Ziel IranIn seinem neuen Buch ‘Targeting Iran’ interviewt David Barsamian Chomsky, Abrahamian und Mozaffari
Von Khatchig Mouradian - 07.08.2007 - ZNet “Frag nicht nach der Ernte, sondern nach dem Pflügen”, lautet ein chinesisches Sprichwort. In seinem Buch ‘Targeting Iran’ beherzigt der preisgekrönte Journalist David Barsamian genau diesen Rat. Er fragt seine Interview-Gäste Noam Chomsky, Ervand Abrahamian und Nahid Mozaffari nach jenem Hegen und Pflegen, das schließlich in die Dämonisierung des Iran durch die USA kulminiert ist - ein wechselseitiger Prozess zwischen den Vereinigten Staaten und dem Iran (seit der Islamischen Revolution im Iran 1979). David Barsamian ist Gründer und Direktor des ‘Alternative Radio’. Seine Hörer/innen und Leser/innen wissen, was sie erwarten können: direkte, präzise Fragen. Meist bietet Barsamian zum Einstieg zudem einige Hintergrundinformationen. Barsamian sät (um im bäuerlichen Bild zu bleiben) Einblicke in die komplexe und intrigante Welt einer Region, die seit langem unter jenen zu leiden hat, die auf den Altären der Übersimplifizierung, Trivialisierung, Kontextlosigkeit usw. huldigen. In seiner Einleitung bringt Barsamian die Geschichte des Iran und der iranisch-amerikanischen Beziehungen kurz auf den Punkt. Er schließt mit den Lieblingszeilen der Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi. Sie klingen zutreffend - hinsichtlich der amerikanischen Außenpolitik aber auch hinsichtlich der Situation im Iran:
Das erste der drei Interviews - das kürzeste - führte David Barsamian mit Noam Chomsky. Barsamian hat Chomsky schon einige dutzend Mal interviewt. Glanzpunkte sind fünf gemeinsame Bücher. In ‘Targeting Iran’ spricht Chomsky über die amerikanische Politik gegenüber dem Iran. Diese sei beispielhaft für die Logik der präventiven Selbstzerstörung: “Unter Zugrundelegung der amerikanischen Standards müsste der Iran ja eigentlich Terroranschläge in den USA verüben. Im Grunde müssten wir sie sogar dazu auffordern - falls wir diese Standards für uns übernehmen. Sie (die Iraner) stehen unter einer viel gewaltigeren Bedrohung, als sie Bush und Blair je konstruiert haben. Angeblich berechtigt das zu dem, was diese Leute als “antizipatorische Selbstverteidigung” - in erster Linie Angriffe - bezeichnen.” Zum Thema Wiederaufnahme des iranischen Urananreicherungsprogramms sagt Chomsky: “Sie brauchen nur in den Medien zu recherchieren und werden feststellen, wie häufig davon die Rede war, der Iran habe die Urananreicherung erst wieder aufgenommen, nachdem die Europäer ihren Teil der Abmachung nicht eingehalten hatten, vor allem hinsichtlich fester Sicherheitsgarantien”. Chomsky erhebt den Vorwurf, die Presse habe vom Rückzieher der Europäer - unter Druck Amerikas - gewusst, aber die Story lieber ignoriert. Das Chomsky-Interview konzentriert sich (schwerpunktmäßig) auf den Iran. Chomskys Analysen und Beispiele sind für uns Leser eine Art Achterbahnfahrt über fast 50 Jahre. Die Fahrt führt uns von den Vereinigten Staaten über Südamerika, Europa, Palästina, Irak bis nach China. Kaum überraschend: Wie ein alter Magier zaubert Chomsky vor dem staunenden Publikum immer neue Argumente und Beispiele aus seinem Hut (sprich: Gedächtnis), locker und in Bestform. Allerdings hätten einige Fußnoten und redaktionelle Anmerkungen (Prozentzahlen, exakte Daten) dem Interview gut getan. So sagt Chomsky an einer Stelle beispielsweise: “Ich habe die exakte Zahl vergessen, aber ich glaube, es (China) bezieht 10 bis 15 Prozent seiner Energieimporte aus Saudi-Arabien.” Oder: “Er (Muqtada al-Sadr, der irakische Schiitengeistliche und Politiker, der sich gegen die US-Präsenz stellt) errang in den letzten Parlamentswahlen ich denke so um die 50 Prozent”. In ‘Targeting Iran’ ist Chomsky für den politisch-historischen Kontext zuständig. Er bereitet so die Bühne für den iranischstämmigen Geschichtsprofessor Ervand Abrahamian, der schwerpunktmäßig über das Atomthema spricht. “Falls der Iran aus der Luft angegriffen wird, schlägt er zurück, wo er Oberwasser hat: im Irak und in Afghanistan”, sagt Abrahamian und fügt hinzu: “Sie würden offensichtlich nicht die USA oder Israel angreifen, obwohl die Leute das, in ihrer Paranoia, annehmen.” Abrahamian glaubt, der Grund, weshalb Irans Präsident Mahmoud Ahmadinedschad den ‘Holocaust’ leugnet oder zur Zerstörung Israels aufruft, sei der Versuch der Überbrückung der Kluft zwischen Schiiten und Sunniten. Zudem versuche Ahmadinedschad, “arabische Unterstützung zu erhalten”. Ahmadinedschads Rhetorik entfalte seine Wirkung weniger im Iran als auf der ‘arabischen Straße’. Nach der Verbindung zwischen Teheran und der bewaffneten schiitischen Hisbollah-Miliz im Libanon gefragt, antwortet Abrahamian, der Iran setze die Hisbollah-Partei nicht ein, um Israel zu zerstören. “Ein Hauptfehler der Israelis ist, dass sie glauben, die Hisbollah sei so eng mit dem Iran verzahnt, dass im Falle eines US-Angriffs auf Iran, letzterer automatisch die Hisbollah gegen Israel Anmerkung d. Übersetzerin: ‘Iran’ steht im Original - offensichtlich ein Flüchtigkeitsfehler des Autors einsetzen werde. Ich denke nicht, dass etwas Derartiges geplant ist”. Nach den ersten beiden Interviews hat man den Eindruck, das Buch werfe zwar einen kritischen Eindruck auf die amerikanische Außenpolitik, biete aber kaum Einblick in die innere Dynamik des Iran. Im dritten Interview - mit dem iranischstämmigen Historiker Nahid Mozaffari - führt uns Barsamian jedoch auf eine lebendige literarische Reise in den Iran (es gibt dort TATSÄCHLICH Literatur!). Die Reise beginnt im frühen 20. Jahrhundert und endet in unserer Zeit. Das Spektrum reicht von Gedichten, über Novellen bis zu Memoiren. Dissidenten und Frauen kommen zu Wort. Mozaffari sagt, iranische Autoren, die die USA besuchen, würden sich behandelt fühlen wie “Menschenrechts-Versuchstiere”. Aber er schreibt auch über die Zensur, die Unterdrückung und Verfolgung im Iran sowie über den Aufstieg des Bloggings. Mozaffari spricht über Details zu Frauenthemen (wie Scheidung, Sorgerechts- und Eigentumsrechtsprobleme, Kleiderregeln etc.). Er spricht über die Entwicklung des iranischen Kinos in der Zeit nach 1979 und über das Vorgehen gegen Rockgruppen und Rapper unter der Regierung Ahmadinedschad. “Die islamistischen Konservativen halten Entwicklungen in der Zivilgesellschaft für etwas Bedrohliches, zudem sei diese anfällig für Manipulationen vom Ausland”, erklärt Mozaffari. Die Schlusszeilen des letzten Interviews bringen eine der Kernaussagen des Buches auf den Punkt: “Die enorme Entschlossenheit derer, die im Iran Veränderung wollen und ihre nicht minder starke Entschlossenheit, sich von Manipulation und Druck von außen nicht beeinflussen zu lassen, sollte den USA und anderen Staaten, die über eine Militäraktion gegen den Iran nachdenken, als ernste Warnung dienen.”
Quelle: ZNet Deutschland vom 12.08.2007. Orginalartikel: Targeting Iran . Übersetzt von: Andrea Noll FußnotenVeröffentlicht amArtikel ausdruckenWeitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von |
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