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Endlich ein Volksaufstand!

von Amira Hass, 30.01.2008

Der Mauerfall bei Rafah war eine passende Kombination von Planung und genauem Verständnis der sozialen und politischen Landkarte durch die Hamas-Regierung, vermischt mit einer kollektiven Antwort auf die Diktate des Herrschenden, nämlich Israel.

Nur wenige in Rafah wissen, dass “Anonyme Personen” im Geheimen die Grundmauern der Mauer seit mehreren Monaten destabilisiert hatten, so dass es möglich war, sie schnell zum Einsturz zu bringen, als die Zeit dafür reif war - doch dies wurde geheim gehalten. Die ersten Hunderte, die das palästinensische Rafah direkt nach dem Mauerfall verließen, riskierten, von den Ägyptern als Infiltranten beschossen zu werden.

Die Führung und die Öffentlichkeit des Gazastreifens, zwei Elemente des besetzten Volkes, waren Partner beim notwendigen und mutigen Schritt, die israelischen Regeln des Spiels zu durchbrechen. Der Mauerfall ist ein deutlicher Ausdruck der Vorstellung und des Temperamentes eines Volkswiderstandes des palästinensischen Volkes, was aus verschiedenen Gründen in den letzten Jahren latent war.

Die PLO ist besorgt - und das zu recht -, dass der Mauerfall Israel einen zusätzlichen Vorwand liefern wird, um die Trennung des Gazastreifens von der Westbank endgültig zu machen. Diese Tendenz ist nichts Neues: die israelische Belagerung des Gazastreifens hat sich stufenweise und anhaltend seit 1991 vollzogen und während der Oslo-Jahre intensiviert. Aber die PLO-Führung hatte nicht die nötige Kreativität, beizeiten eine praktische Herausforderung gegenüber Israels anhaltend zerstörerischer und strangulierender Politik festzulegen, die Freiheitsbewegung der Palästinenser immer mehr einzuschränken.

Kein Wunder. Damals wie heute häuft Israel Privilegien auf ranghohe Offizielle der palästinensischen Behörden und ihre Genossen und gewährt ihnen Bewegungsfreiheit. Die Offiziellen verurteilen zwar öffentlich die Bewegungseinschränkungen der normalen Bevölkerung, akzeptieren aber selbst unterwürfig ihre Privilegien. Deshalb waren sie unfähig, praktische Aktionspläne gegen die Trennung des Gazastreifens von der Westbank und gegen die Einsperrung der Mehrheit ihres Volkes zu liefern.

Nun gilt es, das Erreichte - nämlich den Mauerfall - auszunützen, um Taktiken eines Volksaufstandes zu entwickeln. Dies wird von zwei wesentlichen Hindernissen erschwert. Das eine ist der sogenannte “bewaffnete Kampf” wie die Qassamraketen, die von Gaza auf israelische Städte abgeschossen werden, das andere ein Selbstmordattentat in Israel. Das palästinensische Mantra, dass ein besetztes Volk das Recht hat, “mit allen Mitteln zu kämpfen”, klingt hohl, denn es geht hier nicht um das Recht, sondern die Effektivität des Kampfes.

Es ist bewiesen, dass die Palästinenser durch allgemeinen Ungehorsam die israelischen Regeln des Spiels eher durchbrechen und ihre Probleme ins Zentrum globaler Aufmerksamkeit zurückbringen, als auch eine intensivere Kritik an Israels Politik bewirken können. Der “bewaffnete Kampf”, besonders wenn er gegen Zivilisten zielt, erreicht genau das Gegenteil: die Palästinenser stellen sich so als Aggressoren dar und nicht als besetzte angegriffene Partei. Dadurch schwächen sie auch ihren globalen Stand.

Wenn die Gaza-Regierung den Impuls des Mauerfalls nicht verlieren möchte, muss sie nicht nur ihre eigenen Militanten davon zurückhalten Qassamraketen abzuschießen, sondern auch anderen Organisationen klar machen, dass sie (mit Gewalt) einen erfolgreichen Schritt des Widerstandes verhindern.

Das zweite Hindernis ist die unbeugsame Verweigerung der Regierung in Ramallah, mit der Hamas zu reden. So gibt es schließlich zwei Quasi-Regierungen, deren Rechtmäßigkeit aus der Perspektive des palästinensischen Grundgesetzes fragwürdig ist. Aber beide repräsentieren dasselbe besetzte Volk und dasselbe Stück Land, das unter einem beschleunigten Prozess der Kolonisierung steht, die alle (israelische)juristische Haarspalterei überwindet. Mahmoud Abbas trifft sich zwar ohne Vorbedingungen mit Ehud Olmert während eines Wochenendes, während dem Israel seine grausamste Belagerung des Gazastreifens durchführt, aber Abbas ist nicht in der Lage, mit Ismail Haniyeh zu sprechen, ohne seine Vorbedingungen zu akzeptieren.

Dieser Boykott trägt zur Trennung bei, die Israel so eifrig zu intensivieren versucht. Je länger sich das direkte Gespräch zwischen beiden Führungen über praktische Wege zur Aufhebung der Belagerung des Gazastreifens hinauszögert, um so größer wird, wie die Hamas befürchtet, die Sorge, dass die Ramallah-Regierung (nur noch) auf die USA und Israel hört - aber nicht mehr auf den Wunsch und Willen ihres eigenen Volkes.

Quelle: Haaretz   vom 30.01.2008. Deutsche Übersetzung:Ellen Rohlfs

Veröffentlicht am

06. Februar 2008

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