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Irans Fuß in der Tür

Von Karl Grobe

Der irakische Prediger und Volkstribun Muktada al-Sadr hat Verständnis für Deserteure. Er setzt sich auch für sie ein. Die Tausendschaft Soldaten und Polizisten, die Ende März den Waffendienst gegen die Milizen in Basra und anderen südirakischen Städten verweigert haben, sollen umgehend wieder in den Dienst aufgenommen werden, verlangt er jetzt. Die Forderung ist ein Affront gegen Ministerpräsident Nuri al-Maliki, die gesamte Regierung, die übrigen schiitischen Parteien und die beiden anglo-amerikanischen Besatzungsmächte.

Die 1300 Uniformierten gehörten augenscheinlich zu Muktadas Klientel. Im Bagdader Viertel Sadr City, wo seine Basis sitzt, sind unterdessen US-Truppen und regierungsloyale Iraker zu Razzien und Säuberungsfeldzügen unterwegs. Grund genug für Muktadas Mahdi-Armee, nicht in Basra auf Regierungsseite zu kämpfen, sondern gegen sie. Den letzten bewaffneten Konflikt hatte die Mahdi-Armee durch geordneten Rückzug beendet, eher siegend denn besiegt - und unter makelnder Mithilfe Irans.

Der Kampf in Basra, das die britische Invasionstruppe längst der irakischen Regierung übergeben hat, zwischen verschiedenen Gruppen und Banden ist nur ein Teil der Kämpfe in einem Viel-Fronten-Gemetzel. Die USA haben mehr mit sunnitischen und laizistischen Aufstandsbewegungen zu tun, die ihrerseits versuchen, die nicht irakischen Terror-Touristen, die angebliche El Kaida, aus dem Land zu jagen. Aber auch mit schiitischen Nationalisten.

Der Kampf zwischen sunnitischen und schiitischen Gruppen beunruhigt die Außenwelt ebenfalls. Die sich aufschaukelnden Konflikte zwischen Kurden, Turkmenen und Arabern im Norden dagegen entgehen meist der Aufmerksamkeit. Die türkischen Einmärsche ins irakische Kurdistan stellen aber ein große Gefahrenpotenzial dar: für die schwache Bagdader Regierung handelt es sich um Verletzung der staatlichen Souveränität, für die kurdischen Parteien und Milizen um eine Existenzfrage, die mit jener der Kurden in der Türkei und im Iran unauflösbar verknüpft ist.

Der Iran hat in allen Konflikten wenigstens einen Fuß in der Tür. Der kurdische Politiker (und irakische Präsident) Dschalal Talabani unterhält gute Beziehungen nach Teheran; kurdische Politiker können es sich ohnehin wegen der türkischen Invasionen nicht erlauben, sich auch noch mit den maßgebenden Politikern in Teheran anzulegen. Deutlicher ist der iranische Einfluss auf die schiitischen Strömungen.

Ein wichtiger Teil der irakischen Streitkräfte sind die Badr-Brigaden, schon vor dem Sturz des Saddam-Regimes der bewaffnete Arm einer Exilbewegung. Die hieß damals Oberster Rat der irakischen islamischen Revolution, ist heute umgetauft und gehört zur schiitischen Allianz, die in Bagdad regiert. Die Dawa-Partei, die Organisation Malikis, hat seit ihrem Zwangsexil ebenfalls exzellente Iran-Kontakte.

Keine dieser Strömungen, Gruppen und Parteien lässt sich von irgendeiner Interessenclique in Teheran fernsteuern. Im Zweifelsfall aber lässt sich jede beraten und unterstützen; und dass kaum eine im Fall eines Konflikts zwischen den USA und dem Iran für Washington optieren würde, ist wohl sicher. Kurz, der Iran ist die Seite, die im großen Spiel um den Irak, sein Volk und Öl, am leichtesten gewinnt.

Quelle: Frankfurter Rundschau   vom 19.04.2008. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Karl Grobe.

Veröffentlicht am

20. April 2008

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