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Russland lässt die Muskeln spielen

Putin nutzt die ökonomische Stärke seines Landes und fordert von den EU-Staaten sowie den USA mehr Respekt


Von Karl Grobe

Wladimir Putin hat weder den USA, der Europäischen Union (EU) noch den Nato-Staaten einen neuen Kalten Krieg erklärt, als er ankündigte, Russland werde den KSK-Rüstungskontrollvertrag aussetzen. Er fordert aber auf der Grundlage aktueller ökonomischer Stärke und des zweitgrößten Atomwaffenarsenals die Achtung der Interessen des Staates, den er als Präsident führt. Seine Perspektive ist die der Machtelite, die von “Silowiki” geprägt wird, Repräsentanten des militär-industriell-geheimdienstlichen Komplexes. Der Grundgedanke ist in dem Satz enthalten, dass “nicht jeder den stabilen Aufstieg unseres Landes” begrüße und manche Kreise wie in der Vergangenheit “das Volk und den Staat ausrauben und die natürlichen Reichtümer plündern” wollen. Die Unabhängigkeit sei in Gefahr.

Der Streit über das geplante Raketenabwehrsystem der USA in Polen und Tschechien ist der Anlass, nicht mehr. Die russische Führung versteht dieses Projekt nicht als militärisch bedrohlich; das ist es auch nicht. Es teilt aber die EU in Vorzugspartner der USA (“neues Europa”) und eher einer Partnerschaft mit Russland zuneigenden Staaten (“altes Europa”), spaltet somit die EU, auf die knapp der Hälfte des russischen Außenhandels entfällt, und stärkt den Einfluss der USA in der europäischen Nachbarschaft. Das ist nicht nur von Einkreisungssorgen geformtes Silowiki-Denken.

Moskau fühlt sich von der Nato und den US-Stützpunkten bedroht

Dem Beitritt fast aller früheren Blockpartner (“Satelliten”) der Sowjetunion und der drei ehemaligen baltischen Sowjetrepubliken zur Nato hat Russland sich nicht widersetzen können. US-Stützpunkte im ehemals sowjetischen Zentralasien hat es hingenommen, US-Interventionen in Afghanistan und den Irak nicht zu verhindern vermocht, weil es wirtschaftlich und politisch zu schwach war. Putin betont nun das ökonomische Wachstum, wohl wissend, dass es auf der konjunkturellen Gunst hoher Rohstoffpreise (Erdöl, Erdgas, seltene Metalle) beruht, und zögert nicht, diese Rohstoffe auch als ökonomische Waffen einzusetzen. Die Erfordernis, vor allem in Europa zu verkaufen, setzt freilich Zusammenarbeit voraus. Gegenüber der EU ist also ein wesentlich freundlicheres Verhalten geboten als gegenüber der Nato - oder relativ schwachen Nachbarn wie der Ukraine, Litauen und Belarus.

Eine US-kritische EU liegt im Interesse der russischen Machtelite. Bei der Nato, die als Instrument der US-Weltpolitik angesehen wird, sind hingegen Hopfen und Malz für Moskau verloren - falls diese nicht der russischen Bedingung nachkommt, die Diskussionen etwa über die Raketenabwehr “auf gleichberechtigter Grundlage und unter Berücksichtigung der Sicherheitsinteressen aller” zu führen, wie Moskaus Außenminister Sergej Lawrow in Oslo sagte.

Russen sehen sich militärischin derselben Liga wie die USA

Militärisch sieht Russland sich noch in derselben Liga wie die Vereinigten Staaten, obwohl der gegenwärtig rasch wachsende Militärhaushalt Moskaus nur dreimal so groß ist wie die Aufwendungen der USA für die Kriege in Afghanistan und den Irak allein. Was an militätisch relevanten Ausgaben in anderen Etats versteckt ist, lässt sich nur schätzen. Als Waffenexporteur ist Russland freilich wieder da.

Der Zustand der russischen Armee ist in den Jahrzehnten deutlich geworden, in denen sie einen “asymmetrischen Krieg” in Tschetschenien führt (inzwischen haben längst innenpolitische Institutionen, so der Inlandsgeheimdienst FSB - der frühere KGB - die schmutzige Arbeit übernommen). Den Krieg bezeichnet Putins Führung als antiterroristischen Kampf, lässt dabei die staatsterroristischen Details außer Betracht und verbittet sich deswegen jede “Einmischung in innere Angelegenheiten”.

Das betrifft auch Sympathiebekundungen und gar materielle Förderung für oppositionelle Kräfte. Russische Sprecher bemühen sich, die von der Miliz und der Sondereingreiftruppe Omon zusammengeschlagenen Kundgebungen der letzten Wochen als faschistische Provokationen zu diffamieren. Putin geht noch weiter. Er bezichtigt die Opposition pauschal, ausländischen Anleitungen zu folgen. Das ist nicht nur ein Angstreflex auf die “bunten Revolutionen” in einigen Nachbarstaaten. Es ist ein Hinweis auf das Wesen des Putinschen Staates.

Waffenexporteur

Der Rüstungshaushalt Russlands beträgt ungefähr 20 Milliarden Dollar (USA: 425 Milliarden Dollar). Weltmarktführer beim Waffenexport in Entwicklungsländer ist Moskau (rund sieben Milliarden Dollar, USA: 6,2 Milliarden, Frankreich: 6,3 Milliarden, Zahlen für 2005). Der Staatskonzern Rosoboronexport betreibt Waffenexporte. Ihm sind die Produktionsbetriebe nachgeordnet, die derzeit in zentralisierten Trusts zusammengefasst werden etwa für Schiffbau, Flugzeugbau, Kampffahrzeuge und Raketen. Der älteste Trust ist die Raketenbau-Gesellschaft TMC. Sie will bis 2015 einen Weltmarktanteil von 12,3 Prozent erreichen.

Quelle: Frankfurter Rundschau   vom 28.04.2007. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Karl Grobe.

Veröffentlicht am

28. April 2007

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