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Der Diktator und seine Henker

Kommentar Todesurteil für Saddam


Von Karl Grobe

Saddam Hussein ist zum Tode verurteilt. Das Urteil muss binnen 30 Tagen, kann aber jederzeit vollstreckt werden, sobald der irakische Präsident es bestätigt. Präsident Jalal Talabani ist Gegner der Todesstrafe; in früheren Fällen hat er es einem Vizepräsidenten überlassen, den Spruch abzuzeichnen und damit die Vollstreckung anzuordnen.

Talabani wäre gut beraten, die Unterschrift zu verweigern. Erstens aus den ethischen Gründen, aus denen die Todesstrafe in Europa (ausgenommen Russland und Belarus) abgeschafft ist - nicht, wie erinnerlich, in den USA. Zweitens aus juristischen Gründen. Sauber war der Prozess nicht. Verteidiger sind behindert worden. Richter haben sich vom Prozess verabschiedet. Zeugen - der Verteidigung wie der Anklage - wurden bedroht und ermordet. Die Öffentlichkeit beschränkte sich auf jene, die Zutritt zur grünen Hochsicherheitszone in Bagdad haben. Die Beweislast war gleichwohl erdrückend.

Ein weiterer Einwand wiegt schwerer. Nach irakischem Recht schieben schwebende Verfahren die Hinrichtung nicht auf. Der hier verhandelte Fall Dudschail von 1982 war aber minder schwer, verglichen mit dem Giftgas-Einsatz sechs Jahre danach gegen Kurden und mit mutmaßlichen Verbrechen während des Kriegs gegen den Iran bis 1988. Wird Saddam Hussein hingerichtet, bleiben jene Dinge unverfolgt. In Prozessen wegen dieser Fälle wäre unweigerlich die damalige vertrauensvolle Zusammenarbeit der USA unter Ronald Reagan und aktiver Mitwirkung von Donald Rumsfeld zur Sprache gekommen, die billigende Duldung von Massenmord und bewusstem Verstoß gegen Kriegs- und Völkerrecht. Das wird nicht juristisch aufgearbeitet werden, falls Talabani das Urteil unterschreibt.

Und daran kann man wohl nicht zweifeln. Der Kurde Talabani ist gewiss daran interessiert, Verbrechen gegen sein (Teil-) Volk nicht ungesühnt zu lassen. Er steht aber unter massivem Druck Washingtons, dessen politische und militärische Repräsentanten sich eher an den Implikationen in den USA als an der Rechtsordnung in Irak orientieren. Washington bietet sich die goldene Gelegenheit, unauffällig von der eigenen früheren Mittäterschaft davonzuschleichen. Dann sind da noch die Folgen in Irak. Viele Sunniten und manche Schiiten, selbst wenn sie unter Saddams Repression schwer gelitten haben, vergleichen das aktuelle Chaos und die sich steigernde Gewalt mit der Situation unter dem Diktator; nicht dass schon Nostalgie aufkäme, aber die Gegenwart ist unerträglicher. Andere sehen eine Rechnung beglichen. Die Kluft zwischen den Positionen ist unüberbrückbar. Das Urteil wird unter diesen Vorzeichen zur weiteren Eskalation erheblich beitragen.

Quelle: Frankfurter Rundschau   vom 28.12.2006. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Karl Grobe.

Veröffentlicht am

28. Dezember 2006

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