21. Jahrestag der Katastrophe von Tschernobyl
Der GAU wirkt nachAtomenergie ist unbeherrschbar und behindert effektiven KlimaschutzDie Atomlobby wittert Morgenluft und will der Atomenergie als vermeintlichem Klimaretter zur Renaissance verhelfen. Dabei sind auch 21 Jahre nach Tschernobyl die Folgen des GAUs noch allgegenwärtig. Sicherheitsprobleme und Endlagerfragen sind nach wie vor ungelöst. Und zudem blockiert die Atomtechnik klimafreundliche Energien. Vor 21 Jahren ereignete sich der bislang folgenschwerste Unfall in der Geschichte der so genannten friedlichen Nutzung der Atomenergie: Am 26. April 1986 explodierte das Atomkraftwerk Tschernobyl. Die Katastrophe wirkt bis heute nach. Fälle von Schilddrüsenkrebs haben in den hochbelasteten weißrussischen Regionen dramatisch zugenommen, ein Ende ist nicht in Sicht. Die überlebenden Aufräumarbeiter, so genannte Liquidatoren, leiden unter den gesundheitlichen Folgen - mit wenig Aussicht auf angemessene Entschädigung. Die radioaktive Belastung von Pilzen und Wildfleisch ist selbst im 2000 km entfernten Bayern noch immer hoch, die Grenzwerte werden zum Teil um das 100-fache überschritten. Dessen ungeachtet soll die CO2-arme Atomenergie jetzt als angeblicher Klimaretter wieder hoffähig gemacht werden. Egal ob der Ölpreis steigt, Russland den Gashahn zudreht oder eine neue Klimastudie vorgelegt wird: Reflexartig wird der Ruf nach Atomkraft laut. Christina Hacker, Vorstand im Umweltinstitut München, hält davon nichts: "Das Klima mit Atomkraft retten zu wollen, würde den Teufel mit dem Beelzebub austreiben." Der globale Klimawandel mit all seinen katastrophalen Auswirkungen stehe der Möglichkeit verheerender Atomunfälle gegenüber. "Tschernobyl hat uns gezeigt, wie lang die Zerstörung in der nahen und weiteren Umgebung anhält. Dabei hat sich diese Katastrophe in einer dünn besiedelten und ökonomisch kaum entwickelten Gegend ereignet", so Hacker weiter. Auch die von der Atomlobby ins Spiel gebrachte Laufzeitverlängerung, nach der ältere Atomanlagen so lange emissionsarme Energie liefern sollen, bis erneuerbare Energieformen sie ersetzen, ist keine Alternative. Die Unverfrorenheit der Antragsteller kennt dabei scheinbar keine Grenzen: So hat beispielsweise der AKW-Betreiber Vattenfall für Brunsbüttel, dem ältesten Siedewasserreaktor Deutschlands, der schon mehrfach wegen schwerer Sicherheitsmängel in den Schlagzeilen war, jüngst einen Antrag auf Laufzeitverlängerung gestellt. Dabei wird der fragwürdige Sicherheitszustand des Meilers seit Jahren geheim gehalten. Begründung: Mit Offenlegung der Mängelliste wären Rückschlüsse auf Nachrüstungserfordernisse und fehlende Sicherheitsnachweise möglich, was den Wert der Anlage mindern könnte. Dazu Karin Wurzbacher, Physikerin am Umweltinstitut München: "Bevor überhaupt über eine Laufzeitverlängerung diskutiert wird, sollen die Betreiber vom maroden Altmeiler Brunsbüttel erst einmal die Mängelliste auf den Tisch legen. Dann wird sich jede weitere Diskussion darüber erübrigen, da die Sicherheit dieses Reaktors nicht hinreichend gewährleistet ist." Das Umweltinstitut München setzt sich für das rasche Ende der Atomtechnik ein. Nicht nur, weil Tschernobyl eindrücklich gezeigt hat, dass diese Technik nicht beherrschbar ist und Radioaktivität keine Grenzen kennt. Auch gibt es für die Lagerung von hochaktivem Atommüll weltweit noch kein einziges Konzept. Jahrtausende strahlenden Abfall weiter anzuhäufen, wäre ein hoch gefährliches und unverantwortliches Erbe an unsere Nachwelt. Christina Hacker: "Wer an der Atomenergie festhält, vergeudet nur Zeit und Geld für nachhaltig sinnvolle Maßnahmen. Die dringend notwendige Umstrukturierung der Energieversorgung wird damit blockiert. Wenn wir auf regenerative Energiequellen setzen, Energie konsequent sparen und die Effizienz in Industrie, Verkehr und Privathaushalten steigern, kann auf die gefährliche Atomenergie verzichtet werden."
Quelle: Umweltinstitut München e.V. - Pressemitteilung vom 19.04.2007 Deutsche Atomindustrie plant neue AtomkraftwerkeAnlässlich des Tschernobyl-Jahrestages am 26. April protestiert die atomkritische Ärzteorganisation IPPNW gegen Pläne der deutschen Atomindustrie, neue Atomkraftwerke in Finnland, in Litauen und in der Slowakei zu errichten und daraus den Atomstrom nach Deutschland zu importieren. Medienberichten zufolge möchte E.On an den bestehenden Atomkraftwerksstandorten im finnischen Loviisa und im slowakischen Bohunice neue Atomkraftwerke als Ersatz für bestehende Anlagen errichten. Weiterhin ist für den litauischen Standort Ignalina im Gespräch, einen Europäischen Druckwasserreaktor (EPR) aus dem Hause AREVA/Siemens zu errichten. Auf dem jüngsten EU-Gipfel wurden neue Stromtrassen beschlossen, um zum Beispiel Atomstrom aus Litauen in Richtung Berlin zu transportieren. Für die IPPNW-Vorsitzende Angelika Claußen ist das eine "Mogelpackung", weil man in Deutschland im Rahmen des so genannten "Atomausstieges" einige Atomkraftwerke stilllegt, dafür aber im Ausland neue errichtet und den Atomstrom mit Hilfe eines ausgebauten europäischen Verbundnetzes wiederum nach Deutschland liefert. "Das Risiko eines weiteren Super-GAU soll so aus reinen Profitinteressen auf Jahrzehnte fortgeschrieben werden", so Claußen. "Das uneinsichtige Verhalten der Atomkonzerne widerspricht jeder Vernunft. Selbst Politiker von CDU, CSU und FDP haben sich in der jüngeren Vergangenheit mit deutlichen Worten von der Atomenergie abgewandt und wollen dieser allenfalls noch den Status einer Übergangsenergie zubilligen." Der Bundesvorstand der FDP stufte die Atomenergie im April 2006 zur "Übergangsenergie" herab. Der wirtschaftspolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe, Alexander Dobrindt, erklärte im Januar 2007 laut "Handelsblatt", die Kernenergie sei lediglich eine "Brücke in den künftigen Energiemix". Kanzleramtsminister Thomas de Maizière (CDU) sagte im Oktober 2006 bei einem Symposium des Bundesnachrichtendienstes (BND), selbst die Befürworter der Atomenergie gingen "nicht davon aus, dass die Kernenergie allein einen Königsweg zur Lösung der Probleme" darstelle. Der Präsident des Umweltbundesamtes, Andreas Troge (CDU), verwies im August 2005 in der "Frankfurter Rundschau" auf die ungeklärte Entsorgung des Atommülls und auf die Risiken beim Kraftwerksbetrieb. Im Oktober 2006 sprach er sich in der "Zeit" gegen Laufzeitverlängerungen deutscher Atomkraftwerke aus. Bundespräsident Horst Köhler (Ex-CDU) erklärte im April 2007 im Interview mit dem Bonner "General-Anzeiger", ihm seien "keine ernstzunehmenden Stimmen bekannt, die ihr Eintreten für die Atomkraft damit begründen, darin liege das allumfassende Patentrezept zur langfristigen Lösung des Klimaproblems". Der ehemalige CDU-Umweltminister Klaus Töpfer, zuletzt Exekutivdirektor des UN-Umweltprogramms, hat am 21. März 2007 ausgerechnet bei einer Veranstaltung des "SiemensForums" der Atomenergie als Lösung für die Klimaprobleme eine klare Absage erteilt." Zum Schutz des Klimas müsste man laut Töpfer zusätzlich zu den 435 derzeit betriebenen Atomkraftwerken 3000 weitere Atomkraftwerke bauen und zudem in die Plutoniumwirtschaft mit Schnellen Brütern einsteigen. So stelle er sich aber die Zukunft für seine Enkelkinder nicht vor. "Fast niemand außer einer Handvoll Konzernbosse will neue Atomkraftwerke", so Claußen. "Siemens räumte immer wieder ein, dass noch nicht einmal der überwiegende Teil der eigenen Belegschaft für die Nutzung der Atomenergie ist. Die Bevölkerung ist seit Tschernobyl mehrheitlich gegen die Atomenergie. Doch es ist zu befürchten, dass die Politiker entgegen eigener Einsichten auch jetzt wieder die Interessen von Konzernen wie Siemens und E.On bedienen werden."
Quelle: Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) - Pressemitteilung vom 23.04.2007.
21. Tschernobyl-Jahrestag: Erklärung "Für eine grundlegende Wende in der Energiepolitik" weiter aktuellAm 26. April 1986 passierte im ukrainischen Tschernobyl die größte und folgenreichste Industriekatastrophe der Menschheitsgeschichte, als einer der Reaktoren explodierte. Anlässlich des 21. Jahrestages dieser Katastrophe erneuert Lebenshaus Schwäbische Alb e.V. jetzt in einem Schreiben an Bundeskanzlerin Merkel seine Forderungen: Atomkraftwerke abschalten und Atomwaffen abschaffen! Die fossil-atomare Energiewirtschaft vollständig ablösen durch konsequente Energie-Einsparung, durch Erhöhung der Energie-Effizienz und vor allem durch die Nutzung eines umfassenden Energiemix aus Erneuerbaren Energien. Im vergangenen Jahr zum 20. Jahrestag der Tschernobyl-Katastrophe hat Lebenshaus Schwäbische Alb e.V. gemeinsam mit dem Internationalen Versöhnungsbund - Landesgruppe Baden-Württemberg mit der Erklärung "Für eine grundlegende Wende in der Energiepolitik" eine Anzeigen-Aktion initiiert. Diese Erklärung fand ein enormes Echo. Sie wird insgesamt von über 1.000 Einzelpersonen und Organisationen unterstützt. Und mit der Unterstützung von über 700 Organisationen, Initiativen und einzelnen Menschen wurde die Erklärung als großformatige Anzeigen in den überregionalen Tageszeitungen taz und Frankfurter Rundschau veröffentlicht. Anlässlich des 21. Tschernobyl-Jahrestages am 26. April 2007 hat nun Lebenshaus Schwäbische Alb e.V. an Bundeskanzlerin Merkel geschrieben und betont, dass die Erklärung vom vergangenen Jahr nach wie vor sehr aktuell sei. In der Erklärung werde betont, die atomare Katastrophe von Tschernobyl vom 26. April 1986 sei zum Symbol für eine verfehlte Energiepolitik geworden, deren Gefahrenpotential untragbar sei. Die Folgen des Super-GAU seien vertuscht, verharmlost, bagatellisiert und verdrängt worden. Dabei sei der der Atomunfall von Tschernobyl für viele Millionen Menschen in der Ukraine, in Weißrussland, Russland, Polen, aber auch in West- und Nordeuropa noch immer hochaktuell. Sie würden bis heute unter den Folgen der Katastrophe leiden. Spätestens diese Katastrophe stehe für die Erkenntnis, dass die Atomenergie nicht beherrschbar sei. Tschernobyl hätte der Anfang vom Ende der Atomkraft sein können, wird in der Erklärung weiter festgestellt. Doch zwei Jahrzehnte später würden wir erleben, dass sich eine Reihe von Politikern Hand in Hand mit den Lobbyisten der Energiewirtschaft nachdrücklich für längere Laufzeiten oder gar neue Atomkraftwerke einsetzten. Weil sie kein Comeback der Atomkraft wollen sondern einen Ausstieg aus der zivilen wie militärischen Nutzung der Atomenergie, würden sich die Unterzeichner der Erklärung dafür einsetzen, die fossil-atomare Energiewirtschaft vollständig abzulösen durch konsequente Energie-Einsparung, durch Erhöhung der Energie-Effizienz und durch eine hundertprozentige Energieversorgung mit erneuerbaren Energien. Eine solche Energiepolitik trage nicht zur Klimakatastrophe und Gesundheitsgefährdung durch die Vergiftung der Umwelt bei. Wer von dezentral erzeugten erneuerbaren Energien lebe, müsse nicht rund um die Welt Kriege führen um knappe Rohstoffe wie Öl, Kohle, Gas und Uran. Er liefere auch kein Futter für den Bau von Atombomben. Unterstützung fand die Erklärung von einem breiten Spektrum teils prominenter Menschen aus Wissenschaft, Kunst, Politik, Kirchen, Gewerkschaften, Gesundheits- und Sozialbereich, Medien und aus den sozialen Bewegungen. Darunter befinden sich der Journalist Franz Alt, die Schriftstellerin Gudrun Pausewang, der Liedermacher Konstantin Wecker, der Psychoanalytiker Prof. Dr. Horst-Eberhard Richter, der Klimaforscher und Meteorologe Prof. Dr. Hartmut Graßl und die beiden Träger des Alternativen Nobelpreises, der Quantenphysiker Prof. Dr. Hans-Peter Dürr und der SPD-Bundestagsabgeordnete Dr. Hermann Scheer. Unterzeichnet haben ebenfalls 13 weitere Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen, SPD und Linkspartei, sechs Europaabgeordnete sowie die SPD-Landesvorsitzende von Baden Württemberg, Ute Vogt. Unter den zahlreichen unterzeichnenden Organisationen und Gruppen befinden sich u.a. die Deutsche Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, Ärzte in sozialer Verantwortung (IPPNW), attac Deutschland, der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU), der Verkehrsclub Deutschland (VCD) und die Katholische Landjugendbewegung Deutschlands e.V. (KLJB) und der Hauptvorstand der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Beim Lebenshaus Schwäbische Alb e.V. wurde die große Resonanz auf die Aktion zum 20. Tschernobyl-Jahrestag im vergangenen Jahr als große Ermutigung zur Fortsetzung der Arbeit für Gerechtigkeit, Frieden und Erhalt der Umwelt angesehen.
Quelle: Lebenshaus Schwäbische Alb e.V. - Pressemitteilung vom 24.04.2007.
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