“Kein Atommüll-Endlager im Donautal und auch nicht anderswo! Erst Stilllegung, dann Endlagersuche!”
Von Michael Schmid Donautal als potentieller Standort für Atommüll-EndlagerAnfang September gingen Meldungen durch die Presse, dass sich zwei Regionen in Baden-Württemberg möglicherweise für ein Atommüll-Endlager eignen würden: im Kreis Konstanz und das unweit von uns gelegne Gebiet entlang der Donau zwischen Ulm und Riedlingen. Diese potentielle Eignung wird in einer eine Studie der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) festgestellt. Trotz jahrzehntelanger Forschung gibt es bisher weder in Deutschland noch weltweit eine befriedigende Lösung für den hochradioaktiven Atommüll. Geplant ist in Deutschland, radioaktive Abfälle mehrere hundert Meter tief in geologischen Formationen in einem Bergwerk zu entsorgen. Auf diese Weise sollen die radioaktiven Abfälle für sehr lange Zeiträume sicher von der Biosphäre isoliert und somit Mensch und Umwelt bestmöglich vor der schädigenden Strahlung beschützt werden. So die Absicht. Bevor feststeht, ob sich ein potenzieller Standort tatsächlich als Endlager eignet, müssen Experten jedoch alle Aspekte des "Gesamtsystems Endlager" untersuchen. Deshalb erhielt die BGR 2003 vom Bundeswirtschaftsministerium den Auftrag, eine Studie über die Verbreitung von Tongesteinen als potenzielle Wirtsgesteine für die Endlagerung hochradioaktiver Abfälle in Deutschland zu erstellen. In dieser Studie werden mächtige Tonsteinvorkommen in der Kreide Norddeutschlands und im Jura Nord- und Süddeutschlands als untersuchungswürdig für Endlagerstätten erachtet, darunter ein Bereich entlang der Donau, der in etwa zwischen Ulm und Riedlingen verläuft. Die Studie hat hier in Baden-Württemberg ein großes Echo hervorgerufen. Aus nahezu allen politischen Lagern erklang der Ruf: kein Atommüll-Endlager bei uns in Baden-Württemberg! Selbst die baden-württembergische Landesregierung, an deren Spitze sich besonders Ministerpräsident Oettinger nachhaltig für die Verlängerung von Laufzeiten von Atomkraftwerken einsetzt, möchte den anfallenden Atommüll irgendwo anders verbuddelt sehen. Eine solche Haltung ist natürlich heuchlerisch: noch mehr Müll produzieren, aber ja nicht vor unserer Haustür lagern. St. Florian lässt grüßen! Worin besteht überhaupt das Problem mit Atommüll?Aufgrund langer Halbwertszeiten ist die sichere Lagerung von hochradiaktiven Abfällen über hunderttausende von Jahren erforderlich. Plutonium hat z.B. eine Halbwertszeit von rund 24.000 Jahren. Hätten also unsere Vorfahren vor 24.000 Jahren Atomenergie genutzt, wäre die tödliche Strahlung des Plutoniums im Atommüll bis heute erst um die Hälfte zurückgegangen. Experten halten eine sichere Lagerung über zehn Halbwertszeiten für erforderlich, um Gefahren für die Umwelt auszuschließen. Zehn Halbwertszeiten sind 240.000 Jahre! Es wird also nie ein "sicheres" Endlager für Strahlenmüll geben. Denn niemand kann heute wissen, wie die politischen und geologischen Verhältnisse auf der Welt in Tausenden von Jahren sein werden. Atommüll bleibt eine tickende Zeitbombe für alle nachfolgenden Generationen. Und mit jeder Stunde fortlaufenden Betriebs wächst die Menge an radioaktivem Müll, für den es bisher nirgendwo ein geeignetes Endlager gibt. Es ist daher unverantwortlich, immer noch weiteren für uns unbeherrschbaren Atommüll zu produzieren. Dennoch wird auch durch den so genannten "Atom-Konsens" hier in Deutschland das Entsorgungsfiasko weiter vergrößert: Seit dem Beginn der Atomenergienutzung vor 30 Jahren sind in der Bundesrepublik über 180.000 Kubikmeter radioaktiver Abfälle angefallen. Diese Menge verdoppelt sich in etwa durch die im "Atom-Konsens" im Jahr 2001 mit der Industrie ausgehandelten Laufzeiten, so dass bei den jetzigen Vereinbarungen am Ende rund 330.000 Kubikmeter Atommüll endgelagert werden müssen. Sollten die Laufzeiten der AKW gar noch verlängert werden, wie dies von der Atomlobby immer lautstarker gefordert wird, würde auch die Menge des strahlenden Mülls noch einmal deutlich ansteigen. Erst Atomausstieg, dann Endlagersuche!Die ungelöste Entsorgung des Atommülls lässt nur den Schluss zu, dass die weitere Produktion von Atommüll sofort gestoppt werden muss! Bevor es also um die Suche und Festlegung eines Endlagerstandortes gehen kann, braucht es den Ausstieg aus der Atomenergie! Wenn bei uns zuhause die Badewanne überläuft, drehen wir zuerst den Wasserhahn ab und überlegen dann, wie wir den Schaden eingrenzen können! So lange Atomkraftwerke weiterlaufen, dient die Diskussion um Entsorgungskonzepte und Endlagerstandorte immer nur dem Zweck, den Weiterbetrieb zu rechtfertigen. Deshalb kann es für uns kein vernünftiger Ansatz sein, sich unter den jetzigen Bedingungen auf die Suche eines geeigneten Standorts für ein Atommüll-Endlager einzulassen. Unsere Forderung muss lauten: "Kein Atommüll-Endlager im Donautal und auch nicht anderswo! Erst Stilllegung, dann Endlagersuche!" Erst wenn alle AKWs stillgelegt sind, kann die Gesellschaft - und dann gemeinsam - den am wenigsten schlechten Ort suchen, für eine dann zumindest klar umgrenzte Müllmenge. Nach der Stilllegung der AKWs muss man sich dann wohl mit dem kleinsten Übel zufrieden geben. Erneuerbare Energien ausbauenGeht uns dann aber ohne Atomkraftwerke nicht der Strom aus? Die Bundesregierung beabsichtigt, bis 2020 "mindestens 20 Prozent des Stroms in Deutschland regenerativ gewinnen". So ist es im Koalitionsvertrag festgelegt. Der Präsident von Eurosolar und Träger des Alternativen Nobelpreises, Hermann Scheer, vertritt die Meinung, dass dieses Ziel schon 2012 erreicht sein und bis 2020 schon 50 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Quellen gewonnen werden könne.Siehe Hermann Scheer: "20 Jahre nach Tschernobyl: Erneuerbare Energien statt Atomenergie" . Zum Beispiel mit neuen Windkraftanlagen, Wasserkraftwerken, Geothermie, anhaltender Wachstumsdynamik der Photovoltaik, sowie Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung. Auf diese Weise könnten insgesamt sogar 80 Prozent des heutigen Stromverbrauchs gedeckt werden. Wenn dann allerdings ein "Trägheitsmoment" von etwa einem Drittel berücksichtigt wird, dann könnte damit doch die Hälfte des Stroms aus erneuerbaren Energieträgern erzeugt werden. Wenn wir dann noch jedes Jahr bis 2020 nur ein Prozent des Stroms durch Sparen und Effizienzsteigerung weniger verbrauchen, dann würden uns bis 2020 schon zwei Drittel des Stromverbrauchs aus erneuerbaren Quellen zur Verfügung stehen. Bis 2020 können also alle AKWs abgeschaltet werden, ohne dass ein einziges konventionelles Kraftwerk neu errichtet werden muss. Das umweltverträgliche, wirtschaftliche, friedliche und sichere Energiekonzept der Zukunft heißt: Die alten Energien auslaufen lassen und im selben Tempo auf erneuerbare Energien umsteigen. Das ist machbar und das ist notwendig! Der persönliche Atomausstieg ist möglich und notwendigDa die Atomkonzerne die AKWs möglichst lange nicht abschalten wollen, sind wir selber gefordert, diese abschalten zu helfen. Indem wir einfach keinen Atomstrom mehr beziehen. Denn jede und jeder von uns kann seinen persönlichen Atomausstieg machen. Leider tun dies bisher nur relativ wenige Menschen. Es ist schon höchst erstaunlich, wenn sich in aktuellen Meinungsumfragen 80 Prozent der Deutschen für erneuerbare Energien aussprechen und nur noch knapp 20 Prozent für Atomstrom, aber gleichzeitig etwa 95 Prozent aller deutschen Haushalte weiter Atomstrom beziehen und nur weniger als 5 Prozent Ökostrom. Und dies, obwohl sich jeder Haushalt seit 8 Jahren frei zwischen herkömmlichem Strom und Ökostrom entscheiden kann. Dabei ist der Umstieg wirklich einfach zu machen - kostet kaum Zeit und ist auch kaum teurer.Siehe hierzu die Artikel in der Lebenshaus-Website unter "Atomausstieg selber machen" . Zu wünschen wäre ein regelrechtes Wechselfieber: wenn die private Entscheidung weg vom Atomstrom massenhaft vollzogen würde, dann würde dies als starkes politisches Signal wirken. Und es würde die Atomkonzerne dort treffen, wo es ihnen weh tut: beim Geld. Der persönliche Atomausstieg ist einfach zu machen und häufig viel kostengünstiger als erwartet. Der Verein Lebenshaus Schwäbische Alb bezieht seit Jahren den Strom für sein Gebäude in Gammertingen von den Elektrizitätswerken Schönau (EWS).Siehe die Website der Elektrizitätswerke Schönau . Der Aufwand für den Wechsel des Versorgers war sehr gering - wenige Minuten reichten. Protest in der Region: Bürgerinitiative in GründungDer Biberacher SPD-Bundestagsabgeordnete Martin Gerster hatte für vergangenen Samstag zu einem Treffen nach Riedlingen eingeladen, um zu überlegen, wie gemeinsam gegen ein Atommüll-Endlager im Donautal protestiert werden kann. Gekommen waren so viele Menschen, dass schließlich im Freien getagt werden musste, weil der Versammlungsraum gar nicht alle fassen konnte. Vereinbart wurde die Vorbereitung zur Gründung einer Bürgerinitiative (BI). Erfreulich: Die künftige BI will nicht nach dem St.-Florians-Prinzip verfahren, nach dem es nur gegen ein Endlager vor der eigenen Haustüre gegangen wäre. Nein, diese zukünftige BI wird sich wohl eine breitere Zielsetzung vornehmen. Ziele, wie sie von mir eben umrissen wurden: Erst Ausstieg aus der Atomenergie, dann Suche nach dem wenigsten schlechten Platz für ein Atomendlager; Werbung für den persönlichen Ausstieg aus der Atomkraft und Förderung der erneuerbaren Energien. Als Lebenshaus-Verein werden wir diese BI dann unterstützen und mitarbeiten. Willkommen sind alle Institutionen, Vereinen und Einzelpersonen aus der Region, die sich der umrissenen Zielsetzung anschließen wollen. Denn nur ein breiter Protest an jedem potentiellen Endlager-Standort wird letztlich dazu führen, dass er genügend Wirkung auf die Entscheidungsträger haben wird. Deshalb herzliche Einladung zum Mitmachen. Leider ist diese Initiative des SPD-Bundestagsabgeordneten Gerster mindestens in einen sanften Schlaf versunken und jedenfalls inzwischen nahezu oder sogar völlig inaktiv. Nachdem unsere Versuche gescheitert sind, in dieser Organisation mehr Aktivitäten entfalten zu helfen, haben wir uns als Lebenshaus zurückgezogen. Wir engagieren uns selbstverständlich weiterhin für einen sofortigen Atomausstieg und für eine Wende in der Energiepolitik.
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