Getötet zu werden, ohne zu wissen warumVon Gideon Levy, Haaretz 01.04.2007 Die Leute, die vor dem Winograd-Komitee erscheinen, haben eine Menge zu verbergen. Es gibt zwei Möglichkeiten: entweder haben sie vor dem Komitee gelogen oder vor der Öffentlichkeit. Die Schlacht, um die Veröffentlichung der Zeugenaussagen mit der skandalösen Ermutigung des Komitees und entgegen den Regeln des Obersten Gerichthofes zu blockieren, ist eine schändliche Schlacht. Sie demonstriert, dass diesen Leuten nicht klar ist, dass die Information in ihren Händen dem ganzen Volk gehört. Sie führten uns in einen sinnlosen Krieg - und dann versuchen sie, das vor uns zu verbergen, was dahinter steckte. Getötet zu werden - ja. Aber zu wissen warum? Nein. Es kam heraus, dass obwohl das Gesetz für Informationsfreiheit verabschiedet wurde, sein Inhalt noch nicht verinnerlicht wurde. Es gibt zwei mit einander verbundene Prämissen: Erstens unklassifizierte Information ist privater Besitz und zweitens, dass es erlaubt sei, vor der Öffentlichkeit zu lügen oder Informationen vor ihr zu verbergen. Die Türen, die der Ministerpräsident und andere vor der Öffentlichkeit zu schließen versuchen, sind deshalb gefährliche Türen. Die offizielle Ankündigung aus dem Büro des Ministerpräsidenten: “Es handelt sich hier um Sicherheitsfragen des Landes” - ist eine zynische Ausnutzung des Sicherheitsmolochs und verbreitet grundlos Ängste. Die Öffentlichkeit und besonders die tausende von Soldaten, die in den Krieg zogen, sollten alles wissen. Die Ausrede mit Sicherheitsbeschädigung und der genauen Kenntnis, dass die Zeugenaussagen vom Militärzensor noch vor der Veröffentlichung durchgesehen werden, ist lächerlich. Jede Untersuchung von Fehlschlägen kann dem Staat schaden. Die Ermittlungen um den Finanzminister können dem Staat auch schaden. Also sollten keine Ermittlungen mehr ausgeführt werden. Also sollten wir Fehlschläge nicht aufdecken? Jeder, der wissen will, wie wütend einen die Forderung machen kann, die Zeugenaussagen nicht zu veröffentlichen, sollte die lesen, die schon an die Öffentlichkeit drangen. Plötzlich wurde deutlich, dass der stellvertretende Ministerpräsident Shimon Peres gegen den Krieg war, als er für ihn stimmte. Dieser doppelte Maßstab, den Peres vertritt - der eine gegenüber der Öffentlichkeit und der andere gegenüber dem Komitee - ist etwas, das die Öffentlichkeit wissen sollte. Dies wirft einen schweren Schatten auf den Kandidaten für die Präsidentschaft. Es gibt keine Verbindung zwischen der Veröffentlichung dieser Tatsachen und dem Sicherheitsproblem. Im Gegenteil: die Staatssicherheit fordert, dass die Öffentlichkeit weiß, dass die Leute, die die Entscheidung über Krieg und Frieden treffen, mit gespaltener Zunge reden und die wirklichen Ansichten vor ihnen verbergen. Das Zeugnis des früheren Chefs des Geheimdienstes Amos Malka besagt, dass “die IDF in den letzten vier, fünf Jahren in ihrer Bereitschaft nachgelassen hat”, und dass dies damit zusammenhängt, dass sie sich nur mit den Palästinensern befasst habe. Das sollte die Öffentlichkeit wissen. Was im Geheimen gesagt wird, hat keinen Wert und kann nur der Feigheit der Befragten zugeschrieben werden. Ihr Argument, dass sie das nicht ausgesprochen hätten, was sie sagten, wenn sie gewusst hätten, dass ihr Zeugnis an die Öffentlichkeit kommen würde, macht deutlich, dass sie sonst weiter gelogen und wichtige Informationen verborgen gehalten hätten. Was wollen sie damit sagen, dass sie etwas anderes ausgesagt hätten? Sie würden weiter vor der Öffentlichkeit gelogen, Informationen verwischt oder verborgen haben? Aber das ist doch genau der Grund, warum das Komitee gebildet wurde, um der Öffentlichkeit die Wahrheit zu sagen. Das Argument, dass dies in Zukunft andere abschrecken würde, die Wahrheit zu sagen, ist auch unbegründet. Wie vor Gericht, so sind auch die vor dem Komitee verpflichtet, die ganze Wahrheit zu sagen, und es ist die Aufgabe des Komitees, die Wahrheit aufzudecken. Dies gilt besonders, wenn es sich um die Leute an der Spitze des Staates handelt, die Entscheidungen über Leben und Tod treffen, wie z.B. über die Ausführung eines Krieges. Die Schlacht über die Veröffentlichungen von Zeugenaussagen ist nur ein Kampf um den unmaskierten Ruf des Verhörten. Die Information, die sie behalten, gehört uns allen. Sie sind unsere Vertreter, unsere Botschafter. Wir, die Öffentlichkeit, zahlen ihre Gehälter und auch ihre Vergünstigungen. Es gibt Länder wie z.B. Schweden, in denen jeder Bürger das Recht hat, sofort jedes Dokument, das von einem staatlichen Angestellten veröffentlich wurde, nachzuprüfen. In Israel besteht immer noch die Anmaßung, dass die öffentliche Information auf eine ausgewählte Elite beschränkt bleibt. Nur sie verdient es, dies zu wissen, die Öffentlichkeit solle aber ihr und ihren Urteilen blind vertrauen. Wir sollten also mit geschlossenen Augen in einen Krieg ziehen und günstige Gelegenheiten vorbeigehen lassen - da wir ja nichts wüssten und verstünden. Wir sollten dieser Bevormundung und arroganten Haltung ein Ende setzen! Nachdem der Oberste Gerichtshof zugunsten einer wichtigen Petition der MP Zahara Gal-On gesprochen hat, sollten jetzt die Türen weit geöffnet werden. Ohne dies zu beabsichtigen, wird so das Winograd-Komitee ein wichtiges allgemeines Ziel erreicht haben. Ab jetzt werden die Verantwortlichen des Staates und des Militärs wissen, dass ihre Aktionen transparent sein werden und dass die Öffentlichkeit nicht mehr Jahrzehnte warten muss, um zu erfahren, wo sie geirrt haben und wo sie sie durch Lügen und Täuschungen geführt haben. Deutsche Übersetzung: Ellen Rohlfs Veröffentlicht amArtikel ausdruckenWeitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von |
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