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Islam-Debatte: Grobianische Verleugnung

Kritiker wie die Sozialwissenschaftlerin Necla Kelek gehen darüber hinweg, dass Religionen und gläubige Menschen existieren

Rudolf Walther

Die 2006 eingerichtete “Deutsche Islamkonferenz” hat sich auf einen steinigen Weg begeben. Den 15 deutschen Parteipolitikern sitzen fünf Vertreter muslimischer Verbände und zehn muslimische Privatpersonen gegenüber. Das lässt Fragen der demokratischen Legitimation und Repräsentanz aufkommen. Schnelle und spektakuläre Ergebnisse sind von dem Dialog nicht zu erwarten, immerhin gelang eine Vereinbarung zur Einführung des islamischen Religionsunterrichts.

Konterkariert werden die Bemühungen von drei Seiten. Baden-Württembergs Verwaltungsgerichtshof entschied in zweiter Instanz, dass eine Lehrerin, die seit 1995 mit einem Kopftuch unterrichtet, dies in Zukunft nicht mehr tun darf, da sie damit “den religiösen Schulfrieden” bedrohe. Die Richter wiesen auf den “Gefährdungstatbestand” hin, der vom Kopftuch ausgehe und wollten im gleichen Atemzug glaubhaft machen, es liege keine “Ungleichbehandlung” vor, wenn katholische Nonnen in vollem Habit unterrichten dürften.

Die Kehrseite des Mannheimer Urteils, das christliche Schulen und ideologisches Abendländertum mit dem Kopftuchverbot verteidigt, ist der laizistische Fundamentalismus des türkischen Generalstaatsanwalts Abdurrhman Yalçinkaya. Der möchte die Regierung in Ankara anklagen und die Regierungspartei AKP gleich verbieten, weil sie das Kopftuchverbot an Universitäten kürzlich aufgehoben hat.

Das Mannheimer Urteil wie das Vorgehen des türkischen Generalstaatsanwalts sind Rückzugsgefechte. Gefährlicher ist die Agitation der “Islamkritiker”. Religionskritik, mit der Marx zufolge jede Sozial- und Gesellschaftskritik einsetzte, war einst eine durchaus ernstzunehmende Sparte. Sie ist heute verkommen zu einer grobianischen Verleugnung der Tatsache, dass Religionen und religiöse Menschen existieren.

Durchsichtig und plump ist der Versuch von Necla Kelek, “Gewalt gegen Frauen” zu einem exklusiv “islamischen Problem” zu erklären, so als ob es nicht jede Menge christlicher oder areligiöser Männer gäbe, die Frauen schlagen. Die berufsmäßige Islamkritikerin verwechselt in ihrem Eifer alles mit allem. Das beginnt schon mit ihrer Selbstbezeichnung als “säkulare Muslimin”. Was soll das sein? Eine Muslimin ohne Religion oder eine protestantische Muslimin? Kelek steigert die Konfusion noch, wenn sie “uns Säkulare” den “Religiösen” gegenüberstellt, womit die “säkulare Muslimin” im Handstreich zur Religionslosen wird. Dazu passt, dass sie zwar für sich und nur für sich spricht, aber beansprucht, “stellvertretend für die nichtorganisierten Muslime in diesem Land” aufzutreten.

Einige werden darüber nicht erfreut sein. Etwa jene, die noch unterscheiden können zwischen der Rechtsordnung und der diffusen “Werteordnung Deutschlands”, wozu neben diversen Religionen jede Menge “Werte” gehören - von jenen im Komment schlagender Verbindungen bis zu jenen in der Satzung von Schäferhundvereinen. Natürlich beruht die Rechtsordnung des Grundgesetzes auch auf Werten, aber die Rede von der “Bundesrepublik und ihrer Werteordnung” und der Teilhabe “an den Werten Deutschlands” verrät nur gesinnungsstarke Ahnungslosigkeit von deren chaotischen Vielfalt.

Ins gleiche Ressort passt die Behauptung: “Wir leben in einem säkularen Gemeinwesen, das Staat und Religion trennt.” Wie sehr da “getrennt” wird, zeigt das Mannheimer Urteil, aber auch die Tatsache, dass der deutsche Staat den christlichen Kirchen die Steuern eintreibt. Moscheen hält Kelek für den “Ausgangspunkt einer Selbstausgrenzung”. Und was sind christliche Kirchen, Klöster und Synagogen? Für die Islamkritikerin stehen die muslimischen Religionsvereine im Widerspruch zu “unserem Verständnis von der Souveränität unseres Landes”.

Mit einem Schlachtruf in der gleichen Preislage eröffnete Bismarck 1871 den Kulturkampf gegen den Katholizismus beziehungsweise die Zentrumspartei. Außer einer lange dauernden Vergiftung des politischen Klimas erreichte er damit nichts.

Quelle: FREITAG. Die Ost-West-Wochenzeitung   13 vom 28.03.2008. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Rudolf Walther und des Verlags.

Veröffentlicht am

01. April 2008

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