Wir werden Tanya Reinhart vermissenVon CAPJPO Anmerkung d. Übersetzerin: CAPJPO ist eine französische NGO (Coordination des Appels pour une Paix Juste au Proche-Orient), die sich für einen gerechten Frieden im Nahen Osten und ein Ende der israelischen Besatzung einsetzt. Näheres unter http://www.feedbus.com/wikis/wikipedia.php?title_Europalestine .- EuroPalestine - ZNet 21.03.2007 Wir werden sie schrecklich vermissen. Die Nachricht war ein Schock: Unsere Freundin Tanya Reinhart starb gestern plötzlich in New York (an einem Schlaganfall). Uns fehlen die Worte, um unseren Verlust zum Ausdruck zu bringen. Sie war eine große Frau und eine unermüdliche Radikale, wenn es um Israels Politik gegenüber den Palästinensern ging. Sie war warmherzig - eine, die nie aufhörte, die Lügen und die Ungerechtigkeit zu kritisieren. Sie tat es in Artikeln, in BüchernAls Buch auf Deutsch von T. Reinhart erhältlich: ‘Operation Dornenfeld. Die israelische Zerstörung Palästinas’, 2003 als Taschenbuch erschienen, mit ihren Aktionen. Vor allem fällt es uns schwer, über Tanya Reinhart in der Vergangenheitsform zu reden. Wir haben uns unendlich gefreut, als sie am 7. Dezember 2006 nach Paris kam - zur Eröffnung des Buchladens Résistances. Gemeinsam mit ihrem Lebenspartner, dem großen Poeten Aharon Shabtai, hielt sie eine außergewöhnliche Eröffnungsrede. Bei allen Kämpfen gegen die Kolonisierung und Besatzung Palästinas war sie mit dabei, und sie war eine der besten Analytikerinnen der kriminellen Politik ihrer Regierung. Tanya Reinhart hätte es anders haben können. Sie hätte sich damit begnügen können, eine brillante Linguistin zu sein. Sie hätte ihre Universitätslaufbahn in Israel vollenden können. Aber sie traf eine andere Entscheidung. Auf Druck pflegte sie mit Widerstand und Kritik zu reagieren. In ihrer wöchentlichen Kolumne in der israelischen Tageszeitung ‘Yediot Ahoronot’ und in ihren Büchern (‘Destroy Palestine’ und ‘Sharon’s Heritage’) entwirft sie ein Bild, das, kompromisslos und systematisch, die furchtbare Lage beschreibt, die die Regierungen ihres Landes geschaffen haben. Tanya Reinhart hatte die seltene Gabe der Zukunftsschau. In ‘Destroy Palestine’ beschreibt Reinhart meisterlich die Strategien, zu denen Israels Regierende stets griffen, um einen echten Friedensprozess zu vermeiden, um sich darauf nicht einlassen zu müssen. Der Fehler liege allein bei den Palästinensern, wollten sie uns weismachen. Reinharts besondere Aufmerksamkeit galt den sieben Jahren der “Osloer Verträge”. Sie analysiert diese Zeit en détail. Reinhart zeigt uns den Kontrast zwischen dem angeblich “großzügigen Angebot” Ehud Baraks und der Realität. Sie verdeutlicht, wie sich in genau dieser Periode (1993 - 2000) der Kreis für die Palästinenser schloss. Reinhart zeigt, wie absolut inakzeptabel die von Israel vorgelegten “Vorschläge” in Wirklichkeit waren - denn sie waren unvereinbar mit einem lebensfähigen Palästinenserstaat. Dieser hätte aus lauter kleinen Einheiten - ohne territorialen Zusammenhang und ohne Ost-Jerusalem - bestanden. Ein Beispiel aus aktueller Zeit: Tanya Reinhart war die Erste, die Scharons Ankündigung eines Rückzugs aus Gaza als Ablenkungsmanöver (“red herring”) bezeichnete. Sie hat nie daran geglaubt. “Hinter den Rauchschwaden des angeblichen ‘Rückzugs’ aus Gaza kommt der Transfer der Palästinenser zum Vorschein”, schrieb Reinhart noch zu einer Zeit, als unsere Regierungen ihn (Scharon) als den “großen Mann des Friedens” priesen. Tanya Reinhart war eine der wenigen Oppositionellen in Israel, die einen Boykott israelischer Institutionen befürworteten, vor allem einen Universitätsboykott. “Sobald wir das internationale Recht respektieren, brauchen wir uns keine Sorgen mehr über einen Boykott zu machen”, war ihre Antwort. Diese Antwort gab sie nicht nur dem israelischen Establishment, sondern auch jener furchtsamen, pseudopazifistischen israelischen “Linken”, die im Grunde die Immunität des Staates Israels akzeptierte - eine Straffreiheit, von der Israel und sämtliche israelische Institutionen profitierten. Reinhart hingegen zögerte nicht, die französische Universität ‘Paris 6’ zu unterstützen, als deren Unirat 2003 per Abstimmung beschloss, die Sonderbeziehungen zu israelischen Universitäten auszusetzen. Anlässlich ihres letzten Vortrags in Frankreich - am 7. Dezember bei Eröffnung des Résistances-Buchladens (siehe oben) -, kritisierte Reinhart noch einmal vehement das Embargo gegen das palästinensische Volk. Sie erklärte, die europäischen Staaten (einschließlich Frankreich) hätten nicht das Recht, den Palästinensern die Nahrungsmittelversorgung zu kappen. “Es handelte sich nicht um einen Gnadenakt, den Europa weiterführen konnte oder auch nicht”, erklärte sie uns. “Man hatte eine Wahl getroffen. Diese bestand darin, die Verpflichtung, die das internationale Recht dem israelischen Besatzer auferlegt, zu übernehmen und für das Wohl der besetzten Bevölkerung zu sorgen. Europa zog es vor, Israel nicht in die Pflicht zu nehmen, seine Verpflichtungen zu respektieren, Europa zog es vor, Geld an die Palästinenser zu geben. Indem es damit aufhörte, hat Europa internationales Recht gebrochen.” Tanya Reinhart war müde und “entschuldigte” sich, nicht mehr die Kraft aufzubringen, in Israel zu bleiben. Die physische Repression gegen echte Oppositionelle in Israel werde immer brutaler, gab sie zu verstehen. Tanya Reinhart entschloss sich, in die USA zu gehen und dort zu lehren. Sie übersiedelte nach New York. Tanya Reinhart war eine unglaubliche Frau. Es freute uns sehr, sie mehrfach bei unseren Treffen oder Konzerten begrüßen zu können. Wir werden sie wirklich vermissen. Unser aufrichtiges Beileid und unsere Sympathie gelten ihrem Lebensgefährten Aharon Shabtai - einem Mann mit großem Herzen und großem Talent. Aus dem Französischen ins Englische übersetzt von Robert Thompson.
Quelle: ZNet Deutschland vom 23.03.2007. Übersetzt von: Andrea Noll. Orginalartikel: “Tanya Reinhart: She will be missed” .
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