Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie e.V.

Ihre Spende ermöglicht unser Engagement

Spendenkonto:
Bank: GLS Bank eG
IBAN:
DE36 4306 0967 8023 3348 00
BIC: GENODEM1GLS
 

Wir sind die Nummer 1: Die Nation der Elitären bewaffnet die Welt

Von Frida Berrigan - TomDispatch / ZNet 22.05.2007

Nicht umsonst nennt man uns den einzigen Superstaat auf Erden. Paul Wolfowitz scheint sich um einen neuen Job kümmern zu müssen. Als er noch stellvertretender amerikanischer Verteidigungsminister war, pflegte er die Allmacht der USA mit dem Wort ‘Hyperpower’ zu beschreiben. Das Wort stimmt bis heute.

Kapieren Sie’s, die USA sind die stolze Nation der Ersten. Wir sind beispielsweise…

… Nummer 1 beim Ölverbrauch.

In den USA werden täglich 20,7 Millionen Barrel verbraucht. Das entspricht dem Verbrauch von China, Japan, Deutschland, Russland und Indien zusammen.

… Nummer 1 bei den CO2-Emissionen.

Pro Jahr blasen die Umweltverschmutzer 24126416000 metrische Tonnen Karbondioxid in die Umwelt. Die USA bzw. ihre Territorien sind verantwortlich für 5,8 Milliarden dieser Tonnen - das ist mehr als China (3,3 Milliarden), Russland (1,4 Milliarden) und Indien (1,2 Milliarden) zusammen.

… Nummer 1 bei der Auslandsverschuldung.

Die USA haben $10,040 Billiarden Auslandsschulden. Das ist fast ein Viertel der globalen Verschuldung ($44 Billionen).

… Nummer 1 bei den Militärausgaben.

Für das Jahr 2008 will das Weiße Haus $481 Milliarden für unser Verteidigungsministerium. Eine stolze Summe. Dennoch entspricht sie nicht annähernd den für 2008 anvisierten Gesamtausgaben für das US-Militär. Wer sich ein Bild über unsere Militärausgaben machen will, muss den globalen ‘Krieg gegen den Terror’, unser US-Nukleararsenal (Ausbau, Modernisierung, Wartung) und weitere Kostenfaktoren berücksichtigen. Der Militäranalyst Winslow Wheeler rechnete sich die Sache kürzlich durch: “Nehmen Sie die veranschlagten Kosten für die Kriege in Afghanistan und im Irak und rechnen Sie dafür $142 Milliarden hinzu. $17 zusätzliche Milliarden verlangt die Energiebehörde für den Unterhalt der Atomwaffen; zählen Sie weitere $5 Milliarden für unberechenbare Verteidigungskosten an andere Behörden hinzu… so kommen Sie auf eine Summe von $647 Milliarden für 2008.

Einen anderen Weg zur Berechnung der Einnahmenverwendung in Amerika gingen Joseph Stiglitz (Ökonom an der Columbia University) und Linda Blimes (Dozentin an der Harvard Business School). Zu den bekannten Kosten des Irakkriegs zählen sie die unsichtbaren hinzu - beispielsweise die Auswirkungen auf den globalen Ölpreis, die Langzeitkosten für die Krankenversorgung verwundeter Veteranen usw.. Auf diese Weise kommen sie auf Kosten zwischen $1 und $2,2 Billionen.

Würde man die Unsummen, die Amerika 2008 in sein Militär investieren will, in kleine Gutscheine unterteilen und verteilen, könnte man jedem der 1 Milliarde Teenager und jungen Menschen auf der Welt eine Xbox 360 mit schnurloser Fernbedienung schenken und zwei Videogames (‘Gears of War’ oder ‘Command and Conquer’ würde sich anbieten. Wer sich gegen Adipositas engagiert, könnte alternativ ‘Dance Dance Revolution’ verschenken.) Natürlich gäbe es in entlegenen Gegenden Schwierigkeiten mit der Stromversorgung. Die Militärausgaben der USA entsprechen den Militärausgaben der ganzen übrigen Welt.

Wir sind Nummer 1 bei den Waffenverkäufen.

Seit 2001 wurden im Schnitt weltweit zwischen $10 und $13 Milliarden an US-Rüstungsgütern verkauft. Das sind sehr viele Waffen. Im Steuerjahr 2006 brach das Pentagon seinen eigenen Rekord: Es unterschrieb Waffendeals in Höhe von $21 Milliarden. Unnötig zu sagen, dass diese Summe ohnegleichen ist. Keine andere Nation der Welt hat auch nur annähernd so viele Waffen verkauft.

Bei diesem Wettlauf um die Goldmedaille ist natürlich klar, dass am meisten einbringt, was im Schutze der Dunkelheit verhökert wird. Dies sind unsere stolzesten Produkte - und keiner produziert oder verkauft sie effektiver als wir. Die einst klassischen zivilen Industrieprodukte, beispielsweise Autos, sind kaum noch rekordverdächtig. Wir sind …

… nicht mehr die Nummer 1 bei den Automobilen.

Einst beherrschten Chrysler, General Motors und Ford den Markt - im Inland und global. Sie setzten Standards für die Automobilindustrie. Das hat sich geändert. 2006 wurden Automobilgüter (Autos und Autoteile) importiert, die fast $150 Milliarden mehr kosteten, als die, die umgekehrt exportiert wurden. Der Analyst von ‘Automotive’, Joe Barker, gegenüber dem Boston Globe: “Es ist ein sehr hartes Umfeld” für die drei (Autokonzerne) in Detroit. “In Zeiten abnehmender Nachfrage achten Konsumenten typischerweise auf Markennamen, auf die sie sich verlassen, auf die sie vertrauen. Und die Konsumenten vertrauen und verlassen sich auf japanische Marken”.

… nicht einmal bei den Massengütern sind wir Nummer 1.

Das Finanzministerium gab kürzlich die US-Exporteinnahmen für März bekannt. Diese beliefen sich auf $126,2 Milliarden. Die Importe lagen bei insgesamt $190,1 Milliarden. Das Defizit bei Gütern/Dienstleistungen betrug somit $63,9 Milliarden. Es hatte seit Februar um $6 Milliarden zugenommen.

Kein Grund zum Unken, denn bei den Rüstungsverkäufen geht in Amerika Tag für Tag - und Jahr für Jahr - die Sonne auf. Manchmal versucht die Waffenindustrie so zu tun, als sei sie eine Handelssparte wie jede andere - vor allem, um Druck auf Kongressabgeordnete auszuüben, damit diese Sparte weniger eingeschränkt und reguliert wird. Dieser Druck wird regelmäßig aufgebaut. Aber lassen wir uns nicht zum Narren halten. Waffen sind keine Autos oder Kühlschränke. Sie sind eine Gattung für sich (sui generis) und sorgen dafür, dass Amerika die Nummer 1 bleibt. Alle sind scharf darauf. Die Chancen, dass wir je ein Handelsdefizit in Höhe von $128 Milliarden bei den US-Waffenexporten erleben werden, sind gleich null.

Waffen sind unsere eigentlichen Goldmedaillen. Wir sind Nummer 1 bei:

1) Surface-to-Air-Raketen (Boden-Luft-Raketen)

Zwischen 2001 und 2005 lieferten die USA 2099 Boden-Luft-Raketen an so genannte ‘Entwicklungsländer’. Nummer 2 unter den Exporteuren in dieser Kategorie war Russland. Allerdings lieferte Russland 20% weniger als die USA.

2) Verkauf von Militärschiffen

Im selben Zeitraum (siehe oben) verschickten die USA 10 “Große Überwasser-Kombatanten” - Flugzeugträger, Zerstörer usw. - an Entwicklungsländer. Die vier größten europäischen Waffenproduzenten verschickten im selben Zeitraum insgesamt 13 Schiffe (Amerika ist übrigens auch Erster beim Verkauf von Anti-Schiffsraketen, mit denen diese Schiffe ausgerüstet werden. Die Zahl dieser Raketen hat sich fast verdoppelt (auf 338), auch hier ist Russland die Nummer 2 (180).

3) Militärisches Training

Ein kluges Imperium weiß natürlich, dass es mit dem Export von Waffen nicht getan ist. Man muss die Leute auch anlernen. Das Pentagon plant für 2008 Trainingsmaßnahmen für Militärangehörige aus 138 Nationen. Kostenpunkt: fast $90 Millionen. Keine andere Nation reicht hier heran.

4) Privates Militärpersonal

Wie der Bestseller-Autor Jeremy Scahill schreibt, wurden mindestens 126 000 private Militärpersonen - neben unserem uniformierten Militär - in den Irak geschickt (um nur ein Land zu nennen). Weltweit existierten mehr als 60 große Unternehmen, die Militärpersonal weltweit zur Verfügung stellen - 40 davon mit Sitz in den USA.

Wir können sicher sein, dass Regierungen auf der ganzen Welt - die einander häufiger an die Kehle gehen -, unsere amerikanischen Waffen wollen. Das wird auch noch so sein, wenn die Bevölkerungen dieser Länder sich längst von den einst dominierenden amerikanischen Konsumgütern verabschiedet haben werden.

Ein Beispiel. Vor wenigen Tagen stand im “Handelsblatt” ‘Defense News’ (Verteidigungsnachrichten), die Türkei hätten mit den USA einen Deal über den Kauf von F-16 Kampfjets der Firma Lockhead Martin im Wert von über $1,78 Milliarden abgeschlossen. Im Grunde sind diese Flieger schon Usus - Israel fliegt sie, die Vereinigten Arabischen Emirate, Polen, Südkorea, Venezuela (!), Oman und Portugal. Man findet den F-16 in den meisten modernen Airforces. Der F-16 ist nicht nur ein Hightech-Kampfflugzeug, sondern gilt auch als Symbol der Freundschaft und des Rückhalts durch Amerika. Kauft unsere Waffen! Einer der wenigen Wege, um Teil des Amerikanischen Imperialprojekts zu werden.

Um seinen Platz an der Spitze des Jet-Marktes gegen die Konkurrenz zu verteidigen, tut Lockhead allerdings mehr, als nur Flugzeuge zu verkaufen. So wird die türkische Aerospace-Firma TAI vom Kauf (der Jets) mitprofitieren. Lockhead Martin will die Verantwortung für Teile der Produktion, für den Zusammenbau und Tests an die Türken übergeben. Die türkische Luftwaffe verfügt bereits über 215 F-16 Kampfjets und plant - über die nächsten 15 Jahre verteilt -, den Kauf von 100 F-35 Joint-Strike-Fighters von Lockhead Martin. Geschätzter Wert des Vertrags: $10,7 Milliarden.

Kampfflugzeuge für $10,7 Milliarden an ein Land, das auf der UNO-Entwicklungsliste (‘Human Development Index’) auf Platz 94 rangiert - nach Libanon, Kolumbien und Grenada. Kein Vergleich mit jenen europäischen Ländern, die Ankara umgarnt, weil es der EU beitreten möchte. Amerika, hier wartet eine neue verkauftechnische Herausforderung auf dich!

Nur seltsam, dass die Leute, die an unserem goldprämierten Produktions- und Verkaufs-Schlager “Waffen” mitwirken, nie die ihnen zustehende Aufmerksamkeit erhalten. Die meisten Amerikaner haben keine blasse Ahnung, wie stolz sie auf unsere Waffenproduzenten und das Pentagon sein können - auf unsere globalen Eliteverkäufer. Diese stellen sicher, dass unsere Waffen überall auf der Welt ankommen. In kleinen Kriegen - von Lateinamerika bis Zentralasien - wird die Effizienz der Waffen regelmäßig unter Beweis gestellt.

Natürlich gibt es Tonnen von Daten zum Thema Waffenhandel - aber wer liest’s? Es gibt rund ein Dutzend nüchterne Jahres- oder Halbjahresberichte über das Geschäft mit dem Krieg. Ich bin ein typisches Beispiel. Hier mein Beitrag: ‘U.S. Weapons at War: Fueling Conflict or Promoting Freedom?’ (Bericht des ‘Arms Trade Resource Center’). Berichte dieser Art werden von der Presse pflichtgemäß und nüchtern zur Kenntnis genommen. Nur alle Jubeljahre stürzt sich die Presse darauf und befasst sich intensiv damit - wie es dem Spitzenprodukt, über das wir berichten, zukommt.

Kompaktes, intensives Faktenmaterial, Prozentzahlen und Vergleiche scheinen nicht in die üblichen zusammengepuzzelten Titelstories zu passen. Dabei schneidet die Mainstream-Presse noch richtig toll ab im Vergleich zu den Fernsehnachrichten - in denen der Waffenhandel meist geleugnet wird.

Faktenreiche, düstere Nachrichtenstories, die hinter die Fassade des Waffenhandels blicken, sind natürlich wichtig. Aber sie erzeugen nicht dieses Feeling - dieses Goldmedaillen-Feeling, das jene Unternehmenssparte erzeugt, die stets lieber im Schatten bleibt und die Sonne meidet. Leser von Tatsachenberichten fühlen wenig - höchstens, Hilfe, ich werde von Fakten erschlagen. Zwischen der Fabrik, die ein Waffensystem herstellt und dem Ort, der Gemeinde, wo dieses anschließend “seine Pflicht tut”, klafft eine Wissenslücke. Der Link, die Verbindung ist ‘missing in action’. Ebenso fehlt die Verbindung zwischen den Waffenproduzenten und den Generälen (aktiven und Ex-Generälen) sowie den Politikern, die die Verträge aushandeln oder auf eigene Faust Profite für sich und/oder ihre Wähler herausschlagen. Anders gesagt, unsere erfolgreichste (und tödlichste) Exportsparte ist gleichzeitig unsere unsichtbarste.

Der einzige Weg, die Paralyse der Analyse zu durchbrechen, wäre vielleicht, den Waffenexport nicht länger als ‘Handel’ zu bezeichnen. Vielleicht sollten wir nicht mehr in der Sprache der Ökonomie Erläuterungen zu diesem Thema abgeben. Stimmt, die Waffenindustrie verfügt über Lobby-Gruppen, Vereinigungen, Handelsmessen. Wie andere Industriesparten präsentiert sie dreidimensionale Entwürfe, Modelle und geplünderte Büffets. Dennoch sollten wir uns abgewöhnen, so zu tun, als sei der Export von Kampfflugzeugen und Präzisionsraketen mit dem anderer Gerätschaften zu vergleichen. Wir sollten eine andere Terminologie benutzen, denken wir an Drogen und an die in diesem Zusammenhang verwendete Sprache.

Was macht ein Drogendealer? Er schafft ein Bedürfnis und befriedigt es. Er regt Appetit an oder Sucht (Letzteres ist lukrativer) und sorgt für Bedürfnisbefriedigung.

Nichts anderes tun Waffenhändler. Sie suggerieren ausländischen Offiziellen, euer Militär braucht Aufrüstung - ein klein wenig. Sie sagen: Ist Ihnen aufgefallen, Ihr Nachbarstaat hat gerade seine Kampfjets, Unterseeboote oder Panzer modernisiert. Hatten Sie vor ein paar Jahren nicht mal einen Konflikt mit diesem Nachbarn? Fühlen Sie sich nicht mehr sicher? Das brauchen Sie keine Minute länger zu ertragen, für ein paar Milliarden statten wir Sie mit dem neuesten militärischen Modell aus - es wird noch besser sein als das, was wir ihren Nachbarn geliefert haben (oder Ihnen, bei unserem letzten Deal).

Braucht die Türkei, die bereits 215 Kampfjets hat, 100 zusätzliche, technisch noch hochgerüstetere Jets? Braucht sie nicht…. Aber nachdem Martin Lockheed mit dem Pentagon gesprochen hat, redete das Pentagon der Türkei die Jets ein.

Wir brauchen keine potenteren Waffenkontrollgesetze, was wir brauchen ist jemand, der der Welt Vernunft beibringt… und ein 12-Schritte-Programm für die Dealer-Nationen.

Frida Berrigan ist Senior Research Associate am World Policy Institute Arms Trade Resource Center. Dieser Artikel ist erschienen auf Tomdispatch.com .

Quelle: ZNet Deutschland   vom 26.05.2007. Übersetzt von: Andrea Noll. Orginalartikel: “We´re # 1!” .

Veröffentlicht am

02. Juni 2007

Artikel ausdrucken

Weitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von