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Die Gefahr kommt auch aus den Hochsicherheitslabors

Experten beraten in Genf über die Stärkung des Biowaffen-Verbots


Von Wolfgang Kötter

Am europäischen UNO-Sitz in Genf beraten seit 20.08.2007 Experten über das Verbot von biologischen Waffen. Sie wollen herausfinden, wie die Bestimmungen der Biowaffen-Konvention auf nationaler Ebene besser zu erfüllen sind, wie die staatlichen Institutionen gestärkt und eventuelle Verstöße wirksamer geahndet werden können. Darüber hinaus suchen die Spezialisten nach regionalen Kooperationsmöglichkeiten, um zu verhindern, dass Krankheitserreger zu menschenfeindlichen Zwecken missbraucht werden. Das Treffen dient der Vorbereitung jährlicher Thementagungen, die zwischen den Überprüfungskonferenzen stattfinden, um das Abkommen zu stärken (siehe Infokasten).

Globale Destabilisierungen, zahlreiche Regionalkonflikte und innergesellschaftliche Gewaltanwendung erhöhen das Risiko, dass auch biologische Kampfstoffe zu militärischen oder terroristischen Zwecken eingesetzt werden. Vor allem Erkenntnisse der Molekular- und Zellgenetik haben die bedrohlichen Potentiale biologischer Massenvernichtungswaffen dramatisch erweitert. Lediglich zehn Mutationen im Vogelgrippevirus H5N1 würden beispielsweise genügen, damit es unmittelbar von Mensch zu Menschen übertragbar wird. Sollten unverantwortliche Wissenschaftler sich in den Dienst militärischer oder terroristischer Verbrecher stellen, könnte die bisherige Zahl von rund 320 Opfern also schon bald sprunghaft ansteigen und zu einer weltweiten Pandemie mit Millionen Toten führen.

Experten bewerten die Wahrscheinlichkeit terroristischer Angriffe mit Biowaffen unterschiedlich: “Niemand weiß wirklich, wann Al-Qaida mit chemischen oder biologischen Waffen zuschlagen wird”, mein Interpol-Chef Ronald Noble, “aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Terroristen meinen, sie seien soweit.” Zum Teil bereits als ausgerottet geltende Krankheiten wie Typhus, Cholera, Pest, Milzbrand, Gelbfieber und Pocken könnten revitalisiert werden. Böswillig verbreitete Viren, Pilze oder Bakterien würden die Gesundheit und das Leben unzähliger Menschen bedrohen. Der Schutz der eigenen Bürger vor biologischen Krankheitserregern ist deshalb ein legitimes Anliegen.

Auch EU-Innen- und Justizkommissar Franco Frattini meint: “Wenngleich Terroristen in der Vergangenheit Sprengstoffe oder selbst gebaute Sprengvorrichtungen verwendet haben, ist es durchaus denkbar, dass sie in Zukunft auf nicht konventionelle Mittel wie biologische Waffen oder Materialien zurückgreifen… Bei biologischen Gefahren kommt eine Reaktion meistens zu spät. Wir müssen vorbeugen.”

Doch einen absoluten Schutz vor biologischen Waffen gibt es nicht. Trotzdem fordern die Militärs immer nachdrücklicher die Biowaffenforschung auszuweiten. Allein die USA wollen im nächsten Jahr 5,42 Mrd. Dollar für das “Biodefense”-Programm ausgeben, das eine ständig wachsende Zahl von Forschungslabors mit lukrativen Aufträgen versorgt. Schätzungsweise etwa 20 000 Personen hantieren an über 400 Einrichtungen mit Biowaffen-Materialien, doch häufig wird im Reagenzglas erst die Gefahr geschaffen, die später bekämpft werden soll.

Schon allein durch technische Unfälle, Havarien oder unzureichende Sicherheitsvorkehrungen können Katastrophen nicht nur für die eigene Bevölkerung, sondern auch über die Grenzen einzelner Länder und Regionen hinaus ausbrechen. Immer wieder werden besorgniserregende Zwischenfälle bekannt. Erst vor kurzem infizierten sich im Hochsicherheitslabor der renommierten Texas A&M Universität (TAMU) mehrere Mitarbeiter bei Manipulationen an Biowaffen-Erregern mit den gefährlichen Bakterien. Wie die rüstungskritische Wissenschaftsorganisation “Sunshine Project” öffentlich machte, hatte sich bereits im Februar vergangenen Jahres eine Forscherin des Labors mit Brucellen angesteckt, eine Bakterienart, die als potentielle Biowaffe gilt und deshalb auf der US-Liste für besonders gefährliche Erreger steht. Kurz darauf wurde im April bei drei Mitarbeitern eine Infektion mit Q-Fieber festgestellt, das durch Cornella Bruneti verursacht wird, einem ebenfalls als mögliche B-Waffe entwickelten Bakterium. Die zuständige US-Behörde sah sich daraufhin genötigt, alle Arbeiten mit gefährlichen Krankheitserregern einzustellen und damit die Erforschung von militärisch verwendbaren Mikroben zumindest vorerst auszusetzen.

Jan van Aken von “Sunshine” meint dennoch: “Momentan scheint von den amerikanischen Biowaffen-Labors eine größere Gefahr auszugehen als vom Bioterrorismus”. Derartige Aktivitäten provozieren zudem auch andere Staaten, ihre militärisch ausgerichtete Bioforschung auszuweiten. Statt jedoch eine Aufrüstungsspirale in Gang zu setzen, kommt es vielmehr darauf an, das bestehende Vertragsnetz zu stabilisieren und durch größtmögliche Transparenz in den biologischen Wissenschaften den Aufbau eines Biowaffen-Potenzials weltweit prophylaktisch zu verhindern.

Themen der jährlichen Fachkonferenzen
 2008 
  • Nationale, regionale und internationale Maßnahmen zur Verbesserung der Biosicherheit, z.B. von Laboren, Pathogenen und Toxinen.
  • Entwicklung von Problembewußtsein, Bildung, Aufklärung der Biowissenschaftler und Schaffung eines Verhaltenskodexes zur Verhinderung verbotener biowissenschaftlicher Forschung.
 2009
  • Ausweitung der internationalen Kooperation zum Austausch von biowissenschaftlichen Erkenntnissen und Technologien für friedliche Zwecke.
  • Schaffung von Kapazitäten bei der Früherkennung, Diagnose und Eindämmung von Infektionskrankheiten.
 2010
  • Koordinierung von Hilfsmaßnahmen bei vermuteter Anwendung biologischer oder toxischer Waffen.
  • Verbesserung der Fähigkeiten zur Krankheitserkennung und -diagnose sowie der nationalen öffentlichen Gesundheitssysteme.

Veröffentlicht am

22. August 2007

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