Die Entsendung von Tornado-Jets hilft den Afghanen nicht - sie schadet aber Deutschland
In wenigen Tagen haben Sie zu entscheiden, ob deutsche Tornadomaschinen nach Afghanistan verlegt werden sollen, um besonders den Kampf der Bodentruppen im Süden und Süd-Osten des Landes zu unterstützen. Als aktive und ehemalige Offiziere und Unteroffiziere aller Teilstreitkräfte der Bundeswehr, die sich seit 1983 im Arbeitskreis DARMSTÄDTER SIGNAL zusammengeschlossen haben, hoffen wir sehr, dass Sie auch einem bis 13. 10. dieses Jahres befristeten Kampfeinsatz der Recce-Tornados nicht zustimmen. Begründung: 1. Es handelt sich unzweideutig um einen Kampfeinsatz, denn jede militärische Aufklärung ist Teil des Kampfes der verbundenen Waffen, am Boden wie in der Luft. 2. Die bewusst irreführende Behauptung, es handele sich nur "um abbildende Aufklärung und Überwachung aus der Luft sowie Auswertung" soll bei Ihnen und in der deutschen Öffentlichkeit verdrängen, dass die zur Kampfvorbereitung und -führung besonders geeigneten Recce-Tornados (wie im Luftkrieg gegen Jugoslawien) unmittelbar am Kampfgeschehen am Boden beteiligt sind. Das von den Recce-Tornados gelieferte Bildmaterial wird, wenn immer möglich, unverzüglich und direkt zur Bekämpfung des Gegners, der Taliban, durch Bodentruppen oder nachfolgende Kampfjets der Verbündeten für den Kampfeinsatz genutzt. 3. Wenn diese unmittelbare Kampfunterstützung durch deutsche Recce-Tornados nicht vorgesehen wäre, dann könnten die dort kämpfenden Verbände auf die vorhandene raumgestützte US-Satellitenaufklärung allein zurückgreifen. Offensichtlich aber handelt es sich um den Versuch, Deutschland in die Verantwortung für eine gescheiterte Kriegführung gegen die Taliban hineinzuziehen. 4. Natürlich werden die Taliban und ihre Verbündeten die deutschen Recce-Tornados als Feindmaschinen bewerten und ihrerseits versuchen, sie mit Boden-Luft-Raketen zu vernichten. Zwangsläufig werden die deutschen Tornadobesatzungen den sie bedrohenden Feind mit ihren Bordwaffen auszuschalten versuchen. 5. So werden Deutschland und die deutsche Bundeswehr - besonders auf Druck der USA - immer tiefer ins Kampfgeschehen hineingezogen mit dem Risiko, eher früher als später - und wieder unter dem Druck der betroffenen Nato-Partner - auch am Boden Kampf- und Kampfunterstützungsleistungen, also voll ausgerüstete Bodentruppen, zur Verfügung zu stellen. 6. Unabhängig von diesen Risiken und ihren Folgen stellen wir als Soldaten die Wirksamkeit der Recce-Tornado-Einsätze in Frage, weil die aufgeklärten Ziele, kleine Kampftrupps und -gruppen, in der Regel wenige Minuten nachdem sie aufgeklärt wurden, in dem unübersichtlichen, überwiegend zerklüfteten Gelände untergetaucht sind. 7. Die politisch getrennten Ziele des Wiederaufbaus Afghanistans und die Bekämpfung regierungsfeindlicher Organisationen und Gruppen, auf die die Bundesregierung bisher zu Recht Wert gelegt hat, sind bereits so weit vermischt, dass sich schon jetzt die Sicherheitslage in Kabul wie auch im Einsatzgebiet der Bundeswehr im Norden drastisch verschlechtert hat. Viele unserer in Afghanistan eingesetzten Kameraden haben inzwischen große Zweifel, ob ihr derzeitiger riskanter Einsatz für Afghanistan Frieden bringen kann. Alles spricht dafür anzunehmen, dass die Fortsetzung der bisherigen Politik kriegsähnliche Krisen und Kampfsituationen, und die damit verbundenen Menschenopfer auf allen Seiten, wie im Irak so auch in Afghanistan, hervorbringt. 8. Die Zukunftsperspektiven für die Mehrzahl der Bevölkerung Afghanistans haben sich zunehmend verschlechtert, deshalb bekommen die Gegner der Zentralregierung in Kabul und deren ausländische Unterstützer immer mehr Zulauf. Die einzige Chance, diese Entwicklung vielleicht noch zu stoppen und zurückzudrehen besteht darin, eine "Groß-Offensive des zivilen Aufbaus und der Entwicklungsförderung für Afghanistan" unverzüglich zu beginnen, damit die Menschen im Land wieder Hoffnung in die Zukunft haben! Sehr geehrte Frau Abgeordnete, deshalb fordern wir Sie mit Nachdruck auf:
Nur so besteht noch eine Chance, den Menschen beiderseits des Hindukusch zu helfen!
Oberstleutnant a.D. Helmuth Prieß;
Quelle: Darmstädter Signal , 27.02.2007
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