Gemeinschaft geführt hatten.

Auch wäre dann wohl der Versuch Israels in Frage gestellt, sein territoriales Problem allein nach eigenen Vorstellungen zu lösen und der Weltöffentlichkeit vor Augen zu führen, dass die koloniale Ära des Landraubs und der Entrechtung von Ureinwohnern mitnichten vorbei ist. Damit wurden die gerade im Judentum historisch so tief verankerten Werte der Gleichberechtigung und der Würde aller Menschen unablässig konterkariert. Eine dauerhafte Entschärfung der Probleme im Nahen Osten wird es weder durch immer neue Invasionen noch durch die Installierung von Marionettenregimes geben, sondern nur durch Verhandlungen, in denen die Rechte aller Betroffenen nicht nur symbolisch anerkannt, sondern auch durchgesetzt werden.

Quelle: Freitag - Die Ost-West-Wochenzeitung 30 vom 28.07.2006. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

Veröffentlicht am

31. Juli 2006

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