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Menschenrechte in Argentinien

Ein Jahr nach dem Verschwinden von Julio Lopez


Von Marie Trigona - 20.09.2007 - Upside Down World / ZNet

Am 18. September versammelten sich in Argentinien Menschenrechtsgruppen zum Gedenken an den ersten Jahrestag des Verschwindens von Julio Lopez. Er war 2006 Kronzeuge in einem Prozess, in dem er dazu beitrug, dass ein führender Offizier zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Rechtsanwälte äußern sich dringlich besorgt über das Verschwinden des Zeugen Lopez. Julio Lopez - ein weiterer Name auf der Liste des Schmerzes, in der die argentinischen Verschwundenen vermerkt sind. Hier ein Rückblick auf die Geschehnisse des letzten Jahres - vom letzten Prozesstag bis zur Suche nach dem verschwundenen Zeugen Lopez.

“Der Bundesstrafgerichtshof Nummer 1 von La Plata kommt zu folgendem Urteil: Das Gericht verurteilt Miguel Osvaldo Etchecolatz zu einer lebenslangen Haftstrafe.”

Während Richter Carlos Rozanski das Urteil verlas, küsste der Angeklagte Etchecolatz ein Kruzifix. Als man ihn aus dem Gerichtssaal brachte, wurde er von mehreren Zuschauern mit roter Farbe beschüttet. Menschenrechtsaktivisten und Angehörige von Vermissten feierten das Urteil, sie umarmten sich außerhalb und im Gerichtssaal von La Plata.

Am Abend nach der Verurteilung von Miguel Etchecolatz, die ein Meilenstein war, verschwand Julio Lopez plötzlich. Etchecolatz war der erste Militäroffizier, der wegen Völkermordes und Verbrechen gegen die Menschlichkeit - begangen während der Zeit der argentinischen Militärdiktatur zwischen 1976 und 1983 - zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Zum letzten Mal gesehen wurde Lopez (zu Fuß) in der Nähe seiner Wohnung in La Plata. Die Stadt liegt rund 40 Meilen von Buenos Aires entfernt.

Lopez hatte vor Gericht über die Zeit (1976 bis 1979) ausgesagt, die er als politischer Gefangener in Geheimgefängnissen verbringen musste. Seine Zeugenaussagen vor dem Gericht in La Paz waren der Schlüssel zur Verurteilung von Miguel Etchecolatz. In seinen Aussagen beschrieb Lopez längere Folteranwendungen gegen seine Person unter direkter Aufsicht von Etchecolatz. “An jenem Tag haben sie mir mit einem Elektroschocker Stromstöße zugefügt. Sie setzten eine niedrigere Voltzahl ein, der Elektrostab war batteriebetrieben, ich spürte es nicht so heftig. ‘Nun wirst du es spüren’, sagte er (Etchecolatz) zu mir. Er gab den anderen einen Befehl: ‘Hängt den Elektroschocker direkt an die Straßenstromleitung’, sagte Etchecolatz, Mr. Etchecolatz”, so Lopez.

Um die Untersuchung des Verschwindens von Julio Lopez wurde, seit seinem Verschwinden, wenig Aufhebens gemacht. Das meiste (kürzlich freigegebene) Beweismaterial führt in jenes Staatsgefängnis, in dem Etchecolatz und weitere 100 Militäroffiziere einsitzen. Telefongespräche aus dem Gefängnis und private Notizen aus Etchecolatz’ Besitz sind klare Indizien, dass Lopez in den letzten Tagen vor seiner Entführung unter Überwachung gestanden hatte.

Auf einer Pressekonferenz sagte die mit dem Fall des verschwundenen Lopez befasste Rechtsanwältin und Menschenrechtsaktivistin Myriam Bergman, sie befürchte, dass viele Beweise herausgefiltert wurden, um die Kidnapper zu schützen. “Ein Jahr ist vergangen, seit Julio Lopez gekidnappt wurde, seit der Kamerad verschwunden ist, und nach wie vor gibt es in dem Fall keinen Verdächtigen. Die einzigen ernsthaften Hinweise, denen nachgegangen werden kann, stammen von Menschenrechtsorganisationen. Die Ermittler ließen Monate verstreichen, ehe sie ihnen nachgingen. Und sie haben es zugelassen, dass die Verdächtigen erfuhren, dass gegen sie ermittelt wird”.

Menschenrechtsgruppen weisen auf Etchecolatz und andere inhaftierte Militäroffiziere der VIP-Etage des Staatsgefängnisses Marcos Paz hin. Auf diese Leute warten weitere Strafverfahren wegen Menschenrechtsverbrechen. Margarita Cruz, ein überlebendes Folteropfer aus der nordargentinischen Provinz Tucuman, ist der Meinung, das Verschwinden von Julio Lopez belege, wie lange es dauert, bis die Militärs, die während der Terrorherrschaft der Militärjunta schätzungsweise 30.000 Menschen umgebracht haben, endlich ihre Straffreiheit einbüßen.

“Ein Jahr nach dem Verschwinden von Julio ist sicher, es gibt in diesem Land noch immer Straffreiheit, sie existiert. Aber all die Arbeit der Menschenrechtsorganisationen - in jedem Monat und an jedem Jahrestag nach dem Verschwinden Julios - wird die Veränderung bringen”, so Margarita Cruz. “Darauf hoffen wir. Wir rufen zu einem großen Marsch auf, um echte Antworten auf die Umstände von Julio Lopez’ Verschwinden zu fordern”.

Insgesamt sind bislang 256 Mitglieder des Militärs bzw. Mitglieder der damaligen Militärregierung wegen Menschenrechtsverbrechen angeklagt und erwarten ihre Verfahren. Seit der Oberste Gerichtshof von Argentinien im Jahr 2005 jene Amnestiegesetze aufhob, mit denen Militärangehörige geschützt wurden, die während der siebenjährigen Diktatur beim Militär im Dienst waren, kam es jedoch lediglich zu drei Verfahren. Menschenrechtsgruppen in Argentinien berichten, die Verfahren gegen ehemalige Mitglieder der Militärdiktatur gingen im Schneckentempo voran - falls überhaupt. Die Opfer beklagen ein ineffektives Gerichtswesen - voller struktureller Hürden und unkooperativer Richter.

Marie Trigona ist Autorin, Radioproduzentin und Filmemacherin. Sie lebt in Argentinien. mtrigona@msn.com     http://mujereslibres.blogspot.com

Quelle: ZNet Deutschland   vom 21.09.2007. Orginalartikel: Human Rights in Argentinia: A Year Without Julio Lopez . Übersetzt von: Andrea Noll.

Veröffentlicht am

22. September 2007

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