AFRICOM: Amerikas Afrika-Zentrale liegt in StuttgartDie Vereinigten Staaten wollen von Deutschland aus den schwarzen Kontinent mit Ordnung und Sicherheit versorgenVon Heimo Claasen Allein aus dem Golf von Guinea bezogen die USA 2007 15 Prozent ihrer Ölimporte. Soviel wie aus Saudi-Arabien. Zu einem verstärkten Engagement in Afrika wird die US-Regierung jedoch nicht allein durch strategische Rohstoffe motiviert. Es sollen ein Markt gesichert und ein vordringender Islam aufgehalten werden. Ab Herbst wird es für all das einen operativen Koordinator geben - und der sitzt nicht in Washington. Als im Vorjahr Zeitungen im südlichen Afrika darüber spekulierten, ob die US-Regierung wohl mit Botswana darüber verhandelt, wo das geplante Hauptquartier für ihr neues Afrika-Kommando (AFRICOM) angesiedelt werden könnte, herrschte Alarmstimmung. Simbabwes Präsident Robert Mugabe brachte sogleich den Staatenbund der Southern African Development Community (SADC)Zur SADC gehören: Angola, Botswana, Kongo (Kinshasa), Lesotho, Malawi, Mauritius, Mocambik, Namibia, Sambia, die Seychellen, Simbabwe, Südafrika, Swasiland, Tansania. hinter sich mit einer resoluten Attacke gegen “Versuche zur Rekolonisierung”. Er bekam unverzüglich Flankenschutz von Südafrikas Außenminister Lekota, der sich weit aus dem Fenster lehnte: Afrika wolle keine fremden Truppen auf seinem Boden. Botswana sah sich zu einem heftigen Dementi genötigt - immerhin hatte dort eine frühere US-Regierung vor 30 Jahren bereits eine strategische Landebahn auf dem platten Land angelegt, die bis heute gepflegt und erhalten wird. Aber das Hauptquartier von AFRICOM? Auf keinen Fall hieß es aus der Hauptstadt Gaborone! Eher irritierend als klärend, denn angesichts der tatsächlichen US-Präsenz im südlichen Afrika, im Maghreb-Gürtel und an der Westküste des schwarzen Kontinents erschien die brüske Abweisung von AFRICOM als rhetorische Finte. Oder einfach nur absurd. Aus der Erbmasse des abgehalfterten Donald RumsfeldZwar bleibt die AFRICOM-Zentrale wie vorgesehen in Stuttgart. Ungeachtet dessen haben sich State Department und Pentagon heftig bemüht, Südafrika, Botswana, Namibia, Angola und andere davon zu überzeugen, dass mit AFRICOM keineswegs eine riesige Militärbasis oder -struktur gemeint sei, sondern eine kleine, geradezu zivile Stabseinheit. Wenn AFRICOM im Oktober im Stuttgarter Domizil den vollständigen Dienstbetrieb einläutet, sollen kaum mehr als 100 Militärs unter General William Ward, dem designierten AFRICOM-Befehlshaber, beteiligt sein. Das Vorhaben beansprucht auch fürs US-Militär einen gewissen Neuwert, geht es doch um eine integrierte Befehls- und Koordinationsstelle für alle militärischen wie zivilen Projekte der USA in Afrika. AFRICOM soll “vor Ort” und “dezentral” handeln: Der Auftrag reicht vom Kontakt mit (noch zu bildenden) Regionaleinheiten der Afrikanischen Union (AU, s. Kasten unten), über die Polizei-Ausbildung für den Anti-Terror-Kampf bis hin zu humanitären Einsätzen der Hilfsorganisation USAID. Ein Projekt aus der Erbmasse des abgehalfterten Verteidigungsministers Donald Rumsfeld für eine “ganz neue Sicherheitsarchitektur” in Afrika, wie sie augenblicklich auch für Asien und den Nahen Osten entworfen wird. Im Stuttgarter AFRICOM-Hauptquartier jedenfalls werden Befehls- und Nachrichtenstränge zusammenlaufen und Auskunft geben über - zum Beispiel - die innere Sicherheit in Mauretanien oder Liberia oder potenzielle Einsatzgebiete eines mobilen US-Afrikakorps von demnächst 25.000 Mann, das AFRICOM zugeteilt wird, aber auch über nötige Hilfsaktionen bei Naturkatastrophen oder Epidemien. Wo die dafür nötigen afrikanischen Knotenpunkte liegen, ist bekannt: Es gibt in Dschibuti am Horn von Afrika und im algerischen Tamanrasset Basen der US-Air-Force. Die US-Navy läuft regelmäßig das kenianische Mombasa an. Vertraglich gesicherte Zugänge gibt es für Flugplätze und Häfen in den Maghreb-Ländern, dazu im Senegal und in Gabun sowie in Namibia und Sambia. Mitten im Kongo soll die altgediente Piste von Kamina wieder in Dienst genommen werden, von der aus Anfang der sechziger Jahre französische Fallschirmjäger die Schatzkammern des Katanga-Kupfers vor dem “Ansturm des Kommunismus” retteten und danach der US-Geheimdienst CIA die marodierende UNITA-Guerilla des Jonas Savimbi in Angola versorgte. Mit fast sämtlichen Anliegerstaaten am Golf von Guinea - längst gehört auch Angola, als einer der wichtigen Öl-Lieferanten Nordamerikas dazu - unterhält die US-Flotte “Partnerschaftsprogramme zur Sicherheit von Häfen und Bohrinseln”. Und in einer Transsahara-Allianz sind alle Maghreb-Staaten (inzwischen sogar Libyen) sowie die westlichen und südlichen Anrainer der großen Wüste mit den US-Streitkräften “zur Bekämpfung des Terrorismus” vereint. Am Horn von Afrika kümmert sich eine Kombinierte Task Force von der Basis in Dschibuti aus um Äthiopien, Somalia und Eritrea. Der Einmarsch der Äthiopier in Mogadischu vor gut einem Jahr - unterstützt von US-Logistik und Aufklärung - hat demonstriert, wie leistungsfähig das System sein kann. Bis heute wird gelegentlich mit Marschflugkörpern vom einem US-Stützpunkt in Kenia aus zugeschlagen, seit sich al Qaida im Süden Somalias zu etablieren sucht. All diese Fäden laufen ab Herbst im bescheidenen Stuttgarter AFRICOM-Hauptquartier zusammen. Daran ziehen werden besonders gern die Vordenker der Heritage Foundation und des American Enterprise Institute, in dem Rumsfeld ehemaliger Stellvertreter Paul Wolfowitz wieder eine Aufgabe fand. Das Konzept einer “dezentralen” Sicherheitspolitik für Afrika geht auf ihn zurück - es bindet nicht nur die bislang geografisch aufgeteilten Zuständigkeiten der Army an einen Befehlsstrang, sondern bezieht auch den gesamten Fächer des zivilen Engagements von US-Regierung und Nichtregierungsorganisationen (NGO) ein, sofern die vollends oder teilweise aus dem US-Haushalt finanziert werden. Das Konzept sieht auch vor, sechs regionale Befehlsstellen in Afrika selbst zu installieren, die den Kontakt zum Staatenbund der Afrikanischen Union halten. Zumindest diese, vergleichsweise kleinen Brückenköpfe in Afrika werden neu sein, installiert neben und außerhalb vorhandener US-Botschaften und mit Militärs besetzt. US-Hilfsorganisationen sind alarmiert und laufen SturmWie gesagt, auch die gesamte “zivil-militärische Kooperation” soll der AFRICOM-Strategie einverleibt sein, von US-Programmen zur Bekämpfung des HI-Virus bis hin zur “Kapazitätsbildung” in den öffentlichen Verwaltungen. Denn - so Paul Wolfowitz und General William Ward fast wortgleich - es gehe darum, Konflikten vorzubeugen und schwache Staaten in die Lage zu versetzen, “selbst mehr Stabilität zu produzieren”. Der zivile Part des AFRICOM-Konzepts hat freilich die Lobby der US-Hilfsorganiationen über Gebühr alarmiert. Viele fürchten, damit automatisch Bedingungen zu unterliegen, über die allein die Administration in Washington entscheidet. Ein Beispiel dafür ist schon jetzt die auf Afrika gemünzte Gesundheitsversorgung, wo die aus öffentlichen Geldern über USAID geförderten NGOs nur von der US-Regierung “zugelassene” Medikamente verwenden dürfen: Keine indischen Generika für AIDS-Kranke, nur das teure Angebot amerikanischer Pharma-Konzerne, solange das dafür bewilligte Geld reicht. Und für Schwangerschaftsunterbrechungen kommen US-Haushaltsmittel schon gar nicht in Betracht. Die Hilfsorganisationen prophezeien mehr Gängelung, wenn nicht gar eine Militarisierung der nichtstaatlichen Entwicklungshilfe. Mit einem Vortrag vor dem US-Kongress in der Woche vor Ostern versuchte General Ward zu beschwichtigen - AFRICOM wolle niemanden bevormunden, sondern habe vornehmlich die Aufgabe, afrikanischen Militärs beizustehen, damit die ihre “Aufgaben zur Wahrung des Friedens auf fähige Weise wahrnehmen” (s. auch Seite 10) könnten.
Quelle: FREITAG. Die Ost-West-Wochenzeitung 15 vom 11.04.2008. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlags. FußnotenVeröffentlicht amArtikel ausdruckenWeitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von |
|