Atomwaffentest in Nordkorea - Folgt nun ein nuklearer Rüstungswettlauf in Asien?Von Wolfgang Kötter Am heutigen Vormittag um 10.36 Uhr Ortszeit zündete die KDVR (= Nordkorea) einen unterirdischen nuklearen Sprengsatz nahe der Stadt Kilju in der nordöstlichen Provinz Hamkyong. Das Außenministerium hatte diesen Schritt bereits vor einer Woche angekündigt und damit die von den Medien seit Monaten verbreiteten Vermutungen über einen bevorstehenden Atomwaffentest bestätigt. US-amerikanische und japanische Satelliten hatten auffällige Bauarbeiten und verdächtige Bewegungen von Lastwagen, Kränen und anderem schwerem Gerät gemeldet. Die USA beorderten ein Aufklärungsflugzeug zur Messung radioaktiver Strahlung von einer Militärbasis im Süden Japans in die Region. Die von Südkorea extra installierte seismische Kontrollstation maß zum Zeitpunkt des Tests einen Erdstoß der Stärke 3,58 und das US-Amt für geologische Beobachtungen gab sogar eine Erderschütterung von 4,2 auf der Richterskala an. Auch die Kontrollsysteme der internationalen Teststopp-Organisation (CTBTO) in Wien registrierten den Nukleartest, dessen Sprengkraft mit 550 Tonnen des herkömmlichen Sprengstoffs TNT Die Sprengkraft von Nuklearsprengköpfen wird bezogen auf den herkömmlichen Sprengstoff Trinitrotoluol (TNT) angegeben. angegeben wurde. Mit dem nun erfolgten Atomwaffenversuch beschreitet die Führung in Pjöngjang den Abschiedsweg vom internationalen Nichtverbreitungsregime hartnäckig weiter. Zwar war die KDVR im Jahre 1985 dem Kernwaffensperrvertrag beigetreten, doch erst sieben Jahre später unterzeichnete sie das Kontrollabkommen mit der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA. Immer wieder tauchten Vermutungen über illegale Nuklearaktivitäten auf. Verdacht erregte zunächst die Möglichkeit, das aus den Schwerwasserreaktoren sowjetischer Bauart gewonnene Plutonium zur Waffenentwicklung abzuzweigen, und tatsächlich fehlten bei einer Routineinspektion 15 kg waffenfähiges Plutonium. Bis heute ist deren Verbleib nicht geklärt, die Menge reicht immerhin zum Bau von zwei Atomsprengköpfen aus. Auch Hinweise auf eine geheime Urananreicherung und Transporte von Tausenden ausgedienten Brennstäben aus der Nuklearanlage in Yonbyong zur Wiederaufbereitung deuteten auf die Gewinnung waffentauglichen Spaltmaterials hin. Die Forderung nach ungehindertem Zugang zu allen Nuklearanlagen beantwortete die koreanische Führung zunächst mit einem Kontrollboykott für IAEA-Inspektoren und trat im Jahre 2003 gänzlich aus dem Nichtvebreitungsvertrag aus. Diese Entwicklung löste weltweite Besorgnis und diplomatische Bemühungen aus, die schließlich zu Sechsergesprächen führten, an denen neben Nord- und Südkorea auch die USA, China, Russland und Japan teilnehmen. Vor einem Jahr schien ein Durchbruch erreicht, als die KDVR ihre Bereitschaft verkündete, das Kernwaffenprogramm aufzugeben und in den Atomwaffensperrvertrag wie auch in die IAEA zurückzukehren. Die USA ihrerseits versprachen, auf die Stationierung von Nuklearwaffen in Südkorea zu verzichten und eine Nichtangriffserklärung abzugeben. Gleichzeitig wurde ein umfangreiches Paket wirtschaftlicher Hilfe bei der Überwindung der katastrophalen ökonomischen Lage sowie der permanenten Hungersnöte der nordkoreanischen Bevölkerung vereinbart. Seit November liegen die Verhandlungen jedoch auf Eis, nachdem die Bush-Regierung ihren Ton gegenüber Pjöngjang deutlich verschärft hatte. Washington verhängte eine Reihe von Strafmaßnahmen wegen mutmaßlicher Verbreitung von gefälschten Dollarnoten, Geldwäsche, Menschenrechtsverletzungen, Drogenschmuggel und Waffenhandel. Aus Verärgerung über die Sanktionen, die unter anderem die Sperrung der nordkoreanischen Devisenkonten auf der Asienbank Macao enthalten, zeigt Nordkorea den Sechsergesprächen bis heute die kalte Schulter. Darüber hinaus beendete es das seit 1999 bestehende Moratorium für Raketentests. Das Land entwickelt und erprobt zur Zeit verschiedene Typen von Mittelstreckenraketen, aber auch die mehrstufige Taepodong-2-Rakete mit einer Reichweiten von bis zu 6 700 km, die Japan sowie die Westküste der USA erreichen kann. Im Anschluss an eine Serie von sieben Raketentests Anfang Juli hatten die USA im UNO-Sicherheitsrat eine Resolution mit Boykottmaßnahmen gegen das Raketenprogramm durchgesetzt, die Pjöngjang als “De-facto Kriegserklärung” bezeichnete. Selbst China und Russland hatten der Resolution zugestimmt. Auch jetzt wird das Weltgremium zu einer Dringlichkeitssitzung zusammentreten, hatte es doch bereits unmittelbar vor dem Test vor den negativen Konsequenzen für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit gewarnt, vorerst jedoch auf die Androhung konkreter Sanktionen verzichtet. Pjöngjang ließ sich davon offensichtlich nicht beeindrucken und begründet sein Handeln mit der “Drohung eines Atomkrieges” durch die USA, den es abzuschrecken gelte. Abzuwarten bleibt nun, welche Strategie Nordkoreas Führer Kim Jong Il weiter verfolgen wird. Nach Expertenschätzungen besitzt die KDVR genügend Spaltmaterial, um bis zu 12 nukleare Sprengköpfe herzustellen. Bereits Anfang 2005 hatte das Land den Besitz von Atomwaffen erklärt, ohne bisher allerdings deren Funktionstüchtigkeit durch einen Kernwaffentest nachgewiesen zu haben. Unklar ist, ob die “nukleare Karte” eher zur Abwendung eines befürchteten amerikanischen Militärschlages nach dem Beispiel des Irak-Krieges, oder lediglich als Diplomatie-Trumpf um Zugeständnisse in den Sechsergesprächen bzw. den angestrebten bilateralen Verhandlungen mit den USA dient. Möglicherweise hofft Pjöngjang auf ein ähnliches Verhalten der Staatengemeinschaft wie gegenüber den Nukleartests Indiens und Pakistans im Jahre 1998. Nach anfänglichen Protesten hat die Welt beide Staaten inzwischen stillschweigend als Atommächte respektiert. Wahrscheinlicher erscheint jedoch zunächst eine Verschärfung von Sanktionen und Boykottmaßnahmen, denn zahlreiche Regierungen haben den Nukleartest bereits verurteilt. Die Hardliner in Washington fordern sogar militärische Blockadeoperationen der US-Navy. Ob sie allerdings geeignet sind, die nordkoreanische Führung zum Einlenken zu zwingen ist zweifelhaft. Skeptiker fürchten vielmehr, dass nun ein Dominoeffekt ausgelöst wird, bei dem als nächstes Japan, Taiwan und Südkorea Atomwaffen erwerben könnten. “Ich glaube, das hätte katastrophale politische Folgen in Asien und im Rest der Welt”, befürchtete der Generaldirektor der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA El-Baradei bereits vorab. Kernwaffenversuche 1945 - 2006
Quellen: Arms Control Association, Bulletin of the Atomic Scientists Kontrollsystem der internationalen Teststopporganisation (CTBTO)Im Zentrum des weltweiten Netzwerks von Beobachtungsposten in 89 Ländern steht ein globales System von 170 seismischen Stationen. Es kann eventuelle unterirdische Nuklearexplosionen registrieren und von den jährlich etwa 50 000 natürlichen Erdbeben unterscheiden. 80 Radionuklid-Detektoren und 60 Infraschallgeräte beobachten außerdem die Atmosphäre, während 11 hydroakustische Systeme die Weltmeere kontrollieren. Satelliten übermitteln die Informationen zum Internationalen Datenzentrum an der Donau, wo sie gespeichert, analysiert und an die Vertragsparteien übermittelt werden. Das Weltraum gestützte Globale Kommunikationsystem lieferte außerdem mehr als Hunderttausend detaillierte Angaben über Erdbeben, Vulkanausbrüche, Bergwerksunglücke, Flugzeugzusammenstöße sowie auffällige Umwelt- und Wettererscheinungen. Mehr als die Hälfte der Beobachtungsposten - darunter über 160 Kontrollstationen und fünf Analyselabors - sind bereits einsatzfähig und erprobt. Die technischen Überwachungen werden ergänzt durch Transparenzmaßnahmen, Konsultationen zur Klärung von Zweifelsfällen und Vor-Ort-Inspektionen. FußnotenVeröffentlicht amArtikel ausdruckenWeitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von |
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