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Ich möchte mit meiner Frau zusammenbleiben!

Von Ghassam Abdullah, Ramallah Dezember 2006

Israel hat bestimmt, dass meine Frau und ich nicht mehr zusammen leben können. Ich bin Palästinenser und sie ist Schweizerin. Wir haben vor 28 Jahren geheiratet. Man hat ihr jetzt noch zwei Wochen Zeit gegeben, um das besetzte palästinensische Gebiet zu verlassen. Das israelische Ministerium schrieb auf ihren Schweizer Pass: “Letzter Passierschein”. Wir haben seit 12 Jahren gemeinsam in Ramallah gelebt. Wir kamen 1994 nach dem Oslo-Abkommen, als wir von der Aussicht auf Frieden und Entwicklung ermutigt wurden.

Meine Frau Anita spricht Arabisch wie die Einheimischen, kocht arabisch und kümmert sich um das Dorfhaus meines Großvaters, ein altes Steingebäude mit Pflanzen drum herum - mehr als ich es tue. Sie wählt bei palästinensischen Wahlen als Frau eines Palästinensers. Sie arbeitet in der örtlichen Gemeinde im öffentlichen Gesundheitswesen mit. Sie hat so viele Freunde hier und sie betrachtet dies als ihr Zuhause. Sie hat zwar noch Kontakte nach Europa und europäische Werte. Aber sie will nicht von dieser Umgebung und von mir getrennt werden. Und ich will ganz sicher nicht von ihr getrennt werden. Unsere Kinder sind erwachsen und arbeiten im Ausland. Aber es ist nicht sicher, ob sie uns hier besuchen dürfen. Auf ihrem Weg zu uns nach Ramallah vor ein paar Monaten musste unsere Tochter, die einen Schweizer Pass hat, sechs Stunden am Flughafen in Tel Aviv warten und wurde in die Mangel genommen. Sie war noch glücklich - andere wurden zurück geschickt, nachdem sie in den berüchtigten Zellen des Flughafens die Nacht verbringen mussten.

Die letzten 12 Jahre war es Anita gelungen, hier zu bleiben, nachdem sie gewissenhaft ihre Aufenthaltserlaubnis alle drei oder Monate durch Ausreisen und Zurückkommen erneuern ließ, um dem israelischen Gesetz Genüge zu tun, das für die besetzten Gebiete gilt. Sie kämpft nun ums Hierbleiben und nahm schon einen Anwalt und ging zum israelischen Gericht und hofft auf eine einstweilige Verfügung, um so lange bleiben zu können, bis ein Urteil gefällt ist. Sie hat auch Kontakt mit ihrer Botschaft aufgenommen und hat sich anderen angeschlossen, die sich an die EU und das US-Konsulat gewandt haben. Auch an israelische und palästinensische Menschenrechtsorganisationen so wie an die Medien.

Wir wissen nicht, was wir noch tun sollen. Wir müssen es schnell machen. Was sollen wir mit einem Leben in Trennung machen, mit unseren Papieren und Konten, den hundert kleinen Dingen, die wir hier gemeinsam haben. Was mit der neuen Wohnung, mit der wir einen Fehler begangen und sie im falschen Augenblick gekauft haben. Sie hat die Fließen ausgesucht und die Küche gestaltet. Wir können es nicht glauben und nicht akzeptieren, dass wir getrennt werden. Aber wir müssen es glauben, wenn wir von anderen “gemischten” Ehepaaren oder Familien in unserer Umgebung daran erinnert werden, die schon getrennt wurden.

Seit dem letzten Frühjahr verstärkten die israelischen Besatzungsbehörden den Druck auf Palästinenser mit nicht palästinensischen Passen und verweigerten ihnen den Zutritt zu den palästinensischen Gebieten. Das schloss auch Palästinenser mit ausländischen Pässen, ausländischen Ehepartner, Kinder, Eltern und andere Verwandte mit ein. Davon betroffen waren auch Ausländer, die an den Universitäten lehrten, arbeiteten oder freiwillig mit lokalen oder ausländischen NGO zusammen arbeiteten, die als Experten mit verschiedenen von EU-Ländern finanzierten Projekten kamen, Sympathisanten für Menschenrechtsaktivisten.

BITAKHON ist das Zauberwort in Israel. Im Namen von Bitakhon oder Sicherheit können die israelischen Behörden jede illegale, unmenschliche oder aggressive Maßnahme gegen das palästinensische Volk unter militärischer Besatzung ergreifen. Sie können das Wort Bitakhon jedem europäischen und ausländischen Diplomaten an den Kopf werfen, der es wagt, ihre Maßnahmen zu hinterfragen, selbst wenn sie gegen die Menschenrechte, das Völkerrecht, die 4. Genfer Konvention gehen, die das Miteinander von Besatzern und Besetzten regeln sollte. Es erscheint Palästinensern zuweilen, dass sogar ein Offizieller 3. Grades von irgendeinem Ministerium die ganze EU und seine Abgeordneten in Schrecken versetzen kann, wenn er sich auf die “Sicherheit” der Israelis beruft und wenn er nur darauf hindeutet, was Europäer den Juden angetan haben.

Meine Frau ist es nicht allein, der in der vergangenen Woche ein Ultimatum gegeben wurde. Bei dutzenden anderer Frauen, Männer, Kinder, die seit Jahren in der Westbank gelebt haben, die ihr von Israel erteiltes “Besucher”-Visum erneuerten, um wieder drei Monate bleiben zu

können, sind sie nur für kurze Zeit verlängert worden. Sie laufen zum Ende des Jahres aus. Kinder müssen von ihren Schulen genommen und von ihren Eltern oder einem Elternteil getrennt werden. So werden Mütter, Väter, Geschwister, Großeltern von der sehr geschätzten örtlichen Großfamilie gerissen. Hunderte andere erwarten in den nächsten Tagen und Wochen dasselbe Schicksal. Tausenden wurde im vergangenen Sommer der Besuch bei ihren Familien verweigert. Der Sommer ist oft für die palästinensischen Familien die Saison fürs Heiraten. Da kommen dann die mit anderen Pässen und Ausweisen, und die Sommerabende sind mit Musik und Tanz erfüllt. Doch nicht im vergangenen Sommer.

Die israelischen Behörden haben nicht aufgehört, Land zu enteignen. Ich fühle mich wie in meiner Hosentasche besetzt. (?) Meine “palästinensische” Identitätskarte ist von israelischen Behörden ausgestellt. Sie kontrollieren das palästinensische zivile Meldeamt. Jede Geburt, jeder Todesfall, Heiraten, Reisen - alles wird von ihnen kontrolliert, sogar im Gazastreifen, trotz der sog. Trennung. Natürlich kontrollieren sie das Wasser, die Straßen und die Bewegung der Leute innerhalb der Westbank durch Hunderte von Absperrungen und Kontrollpunkte. Alle Bäume, die ihnen oder der Mauer im Weg zu stehen scheinen, werden ausgerissen. Sie schneiden so mit der Mauer und ihren Siedlern mitten in unser Land. Sie nehmen sich nach Lust und Laune noch ein Stück Land und noch einen Hügel.

Warum greifen die Israelis diese “gemischten” palästinensischen Paare an? Bevor sich heute Leute verlieben, fragen sie nach der Identitätskarte und wo sie ausgestellt wurde. Sie wollen ihr Leben von Anfang an nicht auf ein Risiko bauen, aus einander gerissen zu werden.

Ghassan Abdullah, Computerberater, Ramallah, abdullah@palnet.com

Veröffentlicht am

12. Dezember 2006

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