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Deutschland sucht sein Atomklo

Umweltminister Gabriel späht im ganzen Land, doch Bayern möchte strahlende Abfälle im Norden begraben sehen

Deutschland braucht ein Atommüll-Endlager, so viel steht fest. Nur haben will es keiner. Akzeptiert würde es nur, wenn die zu lagernden Mengen begrenzt sind. Der Ausstieg aus der Kernenergie wäre also Voraussetzung.

Von Renate Backhaus

Wohin mit Deutschlands Atommüll? Der alte Streit um die Suche nach einem Atomendlager ist neu entfacht: Gerade hat CSU-Chef Edmund Stoiber den Plänen von Umweltminister Sigmar Gabriel, ergebnisoffen nach dem bestgeeigneten Endlager zu suchen, eine Absage erteilt. CSU und CDU wollen zur Lagerung des Strahlenabfalls die Standorte Gorleben und Schacht Konrad nutzen. Sie zeigen damit, dass ihnen finanzielle Aspekte wichtiger sind als die Sicherheit vor Radioaktivität.

Bisher war die Endlagersuche in Deutschland erfolglos. Sowohl das DDR-Atommülllager bei Morsleben in Sachsen-Anhalt wie auch das niedersächsische Versuchsendlager in Asse bei Wolfenbüttel - beide befinden sich in unterirdischen ehemaligen Salzbergwerken - erwiesen sich als nicht geeignet. In Morsleben zeigte sich dies auf dramatische Weise: 1998, wenige Wochen nach einem Gerichtsbeschluss, der die weitere Einlagerung radioaktiver Abfälle stoppte, löste sich ein 2000 Tonnen schwerer Gesteinsbrocken aus dem Deckgebirge über dem Salzstock und stürzte in einen Hohlraum des Bergwerks. Rein zufällig lagerte direkt unter dem herabstürzenden Gestein kein Atommüll. Kurz nach diesem Vorfall wurde die endgültige Stilllegung des Atommülllagers bei Morsleben verfügt, von dem dort bereits eingelagerten Strahlenabfall gehen jedoch noch lange Zeit große Gefahren aus.

Seit Jahrzehnten wird um zwei weitere Standorte in Niedersachsen gerungen: Konrad bei Salzgitter sowie Gorleben. Im Frühjahr erlaubte das Oberverwaltungsgericht Lüneburg, die frühere Eisenerzgrube Schacht Konrad als Endlager für schwach- und mittelradioaktiven Müll zu nutzen. Die Umweltverbände bemängelten, dass die Richter bei ihrer Entscheidung die fehlende Langzeitsicherheit des Schachtes nicht beachtet hätten. Darüber hinaus sei den Gegnern des Endlagers Schacht Konrad keine Revisionsmöglichkeit gegen das Urteil eingeräumt worden.

Mehrere Kläger versuchen derzeit, eine Revisionszulassung zu erstreiten. Umweltminister Gabriel, in dessen Wahlkreis Schacht Konrad liegt, hat inzwischen angekündigt, das Urteil zu akzeptieren. Ob Konrad in seinem geplanten Endlagersuchkonzept eine Rolle spielen wird, ist jedoch noch unklar. Bleibt die Bundesregierung bei ihrem Vorhaben, lediglich ein einziges Endlager für alle Kategorien atomaren Mülls errichten zu wollen, kann Konrad keine Option sein: Für die Lagerung hochradioaktiven Abfalls gibt es dort keine Genehmigung. Es ist durchaus sinnvoll, nur ein einziges Endlager zur Aufnahme aller Arten von Atommüll - also schwach-, mittel- und hochaktiven Abfall - zu errichten. Dieses “Ein-Endlager-Konzept”, das auch die schwarz-rote Bundesregierung weiter vertritt, muss also ohne Schacht Konrad auskommen. Die Endlagerung sollte in solchen tiefen geologischen Formationen erfolgen, die maßgebliche Langzeitbarrieren bilden können. Neben den geo-wissenschaftlichen Aspekten müssen jedoch auch sozialwissenschaftliche Kriterien wie Akzeptanz und Bevölkerungsdichte berücksichtigt werden. Und die Öffentlichkeit muss am gesamten Genehmigungsverfahren teilhaben.

Der größte Streit in der Endlager-Debatte dreht sich nach wie vor um Gorleben. Insbesondere die Betreiber der Atomkraftwerke, aber auch Teile der Politik setzen darauf, dass die Endlagersuche schließlich auf diesen Standort hinausläuft. Diese Präferenz hat wirtschaftliche und praktische Motive. Zum einen wurden in Gorleben schon erhebliche Summen investiert. Zum anderen befindet sich hier bereits ein Großteil des hochradioaktiven Mülls aus deutschen AKW - eingeschlossen in Castor-Behältern in der oberirdischen Zwischenlagerhalle.

Unter Sicherheitsaspekten ist ein Endlager für hochradioaktiven Müll in Gorleben ebenfalls inakzeptabel: Geologische Gutachten verweisen auf ein unzureichendes Deckgebirge und Verbindungen zum Grundwasser. Zurzeit gilt für das Lager in Gorleben ein Baustopp. Dieses Moratorium kann jedoch jederzeit aufgehoben werden. Zu begrüßen ist, dass Umweltminister Gabriel die Prüfung weiterer Standorte angekündigt hat. Eine Endlagersuche, die sich nicht auf bestimmte Orte beschränkt, ist prinzipiell richtig. Wie die Auseinandersetzungen um Schacht Konrad und Gorleben zeigen, fehlen jedoch bislang verbindliche Kriterien, anhand derer die Sicherheit von Standorten überprüft und diese miteinander verglichen werden können. Dem muss ein Endlagersuchgesetz dienen, das klare wissenschaftliche Definitionen enthält, die auch vor Gericht Bestand haben. Der “Arbeitskreis Auswahlverfahren Endlager” hatte im Auftrag der rot-grünen Bundesregierung bereits solche Kriterien für die Suche nach möglichen Standorten entwickelt. Diese Ansätze wurden von der Politik jedoch bisher nicht ernsthaft aufgegriffen.

Alle Kosten für die Endlagersuche sollten die Betreiber der Atomkraftwerke tragen. Dies muss auch für die aufwendige vergleichende Standortsuche mit Öffentlichkeitsbeteiligung gelten. Die Betreiber haben jahrzehntelang viel Geld mit ihren Atomkraftwerken verdient. Jetzt müssen sie auch dafür aufkommen, dass das bestmögliche Endlager für den Strahlenmüll gefunden wird. Die Suche nach dem Standort, dessen Genehmigung und die Öffentlichkeitsbeteiligung sind jedoch staatliche Aufgaben. Dazu sollte eine öffentliche Institution geschaffen werden, die - wie vom “Arbeitskreis Auswahlverfahren Endlager” vorgeschlagen - von einem unabhängigen Gremium kontrolliert wird.

Die Frage nach der Endlagerung des Atommülls muss auch deshalb dringend geklärt werden, weil immer wieder Diskussionen aufkommen, den Atommüll doch einfach ins Ausland zu exportieren. Eine schnelle Endlagersuche schiebt solchen inakzeptablen Vorschlägen einen Riegel vor. Radioaktiv strahlender Abfall, der in Deutschland produziert wurde, muss auch in Deutschland endgelagert werden.

All diese Bemühungen zur Endlagersuche dürfen jedoch nicht darüber hinwegtäuschen: Niemand kann garantieren, dass der gefundene Standort für einen Zeitraum von einer Million Jahre sicher ist. Es geht allein darum, den vergleichsweise am besten geeigneten Ort zu finden. Und selbst wenn er gefunden wurde, führt kein Weg am schnellen Ausstieg aus der Atomkraft vorbei. Nur so lassen sich die zusätzlich entstehenden Atommüllmengen begrenzen, die wir nachfolgenden Generationen hinterlassen. Dies ist eine entscheidende Bedingung für die Akzeptanz in der Bevölkerung. Ein Endlager, das den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke ermöglicht und so die Atommüllberge weiter wachsen lässt, wird überall auf Widerstand stoßen.

Renate Backhaus (Jahrgang 1943) ist Mitglied im Bundesvorstand des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) und dessen Atomexpertin. Von 1984 bis 2000 war sie Mitglied der Grünen und dort im Bundes- vorstand sowie Fraktionsvorsitzende im Lüneburger Kreistag.
Sie klagte gegen das Atomkraftwerk Krümmel und ist Mitglied der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg, die gegen ein Atommüll-Endlager in Gorleben kämpft. aud

Quelle: Frankfurter Rundschau vom 16.09.2006. Wir veröffentlichen diesen Artikel mit freundlicher Genehmigung von Renate Backhaus.

Veröffentlicht am

26. September 2006

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