Reuven Moskovitz: Kein Frieden und keine Sicherheit für Israel ohne Freiheit und Frieden für die PalästinenserVon Reuven Moskovitz, Jerusalem
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Friedensfreunde, ich bin Jude und Israeli aus Jerusalem, der sein ganzes Leben dem Frieden, der Versöhnung und der Vergebung widmet. Ich begrüße Sie als Teilnehmerinnen und Teilnehmer dieses Konzertes. Dieses Konzert ist nicht nur ein hervorragendes Kultur-Kunst- oder musikalisches Ereignis, sondern beinhaltet auch ein tiefsinniges politisches Symbol. Es ist ein Beweis, dass es nicht Krieg zwischen Juden und Arabern gibt, sondern dass es Juden und Araber gibt, die auf Konflikt, Krieg und Hass gerichtet sind und Juden und Araber, die sich der Liebe, dem Frieden und der versöhnenden Kunst verpflichtet fühlen. Als Überlebender und Opfer von Krieg, Hass, Verfolgung und rassistischer Vorurteile beschäftigt mich mein ganzes Leben die Frage wie man den Teufelskreis von Gewalt und Gegengewalt überwinden kann. Eine der überzeugenden Antworten erleben wir an diesem Abend. Ein Spruch der jüdischen Weisen heißt: Ein Held ist, wer seinen Feind zum Freund macht. Daniel Barenboim und sein zusammen gestelltes Orchester, das West-Eastern-Divan Orchestra, sind die Helden unserer Zeiten und nicht diejenigen, die sich gegenseitig in hoffnungs- und sinnlosen Kriegen umbringen, diejenigen, die Teile unserer Welt in Brand gesetzt haben, wie im Libanon, in Israel, Palästina, Afghanistan und im Irak. Vor 32 Jahren habe ich mich überwunden nach Deutschland zu fahren um den Weg Deutschlands von der Weimarer Republik zum Nationalsozialismus zu studieren. Ich habe mir die schmerzhafte Frage gestellt: Ob auch wir Juden, ein Volk das Jahrtausende durch die Macht des Geistes und der Gewaltlosigkeit überlebte, als Anbeter der Gewalt nicht auch gefährdet sind, daran zugrunde zu gehen. Zutiefst überrascht habe ich nicht nur die zerstörerischen Denk- und Handelsstrukturen des Dritten Reiches erkannt, von denen auch unsere Machthaber schwer kontaminiert sind. Ich habe auch eine neue deutsche Identität entdeckt: Die erstaunliche Fähigkeit des Übergangs von tief eingeprägtem rassistischem Vernichtungswahn zu einer erfolgreichen Friedens- und Versöhnungspolitik, die zu einer Friedensidentität geführt hat. Diese Tatsache hat mich 1974 dazu bewegt, einen Brief an deutsche Freundinnen und Freunde unter dem Titel “Es gibt ein Deutschland, das ich liebe” zu schreiben. Bewegt und berauscht von dieser neuen deutschen Identität hat sich bei mir die Hoffnung entwickelt, dass von Deutschland aus die aktivsten und unablässigsten Versuche kommen könnten und müssten, um zu Frieden und Versöhnung zwischen uns Juden und den Palästinensern zu gelangen. Zu meinem tiefsten Bedauern musste ich auch die deutsche “Schuldidentität” wahrnehmen. Diese Identität als Ergebnis von Reue und Scham kann ich verstehen und achten. Nicht nachvollziehen kann ich, wenn diese Identität für deutsche Menschen bedeutet, mit zweierlei Maß zu handeln, wenn es um den tragischen jüdisch-palästinensischen Konflikt geht. Denn dieser Konflikt ist nicht wenig von der deutschen Vergangenheit geprägt und mit verursacht worden. Ich wage zu denken, dass, wenn sich die deutsche Außenpolitik mit derselben Entschlossenheit und Gründlichkeit, mit denen es sich alle ehemaligen Feinde zu Freunden gemacht hat, sich für einen Frieden zwischen Israel und Palästina eingesetzt hätte, wäre es nicht zu diesem dramatischen Wirbel von Gewalt und Gegengewalt gekommen. Leider hat die Schuldidentität, bewusst oder manipuliert durch unsere “Meinungsgestalter”, die deutsche Politik und die meisten Deutschen dazu geführt, sich verlegen und gelähmt ziemlich einseitig in eine falsche bedingungslose Solidarität mit Israel zu begeben. Bedingungslose Solidarität mit dem Existenzrecht Israels muss selbstverständlich sein. Nicht aber mit dem Recht Israels seinen Nachbarn durch Gewalt Annexionsansprüche aufzuzwingen und Selbstbestimmung zu verweigern. Im Vorwort zu der fünften Auflage meines Buches: Der lange Weg zum Frieden schrieb ich:
Ich wage Sie aufzurufen die aus der Vergangenheit entstandene Verantwortung zu übernehmen. Bitte setzen Sie sich mit der Kraft, die Ihnen aus dem sechzigjährigen Frieden und Versöhnungserfahrung erwachsen ist, für eine friedensfähige und menschenwürdige Lösung im Nahen Osten ein.
Zur Person Reuven Moskovitz ist Historiker und seit Jahren in der israelischen Friedensbewegung aktiv. Er ist Mitbegründer des Friedensdorfes Neve Shalom/Wahat Al Salam, in dem israelische Juden und Palästinenser zusammen leben. Er kämpft für die Verständigung und Aussöhnung zwischen Palästinensern und Israelis und bemüht sich auch um die deutsch-israelische Versöhnung. Er ist Preisträger des Mount Sion Award 2001 und des Aachener Friedenspreises 2003. Sein 1996 erschienenes Buch “Der lange Weg zum Frieden - Deutschland-Israel-Palästina” gibt es jetzt in 5. Auflage. Es ist zum Preis von 13 EU (zzgl. Portokosten) zu beziehen über: Adalbert Janssen, Klunderburglohne 1, 26736 Krummhörn (Tel. 04923/ 200). Reuven Moskovitz, Lloydt-George-Str. 4, 93110 Jerusalem, Israel, Tel. 00972 2 653 5103, Fax: 00972 2 563 1212 Veröffentlicht amArtikel ausdruckenWeitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von |
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