USA: Kurs haltenPräsident Bush reaktiviert James Baker und erweckt den Eindruck, im Irak sei eine Niederlage noch abzuwendenVon Konrad Ege Flexibilität, Taktikwechsel, Kooperation mit Iraks Regierung, Zielsetzungen und Zeitpläne, aber keine Ultimaten: Mit diesen Begriffen beschreibt die US-Regierung seit neuestem ihren angeblich neuen Versuch, den “Einsatz” ihrer Streitkräfte im Irak zu “vollenden”. Man tut so, als könnte der sprichwörtliche Karren noch aus dem Dreck gezogen werden. Als sei in dem “gigantischen Kampf” gegen die “Extremisten und Radikalen” (Präsident Bush am Wochenende im Rundfunk) noch etwas anderes vorstellbar als eine Niederlage - zumindest gemessen an dem seinerzeit verkündeten Ziel, dem Irak eine freie und demokratische Regierung zu verschaffen. Und wohl auch gemessen am Anspruch, dem Irak wenigstens eine regierungsfähige Führung zu hinterlassen. Bushs Rhetorik hat sich gewandelt in den vergangenen Tagen. Seine sture Machismo-Losung “Stay the Course” (Kurs halten) gehört der Vergangenheit an. Die “Taktiken” der US-Streitkräfte “änderten” sich, sagt der Präsident. Nach Angaben von Regierungsvertretern sollen die irakischen Sicherheitskräfte eine größere Rolle spielen beim Kampf gegen die Bösen - nach dem für die US-Armee so blutigen Oktober, ihrem tödlichsten Monat seit zwei Jahren. Verteidigungsminister Rumsfeld meint: “Es ist ihr Land … sie (die Iraker - K.E.) müssen für ihre Sicherheit sorgen.” Und zwar “eher früher als später”. Wer aus Sicht der US-Politik die “irakischen Sicherheitskräfte” sind und wer die Feinde, ist allerdings nicht mehr so leicht auszumachen. Immer mehr sind die Saboteure einer verlässlichen Ordnung die von Saddam Hussein und seinem sunnitischen Anhang “befreiten” schiitischen Politiker, die mit ihren Milizen nun eben diese Sunniten foltern und ermorden. Parallelen zu Vietnam drängen sich auf. Seinerzeit war in den USA schon lang vor dem Friedensvertrag von 1973 klar, dass der Krieg nicht mehr gewonnen werden konnte. Trotzdem wurde weiter gekämpft, getötet und gestorben. Nach den vom National Security Archive, einem privaten Forschungsinstitut in Washington, ausgegrabenen Regierungsdokumenten räumte Außenminister Kissinger bereits im Juni 1972 ein, dass die USA ein “kommunistisches Indochina akzeptieren” könnten, habe man doch auch ein kommunistisches China geschluckt. Bereits die 1971 bekannt gemachten Pentagon-Papiere ließen kaum Zweifel an den schlechten US-Aussichten in Vietnam. Zuvor schon hatte die Tet-Offensive vom Januar 1968 nach dem Eindruck von Kissinger verdeutlicht, dass “unsere tragende Strategie ihr Ziel nicht schnell genug erreichen kann”, um von der US-Bevölkerung akzeptiert zu werden. 1969 fielen 11.611 US-Soldaten in Vietnam, 1970 waren es 6.081, im Jahr darauf 2.357 und 1972 noch 641. Die Zahl vietnamesischer Opfer vom 68er Tet-Fest bis zum Ende des Krieges im April 1975 geht in die Hunderttausende. Präsident Richard Nixon ließ weiter kämpfen, angeblich damit sein südvietnamesischer Alliierter genug Zeit fand, seine Streitkräfte aufzubauen. Was allerdings nie gelang. In den USA sank damals die Zustimmung zur Präsenz in Indochina rapide. Heute wächst selbst bei den Republikanern die Kritik an Bushs Irakpolitik. Kritisiert wird vorrangig, dass es nicht den gewünschten Erfolg gibt. Obwohl die führenden Medien noch bis vor kurzem den Feldherren im Weißen Haus feierten, lehnt nun deutlich mehr als die Hälfte der Amerikaner Bushs Irakpolitik ab. Und Anfang November wird ein neuer Kongress gewählt. Bush und seine Leute betonen, sie würden jetzt im Irak nur ihre Taktik korrigieren, nicht aber die Strategie. Wobei die Amerikaner inzwischen gar nicht mehr wissen, worin denn eigentlich die Strategie besteht. Eine mit Zustimmung Bushs eingerichteter hochrangiger Arbeitskreis unter James Baker - Ex-Außenminister von Vater Bush und Vertrauter der Familie - soll nun Pläne vorlegen für eine neue Irak-Politik. Nach den Kongresswahlen. Wunder wirken kann Baker freilich nicht. Obwohl es ihm 2000 als dem republikanischen Wahlstrategen bei den umstrittenen Präsidentschaftswahlen immerhin gelungen war, George W. via Oberstes Gericht ins Weiße Haus zu hieven.
Quelle: FREITAG. Die Ost-West-Wochenzeitung 42 vom 27.10.2006. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Konrad Ege und Verlag. Veröffentlicht amArtikel ausdruckenWeitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von |
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