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Ein Tornado für die deutsche Politik

Über den Klüften des Hindukusch


Von Friedrich Schorlemmer

Das Volk, der große Lümmel, ist noch nicht so weit, dem Rasen in eine Sackgasse willig zu folgen. Es muss noch besser darüber aufgeklärt werden, warum nicht etwa die Amerikaner sich der ISAF-Strategie annähern, sondern alle andern willig mit ins gefährliche Boot von Enduring Freedom steigen sollen. Also auf zur großen Offensive - mit Tornados über den Klüften des Hindukusch! Keiner soll ausscheren, schon gar nicht die Deutschen. Je näher das Afghanistan-Desaster rückt, desto mehr sollen alle darin verwickelt sein.

Die Amerikaner wollen den militärischen Sieg erringen, mit allen Mitteln Feinde jagen, statt mit allen Mitteln zu helfen, ein eigenständig lebensfähiges Land aufzubauen. Der Krieg ist nur zu gewinnen, wenn es gelingt, die große Mehrheit der Afghanen zu gewinnen und sich selbst dort allmählich überflüssig zu machen. Sonst gibt es ewigen Krieg, eben jenen New War, der kein Ende finden kann.

Warum wird so wenig gegen den drastisch gestiegenen Mohnexport getan, der wiederum das Geld für die Waffen der Taliban beschafft? Die Deutschen könnten selbstbewusst auf ihre Erfolge im angeblich so sicheren und ruhigen Norden verweisen. Die Deutschen werden nun geradezu zynisch bei ihrer Ehre gepackt: Ihre Soldaten seien sich wohl zu schade - die Anderen müssten unter Lebensgefahr die Kohlen aus dem Feuer holen. Nein, die Deutschen verfolgen mit guten Gründen ihre andere Strategie; sie ist auch nicht ohne Selbstgefährdung. Das Militär soll in diesem Konzept nur die Möglichkeit des friedlichen Aufbaus absichern. Wenn aber die Tornados zum Einsatz kommen, ist eine gefährliche Schwelle ein für allemal überschritten. Die Deutschen kommen mitten hinein in Kampfeinsätze. Wir werden dafür die Quittung bekommen. Mit Sicherheit - trotz aller Sicherheitsvorkehrungen.

Wir sind militärtechnisch wieder so weit, dass gar die Amerikaner nicht ohne unsere tatkräftige Hilfe ihren Anti-Terrorkrieg gewinnen können. Wir sind also wieder wer. Und das ist nur ein Vorwand, um die Deutschen in eine aussichtslose Strategie zu verstricken. Die Amerikaner verfügen doch selber über eine minutiöse Satellitenbeobachtung, deren Ergebnisse sofort militärisch verwertbar sind.

Die Bundesregierung hat entschieden, aber der Bundestag soll erst nach vier Wochen endgültig befinden. In dieser Zwischenzeit soll sich in Deutschland alles beruhigen. Die 77 Prozent, die heute dagegen sind, sollen “besser informiert” werden, bis die Ablehnung spürbar abgeschmolzen ist. Behauptet wird, die Tornados sollen doch nur Leben schützen - dabei sind sie geradezu Torpedos gegen alle bisherigen Bemühungen um einen friedlichen Wiederaufbau. Tornados werden als Teil der Luftwaffe Mittel deutscher Außenpolitik. Nach allem, was wir in den vergangenen Jahren erlebt haben, kommt es trotz dieser Luftaufklärung und trotz so genannter Präzisionswaffen immer wieder zu hohen Opfern bei der Zivilbevölkerung. Zynisch Kollateralschäden genannt.

Das Genfer Abkommen aus dem Jahr 1977 legt fest, dass zwischen Zivilbevölkerung und Kombattanten zu unterscheiden ist. Nach allem, was wir bisher wissen, mischen sich die Taliban geschickt unter die Zivilbevölkerung. Nach dem Völkerrecht gilt: “Die Zivilbevölkerung bleibt auch dann Zivilbevölkerung, wenn sich unter ihr einzelne Personen befinden, die nicht Zivilpersonen im Sinne dieser Begriffsbestimmung sind.”

Mit Einsatz der Tornados wäre eine Grenze überschritten, die aber nicht als Grenzüberschreitung markiert, also verharmlost werden soll: Deutsche Truppen beteiligen sich in der Grauzone zwischen mittelbaren und unmittelbaren Kampfeinsätzen. Ein Angriff - und sie müssen und können “sich wehren”.

Wo, wie, gegen wen gekämpft wird - das bestimmt die Führungsmacht. Der Krieg gegen die Taliban aber wird nicht durch Waffengewalt, sondern nur durch ziviles Überwinden von Armut und Fremdbestimmung zu gewinnen sein. Also wird man nur mit den Afghanen zusammen und gegen die “Gotteskrieger” gewinnen können. Vorrangiges Ziel muss deshalb der Wiederaufbau Afghanistans bleiben. Nicht die europäische Konzeption ist gescheitert, sondern die amerikanische, aber die europäische braucht mehr Zeit, mehr Geduld, mehr Fantasie, mehr zivilen Einsatz.

“Wir sind wer”, weil wir beharrlich die Konflikte zu lösen uns anschicken, statt den Knoten zu zerschlagen. Nicht als Willige, sondern als Freunde. Volksvertreter! Aufs Volk hören, eigener Einsicht folgen, Souveränität beweisen - Nein sagen!

Quelle: FREITAG. Die Ost-West-Wochenzeitung   07 vom 16.02.2007. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.

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Veröffentlicht am

18. Februar 2007

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