Tödliche Globalisierung: Waffen ohne Grenzen!UNO-Experten beraten Maßnahmen gegen den illegalen Handel mit KleinwaffenVon Wolfgang Kötter Die Globalisierung hat längst auch das Waffengeschäft erreicht. Für die Experten aus 25 Ländern, die heute für eine Woche (4.-8.6.) im New Yorker UNO-Hauptsitz zusammenkommen, macht das die Aufgabe nicht leichter. Sie sollen wirksame Maßnahmen gegen illegale Waffenhändler und Makler erarbeiten, um die ausufernde Schwemme an sogenannten Kleinwaffen und leichten Rüstungen einzudämmen. Weltweit sterben jährlich eine halbe Million Menschen und zwar nicht durch atomare, biologische oder chemische Massenvernichtungsmittel. Es sind vielmehr die auf über 640 Mio. geschätzten Kleinwaffen wie Maschinenpistolen, Revolver, Minen und Handgranaten, aber auch tragbare Panzer- und Flugzeugabwehrraketen, die in bewaffneten Konflikten, Guerillakriegen und Raubüberfällen massenhaft töten. Ebenso bringen Amokläufer und Selbstmörder schmerzhaftes Leid über unbeteiligte Opfer. Kleinwaffen sind laut Internationalem Roten Kreuz für 95 Prozent der Getöteten heutiger Kriege verantwortlich. Vor allem die russische Maschinenpistole Kalaschnikow AK-47, das amerikanische Sturmgewehr M-16 und das deutsche G3-Schnellfeuergewehr sind Bestseller auf dem schwarzen Waffenmarkt. Doch die Schuldigen sind schwer zu fassen. Konnten die Hegemonialmächte USA und Sowjetunion während des Ost-West-Konflikts noch weitgehend bestimmen, welcher Verbündete mit wie vielen Tötungsmitteln versorgt wird, ist der internationale Waffenmarkt heutzutage weitaus unübersichtlicher geworden. Neben neuen Händlerstaaten wie Bulgarien, Litauen, Slowakei, Tschechien und die Ukraine treten auch private Waffendealer aus Belgien, Deutschland, Großbritannien, den Niederlanden, Pakistan und den USA. Auf internationalen Waffenmessen in Abu Dhabi, Athen, Farnborough, London oder Paris bieten die Makler des Todes ihre Artikel ganz unverfroren an. Doch die Übergänge in die Illegalität sind fließend. Die Waffendealer agieren in globalen Netzwerken, nutzen Internet, Briefkastenfirmen und dubiose Subunternehmen für erdumspannende Kommunikation und Transaktionen. Sie flüchten in Staaten mit laxen Exportbestimmungen, Einzelteile werden in verschiedenen Ländern und von mehreren Produzenten hergestellt. Teils auf offiziellem Weg, aber häufiger noch durch dunkle Kanäle fluten die Rüstungsströme um die Welt. Kampfmittel aus vergangenen Konflikten tauchen regelmäßig auf neuen Brandherden wieder auf. So geschah es beispielsweise mit Hunderttausenden Waffen des Balkankrieges der 90-er Jahre, in dem sich Serben, Kroaten und Bosnier bekämpften. Sie kommen heute in Darfur, Burundi, Somalia, der Elfenbeinküste und anderswo in Afrika erneut zum Einsatz. Der illegale Waffenhandel heizt die Kämpfe immer wieder an, hält die Warlords an der Macht und verhindert Verhandlungslösungen, die den Frieden bringen könnten. Bereits seit Jahren widmet sich die UNO dem Problem von Kleinwaffen. Die Vollversammlung verabschiedete stapelweise Resolutionen, und auch der Weltsicherheitsrat befasste sich mehrfach mit dem Thema. Im Jahr 2001 fand sogar eine internationale Konferenz ausschließlich zu Kleinwaffen und leichten Rüstungen statt und verabschiedete ein umfangreiches Aktionsprogramm. Nichtregierungsorganisationen kritisieren jedoch, dass es viele Lücken hat und nicht rechtsverbindlich ist. Auch die Überprüfungskonferenz im vergangenen Sommer scheiterte am Widerstand der Waffenlobby. Neben Russland, Indien, Pakistan, dem Iran und Israel gehören die USA zu den Hauptbremsern einer internationalen Vereinbarung. Vor allem aber sorgt Washington dafür, dass bisher die Frage des individuellen Waffenbesitzes völlig ausgeklammert wird und das, obwohl gerade in den USA jedes Jahr rund 350.000 Verbrechen mit Schusswaffen begangen werden. Außerdem haben sich einer Studie der Harvard School of Public Health zufolge im Jahr 2004 in den 15 US-Bundesstaaten mit den höchsten Waffenbesitzquoten doppelt so viele Menschen umgebracht wie in den sechs Staaten mit dem geringsten Waffenbesitz. Das bestätigen ebenfalls Schweizer Forscher der Universität Zürich, die herausfanden, dass der Zugang zu Schusswaffen einen direkten Einfluss auf die Häufigkeit von Suiziden mit diesen Waffen hat. Das Internationale Konversionszentrum in Bonn (BICC) betont zwar, dass die gesellschaftlichen Ursachen für solche extremen Gewaltausbrüche komplex sind. Dennoch hält BICC- Direktor Peter Croll es "für dringend erforderlich, auch die Diskussion um die Verschärfung der Waffengesetze und um die Rolle der Waffenlobby sowie der NRA (National Rifle Association) in den USA intensiver zu führen". Das proklamierte "Menschenrecht auf Waffen und Selbstverteidigung" werde immer wieder auch in Verbrechen ausarten und weit gehende internationale Abkommen zur Kleinwaffenkontrolle vereiteln. Die jetzt unter Leitung von Daniël Prins aus den Niederlanden tagende Arbeitsgruppe legt der UNO-Vollversammlung im September ihre Empfehlungen vor. Dann müssen die Regierungen der 192 Mitgliedstaaten entscheiden, ob sie tatsächlich bereit sind, ernsthaft gegen den illegalen Handel mit Kleinwaffen vorzugehen. Unmittelbar vor dem G8-Gipfeltreffen in Heiligendamm weisen die Globalisierungskritiker nachdrücklich darauf hin, dass, wer von Armutsbekämpfung und Menschenrechten redet, auch vor den riesigen Rüstungstransfers nicht die Augen verschließen darf. Doch gerade die führenden Industriestaaten geben sieben Mal mehr für Militär als für Entwicklungszusammenarbeit aus und tragen mit ihren Rüstungsexporten nach wie vor massiv zu Konfliktverschärfung, Menschenrechtsverletzungen und Armut bei. Die 25 Experten kommen aus folgenden Ländern: Ägypten, Argentinien, Brasilien, Bulgarien, China, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Israel, Jamaika, Japan, Jordanien, Kenia, Litauen, Niederlande, Nicaragua, Norwegen, Pakistan, Polen, Republik (Süd-)Korea, Russland, Rumänien, Senegal, Südafrika, USA.
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