Der Neue bei den UN-einigen NationenKeine Flitterwochen für UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon
Von Wolfgang Kötter Seit Januar ist Ban Ki Moon Generalsekretär der UNO. Zu Hause in Seoul trage er den Spitznamen “schlüpfriger Aal”, ließ der ehemalige Außenminister Südkoreas stolz auf einer seiner ersten Pressekonferenzen wissen. Tatsächlich erscheint der von Journalisten auch gern als Teflon-Diplomat geschmähte Chef der Weltorganisation allzu glatt und schwer zu fassen. Wofür steht er, welches sind seine Ziele und Ideale, besitzt er eine Vision für die zukünftige internationale Gemeinschaft? Das alles lässt sich bisher nur undeutlich erkennen und das Profil bleibt auch nach gut einem halben Jahr unscharf. Die ersten Monate seien “keine Flitterwochen” gewesen, räumt er selbst ein. Gleich am zweiten Amtstag unterlief dem ranghöchsten Diplomaten der Welt ein schwerwiegender Fauxpas. Jeder Staat entscheide selbst, wie er es mit der Todesstrafe halte, kommentierte er die Hinrichtung Saddam Husseins. Doch die UNO ächtet die Tötung per Gesetz grundsätzlich, und so musste Sprecherin Michèle Montas die Aussage ihres Vorgesetzten umgehend dementieren. Der Honeymoon ist ausgefallenWenn in diesen Tagen der erste Bericht an die Generalversammlung fällig ist, sieht die Zwischenbilanz bestenfalls durchwachsen aus. Dabei hatte der neue Hausherr auf der 38. Etage des Wolkenkratzers in Midtown Manhattan außerordentlich günstige Startbedingungen. Im Unterschied zu den meiste seiner sieben Vorgänger war die Nachfolge bereits drei Monate vor Amtsantritt geregelt. Die Wahl verlief vergleichsweise unproblematisch, weil sich die USA und China im Personalpoker um die zahlreichen Bewerber frühzeitig auf ihn als Kompromisskandidaten geeinigt hatten und die übrigen Vetomächte keine entscheidenden Einwände vorbrachten. In New York gilt der Südkoreaner denn auch als Freund, wenn nicht Diener Amerikas. Darum sind substantielle Impulse für die überfällige konzeptionelle Erneuerung der Organisation von ihm kaum zu erwarten. Reformen werden sich eher auf die von Washington gewünschten Maßnahmen zum Personalabbau, für Ausgabensenkung und Effizienzsteigerung beschränken. Ban sei dem Weißen Haus hörig, klagen viele Vertreter der 192 UN-Mitgliedstaaten. Immerhin anerkennen auch Kritiker, dass der Generalsekretär sich engagiert für eine Beendigung des Völkermords im Konfliktherd Darfur einsetzt und auch zu den zentralen Themen Armut und Klima deutliche Worte gefunden hat. Trotz beträchtlicher außenpolitischer Erfahrung unterliefen dem obersten Dienstherren der weltweit rund 7.500 UN-Mitarbeiter zunächst zahlreiche Fehler. Die Übergangsphase gestalte sich äußerst mühsam und zäh, Ungeschicklichkeiten lösten zusätzliche Aufregung und Irritationen aus. Vor allem so manche Personalentscheidung lässt selbst Insider den Kopf schütteln. Die Ernennungen von Asha-Rose Migiro aus Tansania zu seiner Ersten Stellvertreterin, der Mexikanerin Alicia Bárcena Ibarra als oberste Managerin und seines Kabinettschefs, des Inders Vijay Nambiar, seien zwar formal Gesten an die Länder des Südens, so wird bemängelt, tatsächlich aber bestimme oftmals ein innerer Zirkel von südkoreanischen Vertrauten. Noch nicht eine Woche im Amt, schickte er rund 60 der wichtigsten bisherigen Mitarbeiter im Generalsekretariat die Aufforderung, ihre freiwilligen Rücktrittsgesuche einzureichen, wer damit zögerte, wurde öffentlich abgemahnt. Als ein personalpolitischer Fehlgriff gilt die Nominierung des britischen Ex-Premiers Tony Blair zum Sondergesandten des Nahost-Quartetts, die Washington und Ban gemeinsam einfädelten. Weder die EU noch Russland wurden rechtzeitig informiert, und die Eignung Blairs - eines Hauptprotagonisten des Irakkrieges - für das Amt erscheint vielen mehr als fraglich. Abrüstung auf dem Abstellgleis?Bans erster Versuch, Peking und Washington seinen Dank durch Personal- und Strukturentscheidungen abzustatten, schlug gründlich fehl. Vorgeblich um die Effizienz zu steigern, wollte er die bisher selbständige von einem Vize-Generalsekretär geleitete Abrüstungsabteilung herabstufen und in die Hauptabteilung für Politische Angelegenheiten eingliedern. Pikanterweise steht an deren Spitze seit März der US-Amerikaner Lynn Pascoe. Gleichzeitig wäre bei der Umstrukturierung dann ein Unter-Generalsekretärsposten frei geworden, mit dem man China bedenken könnte. Doch die Abwertungsaktion löste unverzüglichen und lautstarken Widerstand aus. Die Kritiker hielten das Manöver für einen Versuch, Abrüstung in den Vereinten Nationen trotz gegenteiliger Behauptung nicht mehr als Priorität sondern nur noch unter ferner liefen zu behandeln. Ausgerechnet in einer Situation, in der das Überleben der Menschheit davon abhängt, ob die Krise der Abrüstung überwunden und die angehäuften Waffenberge abgebaut werden können, wäre dies ein völlig falsches Signal. Die 117 Mitglieder umfassende Blockfreien-Gruppe lehnte die Pläne nachdrücklich ab. Auch die Nichtregierungsorganisationen protestierten: “Dies ist der falsche Weg”, warnt John Burroughs, Direktor des New Yorker Lawyers’ Committee on Nuclear Policy. Eine solche Entscheidung werfe gleich zu Beginn ein schlechtes Licht auf den neuen Generalsekretär. Also musste der frischgebackene UNO-Chef schleunigst zurückrudern. Die Degradierung des Abrüstungsdepartments wäre nämlich nicht nur eine administrative Maßnahme, sondern sie besitzt eine starke symbolische Bedeutung für das Image der UNO nach außen, aber auch für das Selbstverständnis der Weltorganisation. Abrüstung gehört laut Charta zu ihren zentralen Anliegen. Als die UNO im Jahre 1945 das Licht der Welt erblickte, war sie sofort mit den verheerendsten Destruktivkräften in der Menschheitsgeschichte, den Nuklearwaffen, konfrontiert. Auf ihrer ersten Vollversammlung, noch unter dem Schatten der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki, unterstrich sie die zentrale Rolle der Abrüstung für Frieden und Sicherheit. Kernwaffen und alle übrigen Massenvernichtungswaffen sollten aus den nationalen Arsenalen verbannt werden. Überall auf dem UN-Gelände zwischen 42. und 48. Straße an der First Avenue trifft man auf Abrüstungssymbole: Im Park schmiedet eine überlebensgroße Statur “Schwerter zu Pflugscharen”, auf dem Vorplatz zwischen General Assembly Hall und Dag-Hammarskjöld-Bibliothek kündet ein verknoteter Pistolenlauf vom Engagement gegen Waffengewalt. In Sichtweite mahnt das Läuten der japanischen Friedensglocke an jedem 21. September zum Weltfriedenstag ein gewaltfreies Zusammenleben der Völker an, und vor dem Sitzungssaal des Sicherheitsrates beklagt Pablo Picassos “Guernica” die Leiden des Bombenkrieges. “Harmonisierer” oder Vasall Washingtons?Der 63-jährige Karrierediplomat Ban Ki Moon war bereits Außen- und Handelsminister seines Landes, außerdem wirkte er als sicherheitspolitischer Berater von zwei Präsidenten. Sein anfänglich holpriges Englisch, das auch zahlreiche Missverständnisse hervorrief, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass Ban über eine solide Bildung verfügt. So absolvierte er ein Studium der Internationalen Beziehungen an der Nationalen Universität Seoul und erwarb einen Mastertitel in öffentlicher Verwaltung von der rennomierten Harvard-Universität. Einblick in die multilaterale Arbeit erlangte er als Direktor der UNO-Abteilung des Außenministeriums und in der Ständigen Vertretung Südkoreas bei den Vereinten Nationen in New York. Außerdem war er Botschafter bei den Internationalen Organisationen in Wien. Gemeinsam mit seiner Frau Yoo (Ban) Soon-taek hat er einen Sohn und zwei Töchter. Als Ban am 14. Dezember vergangenen Jahres den Amtseid ablegte, formulierte er als sein Credo: “Ich möchte harmonisieren und Brücken bauen”. Doch alles andere als neutral, ergriff der UN-Generalsekretär in einem Interview mit der “Frankfurter Allgemeinen Zeitung” ungewöhnlich offen Partei für die USA: “Niemand kann bestreiten, dass Amerika erheblichen Anteil an der Stabilisierung des Iraks hat. Wir müssen diesen Beitrag der Vereinigten Staaten und die damit verbundenen Opfer zu schätzen wissen”, befand er in krassem Gegensatz zu seinem Vorgänger Kofi Annan, der den Krieg als illegal gebrandmarkt hatte. Die Renovierung der WeltorganisationMöglicherweise zahlt sich die Gefolgstreue aber auch aus. Ban bekam, was Annan hartnäckig verweigert wurde. Zum Amtswechsel gibt es endlich grünes Licht für den “Capital Master Plan” zur Generalsanierung der UN-Zentrale. Vor allem die USA hatten den Etat dafür immer wieder blockiert, obwohl der fünfeinhalb Jahrzehnte alte Komplex mehr als baufällig ist. Die drei großen Gebäude am East River sind asbestverseucht und dringend renovierungsbedürftig. In den Dächern gibt es undichte Stellen, sodass Mitarbeiter bei stürmischem Regenwetter zuweilen einen Schirm dabei haben, um einigermaßen trocken über die Flure zu gelangen. Auch die Klimaanlage funktioniert nicht zuverlässig und es fehlen moderne Brandschutzmelder. Permanenter Geldmangel hat dazu geführt, dass Sicherheit und Energieverbrauch schon lange nicht mehr den Mindeststandards entsprechen. Zudem verursacht hoffnungslos überalterte Technik ständige Reparaturen an maroden Fahrstühlen und Rolltreppen, deren Ersatzteile kaum noch aufzutreiben sind. Abgewetzte Sitzpolster und ausgetretene Teppichböden bezeugen unübersehbar die langjährige Diplomatentätigkeit. Für rund eine Milliarde Dollar soll das Projekt Anfang kommenden Jahres beginnen und sich über sieben Jahre hinziehen. Die Vollversammlung wird inzwischen einen Block von ihrem bisherigen Sitz entfernt in ein anderes Gebäude umziehen. Optimisten hoffen, dass sie nach Abschluss der Generalüberholung spätestens im Jahre 2012 in eine nicht nur rundum renovierte, sondern vielleicht auch reformierte Organisation zurückkehren kann.
Die UNO-Generalsekretäre
* Myanmar, ehemals Birma
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