Ein Traum auf dem Weg zur VerwirklichungRundbrief Nr. 1 - Rundbrief Nr. 50Von Michael Schmid und Katrin Warnatzsch - aus: Rundbrief Nr. 50 vom September 2006, Lebenshaus Schwäbische Alb. Beim Rundbrief von Lebenshaus Schwäbische Alb e.V. gibt es ein kleines Jubiläum: gerade ist die Nummer 50 herausgekommen. Seit der Nummer 1 vom April 1994 erschien jedes Vierteljahr ein Rundbrief. Wir haben dies zum Anlass genommen, nochmals in der ersten Nummer nachzulesen. Darin hatten wir die Ziele und Vorhaben unseres damals noch sehr jungen Vereins vorgestellt und einige Erfahrungen aus den ersten Monaten beschrieben. In der jetzigen 50. Jubiläumsausgabe des Rundbriefs zitieren wir einige größere Passagen von damals und schreiben einige Gedanken dazu auf. Verbunden mit diesem Rückblick ist ein Blick in Gegenwart und Zukunft. Dies betrifft insbesondere das alternative Finanzierungsmodell des Lebenshauses.
“Projekt der Hoffnung”Wenn wir auf uns wirken lassen, was wir vor 12 1/2 Jahren geschrieben haben, dann hat sich hinsichtlich der Zielsetzung nichts geändert. Entwickelt hat sich ein kleiner Verein mit derzeit rund 70 Mitgliedern, sowie einem nicht genau bezifferbaren Kreis von einigen hundert Menschen, welche das Projekt unterstützen. Diese Menschen leben in der weiteren Region, eigentlich über fast die ganze Republik verstreut. Inzwischen sind längst nicht mehr alle Menschen mit dabei, die am Anfang bei Vereinsgründung ihre Mitgliedschaft erklärten. Wie es dem Wesen eines Vereins entspricht, gab es Austritte und Eintritte. Der Verein hat sich so unentwegt weiterentwickelt, er ist lebendig geblieben. Das ging teilweise mit Auseinandersetzungen einher, es gab Konflikte und schwierige Zeiten. In diese Erfahrungen mischt sich bei uns persönlich auch Traurigkeit, denn Freundinnen und Freunde zu verlieren, die uns nach unserer Wahrnehmung nahe standen, hat sehr wehgetan. Bei all dem blieb das Lebenshaus als ein Projekt der Hoffnung gegen die herrschende Resignation letztlich bestehen. In vielfältigen Aktivitäten haben wir versucht, zu Gerechtigkeit, Frieden und Erhalt der Mitwelt beizutragen. Mit Veranstaltungen zu verschiedenen Themen, Mahnwachen und Demonstrationen, mit dem Rundbrief und inzwischen mit einer sehr gut besuchten Website im Internet zeigen wir Probleme auf und stellen Überlegungen zu Veränderungsmöglichkeiten an. Wir wollten Anstöße und Hoffnung vermitteln. In vielen Gesprächen und Schreiben wird uns immer wieder bestätigt, dass dies so wahrgenommen wird. Das freut uns und motiviert zum Weitermachen. Die große finanzielle Unterstützung und Beteiligung vieler Menschen bestätigt unseren Weg. Sind wir dabei zu politisch? Es war nie unsere Absicht, uns auf mildtätiges Handeln zu beschränken. Dabei bestünde die Gefahr, zu einer Fortschreibung von Abhängigkeit und Unmündigkeit beizutragen und zur Verfestigung bestehender ungerechter Verhältnisse (siehe hierzu Martin Luther King in nachfolgendem Kasten).
Wir wollen gerne zu jenen Initiativen gehören, welche sich - vergleichbar den Pflanzen, die sich in den Ritzen einer Mauer ansiedeln - aufgemacht haben, das scheinbar feste Gefüge in Politik und Gesellschaft an einigen Stellen zu lockern und aufzusprengen. Gerne wollen wir dazu beitragen, dass diese Pflanzen langfristig an Kraft gewinnen. Mitfühlen mit anderen Menschen - Hausgemeinschaft bildenVon Anfang an bestand ein wesentliches Anliegen mit dem Lebenshaus-Projekt in der Unterstützung und Begleitung von Menschen, die Schwierigkeiten haben, mit ihrem Leben in dieser Gesellschaft zurechtzukommen, die benachteiligt, an den Rand gedrängt sind. Diese Zuwendung geschieht nicht aus purer Selbstlosigkeit. Sie hat zu tun mit der grundlegenden Einsicht, dass wir alle miteinander verbunden und voneinander betroffen sind. Wenn ein natürliches Phänomen leidet - ob Mensch, Tier, Pflanze, Wasser, Luft oder andere - dann hat das Auswirkungen auf alle und alles. Deshalb ist das Beste, was wir Menschen für einander und für uns selber tun können, praktiziertes Mitgefühl. Als Menschen verfügen wir über Möglichkeiten, das Leid anderer durch unser Bemühen zu lindern, denn Mitgefühl bedeutet Gerechtigkeit. Und soweit es gelingt, eine mitfühlende Haltung einzunehmen oder zu erlernen, hemmt uns dies in der Anwendung von Gewalt, macht uns friedensfähiger. Deshalb haben wir im Lebenshaus auch immer ein Projekt gesehen, in dem Mitgefühl, Anteilnahme und Teilen wichtig sind. Deshalb unterstützt und begleitet das Lebenshaus Menschen in Krisen- oder Übergangssituationen. Und um zumindest manche dieser Menschen in eine Gemeinschaft zu integrieren und zu begleiten, wollten wir unter anderem “gemeinsam Wohnraum schaffen und Hausgemeinschaften bilden.” Deshalb hat der Verein bereits relativ kurze Zeit nach seiner Gründung ein Gebäude in Gammertingen erworben. Dort ist dann unsere Familie als Kerngruppe eingezogen, und nach einigen Ausbau- und Renovierungsarbeiten standen einige Zimmer bereit für Menschen, die in der Hausgemeinschaft zeitlich befristet mitleben können. In den vergangenen 10 Jahren haben über 140 Menschen das Angebot des Mitlebens wahrgenommen - Menschen, die sich in einer schwierigen Lebenssituation befanden, etwa aufgrund von Arbeitslosigkeit, nach einer Trennung, aufgrund fehlenden Ausbildungsplatzes, Flüchtlinge, psychisch kranke Menschen. Außerdem sind wir Anlaufstelle geworden für viele Menschen, die Rat und Unterstützung suchen, ohne im Lebenshaus mitzuwohnen. Bei alledem haben wir zu tun mit Menschen verschiedener kultureller Prägung, unterschiedlicher sozialer Herkunft, auch muslimischen Glaubens, mit einigen sogar längere Zeit zusammengelebt. Wir haben viel gelernt in diesen vergangenen Jahren. Der Einblick in vielerlei Schicksale und das Einüben von Anteilnahme und Mitgefühl, aber auch Abgrenzung, ist ein andauerndes Lernfeld für uns. Wir mussten mit Enttäuschungen, Ärger und manches Mal auch mit unserer Überforderung zurecht kommen und die Konsequenzen ziehen. Aber stets blieb uns das eine wichtig: die Idee, in einem Haus zu leben, das für andere offen ist, die sich am Rand der Gesellschaft befinden. (…) Nur angedeutet werden soll hier, dass das Lebenshaus-Gebäude weiteren vielfältigen Zwecken gedient hat und dient. Es ist ein Ort geworden für Veranstaltungen unterschiedlicher Art, für Begegnungen unzähliger Menschen, der Ferienspiele für ausländische und einheimische Kinder, für Sprachkurse; es gibt ein Büro, in dem die Informations- und Bildungsarbeit vorbereitet und teilweise umgesetzt wird, etc.
Alternatives Finanzierungsmodell: Viele Menschen tragen bei zu Finanzierung des Lebenshaus-ProjektesWar das nicht reichlich vermessen damals, als neu gegründeter Verein ein Haus bauen oder kaufen zu wollen? Nun, es gab bereits als gut funktionierendes Vorbild das Trossinger Lebenshaus. In verschiedenen Gesprächen haben uns insbesondere Willi Haller und Ullrich Hahn Mut dazu gemacht, etwas Ähnliches zu wagen. Noch haben wir die Worte unseres inzwischen leider verstorbenen Freundes Willi in den Ohren, der meinte, Geld sei nicht das Hauptproblem bei der Umsetzung eines solchen Projektes. Wenn Menschen sich zusammen tun würden und entschlossen seien, in Gemeinschaft etwas zu beginnen, dann würde das für ihre Anliegen erforderliche Geld schon fließen. Natürlich sei dies letztlich ein Weg des (Gott-)Vertrauens. Solcherart ermutigt gingen wir das Wagnis ein. Und bereits acht Monate nach der Vereinsgründung schlossen wir den Kaufvertrag für das jetzige Lebenshaus-Gebäude in Gammertingen ab. Wagen konnten wir diesen Schritt nur, weil bis zu diesem Zeitpunkt der noch junge Verein bereits rund 112.000 € in Form von Spenden, Mitgliedsbeiträgen, zinslosen Privatdarlehen erhalten bzw. zugesagt bekommen hatte. Wunderbar! Doch es kam noch besser: Denn im März 1994 war mit den rund 112.000 € nur etwas mehr als die Hälfte des Geldbetrages zusammen, der bis zur vollständigen Bezahlung des Kaufpreises für das Gebäude bis zum Jahresende erforderlich war. Und tatsächlich setzte sich diese Wundergeschichte fort: Aufgrund weiterer Spenden und Privatdarlehen fehlte am Jahresende für die restliche Bezahlung des Gebäudes und der Maklergebühr nur noch die relativ kleine Summe von 8.700 €. Wir nahmen dann dafür und für die Finanzierung erster dringend notwendiger Renovierungsarbeiten 17.900 € bei der GLS Gemeinschaftsbank als Darlehen auf. Natürlich war das eine äußerst spannende Zeit, denn wir mussten ganz stark darauf hoffen, dass sich genügend Menschen finden, die bereit sind, einen solchen alternativen Finanzierungsweg mitzugehen und das dafür erforderliche Geld zur Verfügung zu stellen. Und diese Spannung sollte sich fortsetzen bis heute. Denn es war von Anfang an so und ist es bis heute geblieben, dass unser Projekt keine materiellen Güter herstellt, die sich gegen Geld verkaufen ließen. Einnahmen bestehen aus Mieten, die aber bewusst niedrig gehalten wurden. Und es gab andererseits noch weit höheren Geldbedarf für Ausbau- und Renovierungsarbeiten des Gebäudes. Insgesamt sind bisher ca. 345.000 € an Kosten für das Gebäude aufgebracht worden. Seit seinem Bestehen im Juni 1993 gab es für den Verein insgesamt Einnahmen in Höhe von 1.134.000 € und Ausgaben von 1.043.500 €. Bei den Einnahmen handelt es sich um 345.300 € Spenden und Mitgliedsbeiträge, 665.900 € gingen an Darlehen ein, wovon erstaunlicherweise “nur” 42.500 € an Bankdarlehen von der GLS Gemeinschaftsbank erforderlich waren. Bei den Ausgaben bildeten die Rückzahlung von Darlehen in Höhe von 356.200 € einen großen Posten. Schon diese erstaunlichen Beträge zeigen, dass die einstmals begonnenen “Trampfelpfade” ins Neue, die Experimente mit einem alternativen Umgang mit Geld, gelungen sind. Dank vieler Menschen, die diesen Weg des Teilens, des Anteilnehmens und Mitgefühls mitgegangen sind bzw. unterstützt haben. Wunsch nach stabilerer FinanzierungSelbstverständlich ist dieser Weg mit einigen Risiken behaftet und es kann wenig kalkuliert werden. Ein Weg, bei dem statt Kalkül das Vertrauen auf wohlgesinnte Menschen im Vordergrund steht. So manches Mal plagte uns die sorgenvolle Frage: was, wenn jetzt größere Darlehensbeträge zurückbezahlt werden müssen und es nicht genügend Rücklagen oder neue Darlehen dafür gibt? Was, wenn zu den ohnehin befristeten und zu einem bestimmten Zeitpunkt rückzahlbaren Darlehen zusätzlich Kündigungen von unbefristeten Darlehen eingehen? Es war tatsächlich zwischendurch auch immer wieder knapp mit den Finanzen. Öfter haben wir mit unserem privaten Geld eine Lücke überbrückt, wenn nicht genügend Geld für bestimmte Ausgaben auf den Vereinskonten war. Letztlich haben sich aber alle diese Sorgen und aufkommenden Zweifel zerschlagen. Immer wieder fanden sich Menschen, die durch Spenden, Beiträge, Darlehen oder auch eine Bürgschaft für Darlehen bei der GLS Gemeinschaftsbank dazu beitrugen, das erforderliche Geld aufzubringen. Manche Darlehenslaufzeit wurde überdies verlängert, verschiedene Darlehen wurden sogar in Spenden umgewandelt! Dass dieses Finanzierungsmodell bisher gut funktioniert hat in unserer so ganz anders orientierten Welt, ist eigentlich fast unglaublich und zugleich wunderbar! Deshalb möchten wir uns bei allen Menschen ganz herzlich bedanken, die sich auf die eine oder andere Weise daran beteiligt haben. Sie haben unsere vor 12 1/2 Jahren im Rundbrief Nr. 1 formulierte Hoffnung nicht enttäuscht: die entstehende “Keimzelle” ist nicht erfroren. Wir hoffen natürlich, dass dies auch in Zukunft so sein wird. Dass sich weiter genügend Menschen finden werden, die dieser “Keimzelle” genügend finanzielle Mittel zufließen lassen, damit diese gut weiter leben kann. Ja, gerne würden wir die Unsicherheit, die insbesondere im Zusammenhang mit der Gebäudefinanzierung besteht, noch weiter in Richtung Stabilität und Vorhersagbarkeit verringern. Wir wünschten uns auch, dass das Gebäude im Sinne von Nachhaltigkeit auf lange Sicht für gemeinnützige Zwecke bestehen bleibt. Im Vorstand haben wir uns in den vergangenen Monaten immer wieder mit der Frage nach einer stabilen Finanzierung des Lebenshaus-Gebäudes beschäftigt. Bisher bestehen noch etwas über 200.000 € Schulden für das Gebäude. Diese sind glücklicherweise durch (überwiegend zinsfrei gewährte) Darlehen abgedeckt. Vor dem Hintergrund der oben erwähnten Unwägbarkeiten haben wir unter anderem die Frage aufgeworfen, ob eine Form von Stiftung zu einer sicheren Finanzierung beitragen und damit auch Nachhaltigkeit effektiv sichern könnte - oder würden dabei neue Schwierigkeiten entstehen? Aktuelle Finanzsituation und PerspektiveEntsprechend den Darlehensverträgen sind 2006 und 2007 noch insgesamt 141.000 € an Darlehen rückzahlbar. Dafür reichen die Rücklagen nicht aus. Deshalb sind wir dringend auf “neues Geld” angewiesen. Zumal zu diesen befristeten Darlehen noch weitere Kündigungen von unbefristeten Darlehen kommen können. Hinzu kommen natürlich die Kosten für unsere fortlaufende Arbeit. Und dann steht da seit Jahren die Renovierung des Balkons am Lebenshaus an bzw. dessen Abbau. Die Fensterläden sind auch marode und lassen sich nicht mehr reparieren. Diese Problempunkte tragen natürlich nicht gerade zur Zierde des Hauses bei. Dazu kommt etwas anderes, was angesichts der zunehmenden Klimakatastrophe und nicht zuletzt angesichts steigender Ölpreise bei knapper werdenden Ölvorräten ohnehin immer dringlicher wird: die weitere ökologische Umgestaltung des Lebenshauses. Seit der Verein das Haus gekauft hat, ist hier auch schon viel geschehen (Dachdämmung, Einbau von Thermostatventilen, wärmeisolierten Fenstern und einer neuen Heizungsanlage, jetzt Sonnenkollektoren zur Brauchwassererwärmung). Der größte Posten zur Energieeinsparung, das sagt das Energiespargutachten von 1995, ist bisher nicht angegangen worden: die Außenwanddämmung. Damals ist durch eine solche Maßnahme eine Einsparung von 1.670 Litern Öl pro Jahr errechnet worden. Bei einem durchschnittlichen Ölverbrauch von ca. 3.000 Litern pro Jahr könnte somit gemeinsam mit der Reduzierung durch die solare Warmwasseranlage der Ölverbrauch im Lebenshaus fast um zwei Drittel gesenkt werden! Es wäre wunderbar, wenn wir in einer Art Gesamtprojekt diese verschiedenen Punkte angehen könnten: Balkonabbau, ersetzen der Fensterläden durch Rollläden, Dämmung der Außenwände. Allerdings würde dies einige zehntausend Euro kosten. Das Geld, das wir im Moment auf den Vereinskonten haben, wollen wir angesichts der bevorstehenden Darlehensrückzahlungen und anderer Aufgaben auf keinen Fall für ein derartiges Projekt einsetzen. Bei alledem hoffen wir auf Menschen, die mit ihrem Geld politischen und sozialen Wandel unterstützen wollen. Deshalb bitten wir um Spenden und Darlehen. Von bisher zwei Menschen wissen wir, dass sie unseren Verein in ihrem Testament mit einer Erbschaft bedacht haben. Es wäre natürlich wunderbar, wenn sich weitere Menschen finden, die mit einem Erbe oder einem Vermächtnis unseren Einsatz für Gerechtigkeit, Frieden und Erhalt der Umwelt nachhaltig und wirkungsvoll fördern wollen. Gegebenenfalls können Sie bzw. könnt Ihr uns gerne vertrauensvoll ansprechen.
Kontakt: Lebenshaus Schwäbische Alb e.V., Michael Schmid/Katrin Warnatzsch, Bubenhofenstr. 3, 72501 Gammertingen, Tel. 07574-2862, E-Mail
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