Opposition gegen die WiederbewaffnungDie Friedensbewegung in der Bundesrepublik Deutschland von 1945 - 1982 (Teil I der Serie)
Uli Jäger/Michael Schmid
(Kurzfassung) Nach 1945 wurde von den alliierten Siegermächten zunächst eine Entmilitarisierung Deutschlands betrieben. Diese Politik wurde entsprechend von vielen deutschen Politikern mitgetragen. Charakteristisch für diese Haltung ist der inzwischen berührt gewordene Satz von F.J. Strauß: "Wer noch einmal ein Gewehr in die Hand nehmen will, dem soll die Hand abfallen." Doch schon bald plädierten führende Politiker der westlichen Alliierten mit der Forderung nach einer "Politik der Stärke" gegenüber der Sowjetunion auch für die Schaffung einer westdeutschen Armee und deren Integration in ein westliches Militärbündnis. Diese offen geäußerten Ansichten stießen bei angesehenen westdeutschen Politikern nicht etwa auf Ablehnung, sondern schienen deren Wünschen entgegenzukommen - trotz anderslautenden öffentlichen Erklärungen. So stellte Konrad Adenauer, der im September 1949 zum ersten deutschen Bundeskanzler gewählt wurde, noch im Dezember 1945 auf Fragen nach einer potentiellen Wiederbewaffnung fest "Ich habe zu dieser Frage keine Auffassung. Ich kann Ihnen auch meine Meinung darüber nicht sagen. Ich denke über dieses Problem überhaupt nicht nach"zit. U. Albrecht: Die Wiederaufrüstung der Bundesrepublik. Köln, 1980, S. 84, so erklärte er bereits am 17.8. 1950 in einem Interview mit der "New York Times" definitiv: "Wir müssen die Notwendigkeit der Schaffung einer starken deutschen Verteidigungskraft erkennen" zit. N. Tönnies: Der Weg zu den Waffen. Köln 1957, S.52. Ein "Sicherheitsmemorandum" mit dieser Zielsetzung, das im selben Monat an den amerikanischen Hohen Kommissar überreicht wurde, veranlasste den damaligen Innenminister Gustav Heinemann zum Rücktritt. Gleichzeitig wurde die Auseinandersetzung zwischen Vertretern der Regierungspolitik und der Staatsorgane auf der einen und den Gegnern einer Wiederbewaffnung auf der anderen Seite eröffnet. Als der Widerstand begann, waren die Weichen allerdings schon in einer Richtung gestellt und endeten am 5. Mai 1955 mit der Unterzeichnung der "Pariser Verträge" und dem damit verbundenen Beitritt in die 1949 gegründete NATO. Die Ablehnung der Wiederbewaffnung geschah aus sehr unterschiedlichen Motiven. Als spontane Reaktion großer Bevölkerungsteile auf die Pläne der Bundesregierung entstand zu Beginn der fünfziger Jahre die unorganisierte "Ohne-mich"-Bewegung, in der sich viele, auch gegensätzliche Positionen als Unmutsäußerungen wiederfanden: ethisch-moralische waren dabei ebenso zu finden wie verletztes Ehrgefühl über die "Niederlage" und Misstrauen gegenüber den Siegermächten. Einheitliche Ziele gab es nicht und so zerfiel diese "Bewegung" sehr bald im Rückzug der einen und einem zielgerichteten politischen Widerstand der anderen Teile. Von Anfang an erwies sich die starke anti-kommunistische Propaganda der Bundesregierung, die in dem 1950 begonnenen Korea-Krieg willkommene Nahrung fand, als ein großer Widersacher der Wiederbewaffnungsgegner. Fast jede Demonstration, jeder Zusammenschluss und jede Äußerung wurde durch den "Geruch" der kommunistischen Unterwanderung diffamiert und abqualifiziert. Besonders traf dies die Bewegung für eine Volksbefragung, die in der KPD einen Hauptträger hatte aber auch stark von bürgerlichen Vertretern und Organisationen unterstützt wurde. "Sind Sie gegen die Remilitarisierung Deutschlands und für den Abschluss eines Friedensvertrages mit Deutschland im Jahre 1951"zit. H.K. Rupp: Außerparlamentarische Opposition in der Ära Adenauer. Köln 1980 5.52 lautete die Frage, auf die z.B. in Rheinland-Pfalz innerhalb von drei Tagen 32000 Ja-Stimmen gesammelt wurden. Doch schnell wurde vom Bundesinnenministerium ein Verbot ausgesprochen ("wegen Verfassungsfeindlichkeit"), welches auch von der SPD und dem DGB-Bundvorstand gefordert und unterstützt wurde. Trotz dieses Verbotes und 8781 gezählten Polizeieinsätzen in den kommenden Wochen wurden ungefähr 6 Millionen Ja-Stimmen abgegeben. In den Fabriken wurde die Wiederbewaffnungsproblematik von vielen Belegschaften aktiv diskutiert und ihre ablehnenden Meinungen schlugen sich in Abstimmungen deutlich nieder (z.B. stimmten bei Krupp in Essen 11921 von 12308 Arbeitern gegen die Wiederbewaffnung). Dass die ablehnende Haltung eines Großteils der Arbeiter nicht zu einem einheitlichen und effektivem Widerstand führte, lag vor allem an der Haltung des DGB, der es in der Ablehnung der Wiederbewaffnung bei verbalen Äußerungen beließ und die Frage des Streikes nicht offen diskutierte. Die "bürgerliche" Opposition hatte zu den Aktionen in den Betrieben und der KPD keinen Kontakt und mühte sich trotzdem vergeblich, der antikommunistischen Propaganda zu entgehen. Heinemanns Rücktritt und ein deutlicher Brief des hessischen Kirchenführers Martin Niemöller an Adenauer stieß auch in der ev. Kirche die Diskussion an. Wurde von der offiziellen Amtskirche der Widerstand nicht unterstützt, so fanden sich unabhängig viele Christen und Pazifisten in dem Willen zusammen, eine starke Opposition zu bilden. Der inhaltliche Schwerpunkt lag vor allem in der Sorge, durch eine Wiederbewaffnung der friedlichen Wiedervereinigung einen Riegel vorzuschieben. Dies traf sowohl für die 1951 von Heinemann und der Zentrumsabgeordneten Helene Wessel mit initiierten "Notgemeinschaft für den Frieden Europas" als auch für die im Dezember 1952 gegründete "Gesamtdeutsche Volkspartei (GVP)" zu, die bei den Wahlen zum Bundestag 1953 nicht über 1,1 Prozent hinauskam. Parallel dazu wurde der staatliche Druck immer stärker. Studentische Kreise ("Darmstädter Aktionsgruppen") sowie verschiedene Jugendorganisationen hatten auf einem Kongress zu einer Friedenskarawane nach Essen aufgerufen. Trotz eines kurzfristigen Verbotes kamen 30.000 Menschen. Bei schweren Auseinandersetzungen mit der Polizei wurde der Arbeiter Phillipp Müller erschossen, andere verletzt, Die SPD beschränkte sich in ihrer oppositionellen Rolle überwiegend auf die parlamentarische Ebene. Wurde vor allem von der Basis die Wiederbewaffnung abgelehnt, so signalisierte der Vorsitzende Schuhmacher unter bestimmten Voraussetzungen die Bereitschaft "wieder Waffen zu tragen"zit. N. Tönnies, a.a.O., S. 56. Taktische Überlegungen standen bei der Diskussion innerhalb der SPD im Vordergrund und so kam es zunächst zu keinen großen, außerparlamentarischen Aktionen. Gemeinsam mit dem DGB fand allerdings kurz vor der Verabschiedung der Pariser Verträge im Januar 1955 eine große Veranstaltung in der Frankfurter Paulskirche statt, bei der das sog. "Deutsche Manifest" verabschiedet wurde. Es drückte vor allem die Sorge um die Wiedervereinigung aus. Die sich anschließenden Kundgebungen blieben bei der Abstimmung im Bundestag über die Verträge (die SPD stimmte dagegen) ohne Wirkung. Die Gründe für das Scheitern der Opposition gegen die Wiederbewaffnung hatte mehrere Wurzeln: Für die meisten Bundesbürger standen Wiederaufbau und das eintretende "Wirtschaftswunder" im Vordergrund. Diese Tatsache und ein tiefsitzender Antikommunismus - der durch entsprechende Propaganda der Bundesregierung und anderer Staatstragender Organisationen noch verstärkt wurde - rückte für eine Mehrheit die Wiederbewaffnungsdiskussion in den Hintergrund. Angesichts dieser Bedingungen hätte nur ein einheitliches Vorgehen der oppositionellen Kräfte die Chancen auf eine Verhinderung der Wiederbewaffnung vermehrt. Die unterschiedlichen Motivationen und Interessen sowie die Zurückhaltung von SPD, DGB und der Kirchen machten dies aber unmöglich.
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Die Kampagne "Kampf dem Atomtod"
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