USA: Krieg ohne EndeWenn es ein muss, will der republikanische Präsidentenbewerber John McCain noch hundert Jahre am Euphrat bleibenvon Konrad Ege Fünf Jahre halten die Amerikaner den Irak besetzt und führen dort Krieg. Die Mehrheit der US-Amerikaner wünscht sich ein Ende. Bisher ist aber die Strategie der “Kriegspartei” aufgegangen, im Wahljahr möglichst wenige flaggenbedeckte Särge nach Hause transportieren zu müssen. Bei den Republikanern kandidiert ein Politiker, der - wenn es sein muss - noch hundert Jahre im Irak bleiben wird. Die Demokraten versprechen gleichzeitig Truppenabzug und Truppenpräsenz. Das Ende des Krieges ist nicht in Sicht. In den USA sind “the war” und die schätzungsweise drei Millionen Flüchtlinge, die US-Luftangriffe mit “Kollateralschäden”, die Kosten von beinahe drei Billionen Dollar (10.000 Dollar pro US-Amerikaner), wie der Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz nachrechnete, und selbst die fast 4.000 gefallenen Soldatinnen und Soldaten sowie die 30.000 Verwundeten weitgehend aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwunden. Amerika steht seit Wochen im Bann des Fights zwischen Hillary Clinton gegen Barack Obama, den Kandidaten mit der “prophetischen Aura”. Die beiden gehen einer grundsätzlichen Debatte der Katastrophe zwischen Euphrat und Tigris aus dem Weg. Sie formulieren ihre Pläne so biegsam, dass ihnen nach einem Wahlsieg maximaler Spielraum bliebe. George Bush - seine Zustimmungsrate liegt einer kürzlichen Umfrage zufolge gerade noch bei 19 Prozent - wird in den Medien kaum mehr zur Kenntnis genommen, dennoch hat der Präsident beim Irak einen taktischen Sieg errungen: Der “Surge”, die Truppenaufstockung um 30.000 Mann im vergangenen Jahr, wird weitgehend als Erfolg gewertet. Weniger US-Soldaten kommen ums Leben, die Zahl der Angriffe auf US-Kontingente oder -Stützpunkte sei um 60 Prozent zurück gegangen - es sterben weniger irakische Zivilisten: Im Februar “nur” 633, verglichen mit 1.645 im Februar 2007. General David Petraeus, der telegene und bescheiden auftretende Oberkommandierende im Irak, wird im April wieder in Washington erwartet. Die Politiker proben schon ihre Verbeugungen. Der republikanische Präsidentschaftsanwärter John McCain, der Held von Vietnam, kann dann dem vermeintlichen Helden von Bagdad gerührt die Hände schütteln. McCain tritt an als der Kandidat der Nationalen Sicherheit. Und die Fernsehtalkshows haben einen Sessel frei gemacht für den 71-jährigen Politiker, der im Gegensatz zu den Demokraten schon allein wegen seiner Militärkarriere als Experte gilt. wenn er sagt, im Irak zeichne sich ein Erfolg ab, und Rückzug würde die USA gefährden. Das ist freilich derselbe McCain, der vor genau fünf Jahren prognostizierte, die USA würden am Euphrat “in sehr kurzer Zeit” einen “überwältigenden Sieg” erringen - die Iraker würden die US-Streitkräfte “als Befreier willkommen heißen”. Barack Obama hatte damals erklärt, Saddam Hussein sei “keine Bedrohung” für die USA. Saddam könne man “eingrenzen”, bevor er wie andere Diktatoren auch “in die Aschentonne der Geschichte” fallen würde. So hält sich in den Vereinigten Staaten dank einer Mischung aus Überheblichkeit und Paranoia in Sachen “Terrorismus” und trotz der 4.000 im Irak Gefallenen die Überzeugung, Macht und Einfluss gründeten sich auf das Militär. In einem Wahljahr will keiner die Army in Frage stellen. Der Krieg muss nur besser gemanagt werden. Hoffentlich weniger GIs, mehr Irakisierung, mehr Luftangriffe. Nach einem Bericht des Washingtoner Center for Strategic and International Studies haben die US-Militärs die Zahl der Luftangriffe (Close Air Support) mit “größerer Munition” von 285 im Jahr 2004 auf 1.119 im Jahr 2007 erhöht. Die 25 Quadratkilometer große Balad Air Base nördlich von Bagdad hat nun ihre eigene Website und das erste Erholungszentrum für GIs im Irak. Balad und ein Dutzend weitere Stützpunkte werden so ausgebaut, dass es keinen Zweifel geben kann: Hier richtet man sich langfristig ein. 140.000 amerikanische Soldatinnen und Soldaten sind gegenwärtig im Irak stationiert und wohl eben so viele Angestellte von Privatunternehmen, die für das US-Militär arbeiten, vorzugsweise die Leute von Blackwater und anderen Sicherheitsfirmen. Trotz des “Surge” zögert Verteidigungsminister Robert Gates, Einheiten abzuziehen, denn das von den USA errichtete Konstrukt der inneren Befriedung ist auf Sand gebaut. Der Bürgerkrieg hat sich nur dem Anschein nach erschöpft. Viele der unterlegenen sunnitischen Rebellen haben sich auf die Seite der US-Streitkräfte geschlagen, ihrer Abneigung gegenüber der von schiitischen Politikern geführten Regierung tut das keinen Abbruch. Muqtada al Sadrs schiitische Miliz hat soeben ihr Waffenstillstandsversprechen erneuert. Aber für den Prediger al Sadr sind die sunnitischen Bürgerwehren letzten Endes nur Terroristen, die das Hemd gewechselt haben. Und weder die einen noch die anderen befürworten eine dauerhafte US-Präsenz. Amerika hat keine festen Freunde, außer den Kurden im Norden, und die werden sich nach dem türkischen Einmarsch auch ihre Gedanken machen. Nach Umfragen befürwortet eine Mehrheit der US-Bevölkerung einen Truppenabzug, doch schlägt das praktisch kaum zu Buche. Während der rechte Flügel der Republikanischen Partei den vermeintlich ungenügend konservativen McCain zu allen möglichen Verrenkungen zwingt, tragen progressive Demokraten Samthandschuhe: Man will Barack und Hillary das Leben nicht schwer machen. Dabei hängt so viel für die amerikanische Zukunft vom Irak ab: Wird weiterhin so viel Geld verpulvert, bleibt nichts übrig für die Krankenversicherung, für den Ausbau der Infrastruktur und so weiter. Und wenn man nicht klar sagt, wie irrsinnig die Annahme ist, zu Beginn des 21. Jahrhunderts könnten Soldaten und Bomben aus dem christlichen Amerika einen ölreichen, komplexen Staat mit größtenteils muslimischer Bevölkerung “befrieden”, bleiben die USA in einem Denkmuster stecken, das in letzter Konsequenz der gesamten Nation schadet. Der Irak-Krieg 20. März - 9. April 2003Donnerstag, 20. März - Schlag gegen SaddamUm 3.33 Uhr mitteleuropäischer Zeit fliegt die Air Force erste Luftangriffe auf Bagdad, angeblich um nach einem todsicheren Tipp Saddam Hussein in einem Führungsbunker zu treffen. Gegen 7.00 Uhr MEZ beginnt das US-Marinekorps, von Kuwait aus auf dem Landweg vorzustoßen. Die USA stehen an der Spitze einer “Koalition der Willigen” und handeln ohne völkerrechtliche Legitimation, sprich: ohne Mandat der Vereinten Nationen. Freitag, 21. März - Schock und EntsetzenAus dem ersten Militärbulletin des US-Oberkommandos geht hervor, dass die alliierten Truppen den Hafen von Umm Kasr und damit die erste irakische Stadt erobert haben. Am Abend gibt es mit einem massiven Luftangriff die bis dahin schwerste Bombardierung der irakischen Kapitale. Samstag, 22. März - 300 Kilometer bis BagdadDie Luftangriffe werden nun auch am Tage geflogen. Heftige Kämpfe toben um die Stadt Nasirija etwa 300 Kilometer südöstlich von Bagdad. Beim Angriff auf den Markplatz von Shuale, einem Stadtbezirk der irakischen Hauptstadt, sterben 62 Zivilisten - Amerikaner und Briten erklären, sie seien das Opfer irakischen Flugabwehrfeuers. Doch die Code-Nummern auf den Splittern der Granaten weisen daraufhin, dass die Geschosse amerikanischer Herkunft sind. Sonntag 23. März - Bilder von SaddamSowohl bei Nasirija als auch bei Kerbala halten die irakischen Verteidiger ihre Positionen. Das irakische Fernsehen zeigt Bilder von gefangenen US-Soldaten und von Saddam Hussein bei einer Sitzung des Nationalen Verteidigungsrates in Bagdad, wie es im Kommentar heißt. Montag, 24. März - ohne Wasser und StromDie Gefechte verlagern sich nach Nadschaf am Euphrat sowie an die Peripherie der Hafenstadt Basra. Auch im bereits als erobert gemeldeten Umm Kasr flammen wieder Kämpfe auf. Die Arabische Liga fordert “den sofortigen Abzug aller fremden Truppen von irakischem Territorium”. Die Vereinten Nationen warnen vor einer humanitären Katastrophe, da die Bombardierung von Elektrizitäts- und Wasserwerken die Versorgung der Bevölkerung teilweise unterbricht. Dienstag, 25. März - 75 Milliarden zusätzlichSchwere Sandstürme behindern den Vormarsch der US-Truppen. Präsident Bush verlangt vom Kongress 75 Milliarden Dollar zusätzlich und sofort zur Finanzierung des Feldzuges und räumt ein, dass derzeit nicht mit einem schnellen Vormarsch nach Bagdad zu rechnen sei. Mittwoch, 26. März - Vormarsch gestopptEine Woche nach Beginn der Kampfhandlungen spricht das irakische Oberkommando davon, das Vorrücken der alliierten Verbände vorläufig gestoppt zu haben. Die Zahl der bisher bei den Luftangriffen getöteten Zivilisten wird mit 400 bis 500 angegeben. Donnerstag, 27. März - Saddams PalästeBei einem schweren Bombardement der Innenstadt von Bagdad werden nach US-Angaben auch die so genannten Paläste von Saddam Hussein getroffen. Die irakische Führung will den Aggressoren “eine blutige Schlacht um die Hauptstadt” liefern und kündigt in allen verlorenen Gebieten einen “Guerilla-Krieg bis zum letzten Mann” an. Freitag, 28. März - Rumsfeld unter BeschussUS-Fallschirmjäger landen im nordirakischen Kurdengebiet und eröffnen eine Nordfront. Verteidigungsminister Rumsfeld gerät in Washington wegen des schleppenden Vormarschs unter Beschuss und kündigt an, 100.000 Soldaten zusätzlich an den Golf zu schicken. Samstag, 29. März - der erste MärtyrerDie irakische Führung spricht von der “ersten Märtyrertat des Guerilla-Krieges”, als sich in der Nähe von Nadschaf ein Iraker an einem US-Kontrollpunkt mit einer Autobombe in die Luft sprengt und vier GIs mit in den Tod reißt. Der irakische Vizepräsident Taha Jassin Ramadan spricht davon, dass es weitere derartige Attacken geben werde. Sonntag, 30. März - 6.000 ExilirakerIn einem Interview mit CNN weist Donald Rumsfeld Spekulationen darüber zurück, wonach es für die US-Armee Nachschub-Probleme gebe. BBC spricht von etwa 6.000 heimkehrenden Exil-Irakern, die sich der Armee zur Verfügung stellen wollen. Die US-Truppen verbuchen die größten Geländegewinne seit Tagen. Da die Luftangriffe unvermindert weitergehen, steigt auch die Zahl der Opfer. Am 10. Tag des Krieges liegt sie nach irakischen Angaben bei mehr als 1.000 Menschen. Montag, 31. März - 100 Kilometer bis BagdadEntlang des äußeren Verteidigungsrings um die irakische Hauptstadt kommt es zu ersten Gefechten mit Eliteeinheiten der Republikanischen Garde Saddams. Weil in einem PKW ein Selbstmordattentäter vermutet wird, töten US-Soldaten an einem Checkpoint sieben Mitglieder einer irakischen Familie. Das US-Oberkommando erklärt sein Bedauern und spricht von “einem schweren Rückschlag bei den Bemühungen, das Vertrauen der Zivilbevölkerung zu gewinnen”. Dienstag, 1. April - Heiliger KriegBritische Truppen nehmen einen Vorort der südirakischen Hafen- und Millionenmetropole Basra ein und beginnen damit, die Stadt einzukesseln. An diesem Tag erreicht die Iraker die letzte Botschaft Saddam Husseins, der zum “Heiligen Krieg gegen die Amerikaner und ihre Verbündeten” aufruft. Das schwer umkämpfte Nasirija wird fast vollständig von US-Einheiten erobert. Mittwoch, 2. April - 50 Kilometer bis BagdadDie Invasionstruppen beginnen bei Kerbala mit einer Bodenoffensive und dem Vormarsch zur Einnahme von Bagdad. Die Fernsehkanäle CNN und BBC sprechen von einer Distanz von 50 Kilometern zwischen der Front und dem Stadtzentrum, die in zwei bis drei Tagen überwunden werden könne. Andere Quellen besagen, es seien nur noch 30 Kilometer. Donnerstag, 3. April - Basra ist gefallenAn diesem Tag greifen die Amerikaner mit ihren Spitzen den Internationalen Flughafen von Bagdad an und nehmen ihn 24 Stunden später vollständig ein, was die irakische Führung zunächst dementiert. Auch Basra ist gefallen, als die britischen Truppen einziehen, kommt es in der Stadt zu Plünderungen. Freitag, 4. April - Abgeschnitten im NordenRussland und China fordern im UN-Sicherheitsrat ein sofortiges Ende des Irak-Krieges. An der Nordfront bringen US-Truppen und Milizen der Patriotischen Union Kurdistans (PUK) die Verbindungsstraße zwischen Kirkuk und Bagdad nahe Tuz Kurmatu unter ihre Kontrolle. Damit ist ein Drittel der irakischen Armee an der Nordfront isoliert und ohne Zugang nach Bagdad. Saddams Informationsminister Said el Sahhaf droht den US-Truppen am Flughafen von Bagdad mit “nicht-konventionellen” Angriffen. Samstag, 5. April - Saddams letztes AufgebotErste Marineinfanteristen dringen in die östlichen Wohnbezirke von Bagdad vor. Das irakische Fernsehen spricht von einer “heroischen Verteidigungsschlacht”, die in diesem Augenblick begonnen habe und siegreich enden werde. Kerbala und auch Falludscha sind bis auf einzelne Stellungen der Republikanischen Garden in den Händen der US-Armee. Sonntag, 6. April - Gerüchte um den FlughafenWie aus dem täglichen Briefing des US-Oberkommandos hervorgeht, ist Bagdad vollständig eingeschlossen und zur Kapitulation aufgefordert worden. Es gibt vereinzelt Straßenkämpfe, aber ohne erkennbare militärische Führung. Es kursieren Gerüchte, die Republikanische Garde habe den Flughafen zurückerobert - dann aber zeigt CNN Bilder von US-Kontrollen an Zufahrtsstraßen zum Airport und von verwaisten Abfertigungsschaltern. Montag, 7. April - Saddam ist untergetauchtUS-Marines dringen in Paläste Saddams ein - der Diktator und mit ihm die gesamte Regierung scheinen untergetaucht zu sein. Der deutsche Journalist Christian Liebig kommt bei den Gefechten in Bagdad ums Leben. Kämpfe gibt es noch um die Ölstadt Kirkuk und Mosul im Norden. Dienstag, 8. April - Granate auf das “Palestine”Durch US-Beschuss wird am frühen Morgen ein Reporter des arabischen Fernsehkanals al Dschasira in Bagdad getötet. Vier Stunden später sterben zwei Kameramänner im 15. Stock des Hotels Palestine, als eine amerikanische Panzergranate einschlägt - Mitarbeiter von Reuters und des spanischen Senders Tele 5. Die Station France 3 hat ein Team im Nachbarraum von Reuters und filmt den US-Panzer auf der Jumhuriya-Brücke, als er die Salve abfeuert, obwohl bekannt ist, dass im Palestine über 200 ausländische Korrespondenten arbeiten. Mittwoch, 9. April - Bagdad ist gefallenZur Entscheidungsschlacht um die Hauptstadt kommt es nicht mehr - am Nachmittag dieses Tages kontrollieren die Amerikaner alle Stadtbezirke. Ein US-Panzer reißt in der Innenstadt eine Saddam-Statue vom Sockel. Es gibt Plünderungen, besonders im Nationalmuseum werden unersetzliche Kunstschätze geraubt oder zerstört, ohne dass die siegreichen Amerikaner eingreifen. Quelle: FREITAG. Die Ost-West-Wochenzeitung 10 vom 07.03.2008. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Konrad Ege und des Verlags. Veröffentlicht amArtikel ausdruckenWeitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von |
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