Deutsche DreckschleudernIm Gespräch: Regine Günther (WWF) fordert, auf den Neubau von Kohlekraftwerken zu verzichtenFREITAG: Laut einer Studie des World Wildlife Fund (WWF) gehören deutsche Kohlekraftwerke zu den schlimmsten Luftverschmutzern in der EU. Woran liegt das? REGINE GÜNTHER: Deutschland setzt als eines der wenigen Länder in der EU auf Braunkohlekraftwerke, die sehr viel CO2 pro Kilowattstunde emittieren. Außerdem haben wir hier sehr alte Kraftwerke. FREITAG: Angeblich forscht die Industrie seit Jahren an einer CO2-Minderung bei Kohlekraftwerken. Sind das nur falsche Behauptungen? REGINE GÜNTHER: Es gibt hier prinzipiell zwei Formen der CO2-Minderung: Einmal die der Effizienz-Steigerung - und die Kraftwerke sind auch effizienter geworden - und die sogenannte CCS-Technik, das bedeutet, das CO2 wird abgeschieden und in den Untergrund verpresst. Diese Technologie steht kommerziell aber noch nicht zur Verfügung - ist also augenblicklich noch keine Option, die breit eingesetzt werden kann. FREITAG: Vattenfall wirbt mit dem Pilotkraftwerk Schwarze Pumpe, das CO2-frei sein soll … REGINE GÜNTHER: Das ist eine ganz kleine, nicht kommerziell betriebene Pilotanlage. Man muss sehen, ob diese Technik in etwa zehn Jahren kommerziell nutzbar ist. Solange dieses Verfahren noch nicht zur Verfügung steht, müssen wir auf den Neubau von Kohlekraftwerken verzichten. FREITAG: In Deutschland stehen zehn der 30 schädlichsten Kohlekraftwerke Europas. Sind wir im Klimaschutz also doch nicht so vorbildlich, wie immer behauptet wird? REGINE GÜNTHER: Wir haben vor allem im Stromsektor ein Riesenproblem. Die Industrie hat hier nicht genug investiert. Kohle ist nun einmal einer der schmutzigsten und klimaschädlichsten Brennstoffe überhaupt. Vor allem dürfen wir jetzt nicht die alten Kraftwerke durch neue Kohlekraftwerke ersetzen. Da laden wir uns eine große Hypothek für die Zukunft auf. FREITAG: In den kommenden Jahren sind aber mindestens 20 weitere Kohlekraftwerke geplant, der WWF spricht von 40. Werden die nicht mit der neuesten Technik ausgestattet sein und damit klimagünstiger produzieren? REGINE GÜNTHER: Das schon, nur die Kraftwerke stehen eben nicht nur 20 Jahre, sondern 50 oder 60 Jahre. Und die Industrieländer sollen bis zum Jahr 2050 85 Prozent ihrer Treibhausgasemissionen reduzieren. Wenn wir jetzt auf zusätzliche Kohlekraftwerke setzen, werden wir dieses Ziel nicht erreichen können. FREITAG: Steinkohle ist nicht ganz so schädlich wie Braunkohle. Sie wird im Gegensatz zur Braunkohle hochsubventioniert. Muss man hier nicht unterscheiden? REGINE GÜNTHER: Zur Produktion einer Kilowattstunde werden bei Braunkohle etwa 1.000 Gramm CO2 emittiert, bei Steinkohle etwa 750 Gramm und bei Erdgas 365 Gramm. Also liegt die Steinkohle immer noch etwa doppelt so hoch wie Gas. FREITAG: Man könne nicht gleichzeitig aus der Kohle und aus der Kernenergie aussteigen, wird jetzt zum Beispiel von Schleswig-Holsteins Regierung behauptet, wo gerade drei neue große Kohlekraftwerke gebaut werden … REGINE GÜNTHER: Einige Szenarien zeigen sehr gut: Wenn man die Energieeffizienz steigert, mehr auf Gas setzt und auf die Erneuerbaren, dann kann man durchaus beides gleichzeitig machen. Wir müssen parallel die schon genannte CCS-Technik weiterentwickeln. Wenn man global langfristig CO2-Emissionen reduzieren will, können wir auf solche möglichen Übergangslösungen nicht verzichten, denn die Erneuerbaren werden nicht so schnell in dem Maße zur Verfügung stehen wie wir sie brauchen. FREITAG: Bundesumweltminister Gabriel (SPD) will Deutschland zum energieeffizientesten Land der Welt machen mit dem Reduktionsziel von 40 Prozent weniger CO2 bis 2020 gegenüber 1990. Dies will er unter anderem über effizientere Kraftwerke erreichen. Ist das zu schaffen? REGINE GÜNTHER: Nur über eine Effizienzsteigerung der Kohlekraftwerke erreicht man rund 30 Prozent Reduktion. Striktere Zielsetzungen, die darüber hinausgehen erreicht man so jedenfalls nicht. Wenn neue Kohlekraftwerke erst einmal stehen, kann man nicht weiter reduzieren. Das kann man dann vergessen. Das Gespräch führte Connie Uschtrin Quelle: FREITAG. Die Ost-West-Wochenzeitung 20 vom 18.05.2007. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.
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