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Rufe nach einer Atomwaffenkonvention aus dem Atomschutzbunker

Von Inga Blum und Julia Kramer

Genf - Es war keine UNO-Simulation wie die viele anderen. Parallel zur NPT-PrepCom, den Verhandlungen zum Atomwaffensperrvertrag in Genf, bereiteten internationale SchülerInnen und StudentInnen letzte Woche ein Planspiel für Verhandlungen über eine Nuklearwaffenkonvention vor. Sie lebten in einem Atomschutzbunker in der Nähe der UNO. Die über 80 jungen Menschen waren für die PrepCom akkreditiert und beobachteten die Staatsvertreter bei ihren Debatten und trafen sich mit den Diplomaten der Länder, deren Positionen sie im Planspiel simulierten.

Gleichzeitig organisierten sie Workshops, kreative Aktionen und eine Jugendrede, in der sie die offizielle Konferenz bei der UNO zu einem Paradigmenwechsel in der Sicherheitspolitik und zu nuklearer Abrüstung aufforderten.

Von Anfang bis Ende war es eine intensive Lernerfahrung für die teilnehmenden jungen Menschen des europäischen Jugendnetzwerk BANg, der Universitäten von Darmstadt und Hamburg, und die internationalen StudentInnen der IPPNW (International Physicians for the Prevention of Nuclear War): In einen der Atomschutzbunker Genfs einzuziehen, die als billige Unterkünfte vermietet werden, rief bei Vielen Bilder der Auswirkungen von Atomwaffen und der Absurdität der damit verbundenen Kosten hervor. Die Teilnahme an den laufenden Verhandlungen bei der UN, und die möglichst realistische Simulation von Verhandlungen zu einer Atomwaffenkonvention am Ende des Aufenthalts machte allen deutlich, welche Hürden auf dem Weg zu einer atomwaffenfreien Welt zu bewältigen sind.

36 der SchülerInnen und Studierenden hatten sich im Vorfeld per Internet in 13 Länderdelegationen aufgeteilt. Bei ihrer Ankunft in Genf sahen sie sich folgendem fiktiven Szenario gegenüber, welches die Dringlichkeit einer Atomwaffenkonvention verstärken sollte: Die 22 Staaten der Arabischen Liga treten aus dem Atomwaffensperrvertrag aus, nachdem Israel offiziell bestätigt hat, ein Atomwaffenprogramm zu besitzen. Um die unmittelbare Gefahr der Weiterverbreitung von Atomwaffen zu diskutieren, setzt die Genfer Abrüstungskonferenz für den 3.Mai eine Konferenz an. Ziel ist es, sich im Rahmen einer Atomwaffenkonvention auf praktischer Schritte und einen konkreten Zeitrahmen zur universellen atomaren Abrüstung zu einigen, um die Krise zu überwinden.

Diplomaten wünschen sich Druck der Jugend

Um sich auf die Simulation vorzubereiten verfolgten die Teilnehmenden die echten Verhandlungen der Konferenz bei der UNO und arbeiteten sich in die Position des Landes ein, das sie repräsentieren sollten. Als Höhepunkt hatten fast alle der 13 Delegationen die Möglichkeit, ein Gespräch mit der "echten" Delegation zu führen. Die Diplomaten freuten sich über das Interesse der Studierenden und halfen ihnen, ihre Position so realistisch wie möglich umzusetzen. Obwohl zu Beginn die meisten Diplomaten das Szenario der Simulation und die Wahrscheinlichkeit von Verhandlungen zu einer Atomwaffenkonvention als unwahrscheinlich bezeichneten, diskutierten sie engagiert die möglichen Reaktionen ihres Landes auf ein solches Szenario und die Haltung des Landes zu einer Atomwaffenkonvention. Auffallend war, dass viele Diplomaten im Anschluss betonten, für wie wichtig sie solche Treffen hielten. Die deutsche Delegation entschuldigte sich sogar in der offiziellen Verhandlung dafür, nicht vollständig anwesend zu sein, da einige Delegationsmitglieder ein wichtiges Treffen mit Studierenden hätten. Sie sagten, dass Delegierte den Druck der Jugend bräuchten, um die globale Sicherheit zu verbessern.

An den Abenden wurden im Atomschutzbunker Allianzen geschmiedet, Strategien diskutiert und zahlreiche Positionspapiere und Working Papers entworfen. Am Tag der Konferenz-Simulation hatten die Teilnehmenden perfekt den Stil der richtigen Diplomaten angenommen, von der formalen Kleidung bis hin zur diplomatischen Redeweise. Prof. Tilman Ruff, Mitglied der offiziellen australischen Delegation bei der UN, und Xanthe Hall von IPPNW Deutschland verkörperten sehr überzeugend die Vorsitzenden der Konferenz-Simulation.

Realistisches und hoffnungsvolles Simulationsergebnis

Wegen des eingeschränkten Zeitrahmens von nur einem Tag konnte nur der erste Artikel der Atomwaffenkonvention verhandelt und verabschiedet werden. Obwohl die Klausel, Atomwaffen nicht einzusetzen, durch eine Klausel ersetzt wurde, die lediglich den atomaren Erstschlag verbietet, beurteilten die Simulations-Delegationen das Ergebnis dennoch als Erfolg: Sowohl die Teilnehmenden der iranischen als auch der israelischen Delegation kommentierten anschließend, das Ergebnis sei ein erster wichtiger Schritt hin zu Vertrauen und Frieden im Mittleren Osten, sowie ein Grundstein für weitere Verhandlungen zu einer Atomwaffenkonvention.

Da die meisten echten Atomwaffenstaaten bis heute keine Politik des "Verzichts auf den Ersteinsatz" verabschiedet haben, wäre ein solches Ergebnis tatsächlich ein Fortschritt. Die Simulation zeigte jedoch auch, dass einige Atomwaffenstaaten voraussichtlich nicht unmittelbar bereit wären, ihre Atomwaffen als Abschreckungsmittel aufzugeben.

Ein Zeichen der Hoffnung ist in jedem Fall das eindrückliche Engagement der SchülerInnen und Studierenden, sich die Zeit zu nehmen für die Simulation nach Genf zu kommen und sich intensiv auf ihre Rollen vorzubereiten. Sowohl die Teilnehmenden als auch die Haupt-Organisatorinnen der Simulation, Stephanie Petrasch, TU Darmstadt, und Regina Hagen, INESAP, beobachteten einen immensen Lerneffekt durch das Annehmen der Rolle eines Diplomaten in einer Verhandlungssituation. Die positive Rückmeldung vieler offizieller Diplomaten war ermutigend, und es gibt bereits Pläne, die Modell-Verhandlungen zu wiederholen oder fortzuführen

Jugendrede fordert Paradigmenwechsel der Sicherheitspolitik

Dennoch: Auf die Frage ob eine atomwaffenfreie Welt möglich sei, stimmten viele der jungen Menschen der Aussage von Ka-Man Kong, einer 20jährigen Studentin aus Hongkong, zu: "Eine atomwaffenfreie Welt ist möglich, aber nur nach einem langen Prozess. Auf jeden Fall wäre eine Grundvoraussetzung, dass die Wurzeln des Problems angegangen werden: Nicht mehr nur mit dem Finger auf andere zu zeigen, Vertrauensbildung, und mehr Dialog und ehrliche Kommunikation." Die Jugendlichen formulierten ihre Forderung nach einem solchen Paradigmenwechsel der Sicherheitspolitik in einer Jugendrede an das Plenum der offiziellen Verhandlungen bei der UNO. Zusammen mit Giorgio Alba aus Italien verlas Ka-Man die Rede vor der Konferenz, die mit den Worten endete: "Bewegen Sie Ihre Herzen und handeln Sie!"

Dadurch, dass sie sich selbst organisierten - die Jugend- und Studierendendelegation wurde koordiniert von den drei deutschen Schülerinnen und BANg-Koordinatorinnen Nina Eisenhardt, 17, Hannah Buchter, 17, und Barbara Streibl,18 - zeigen die jungen Menschen, dass es selbst ohne Machtposition oder Expertenwissen möglich ist, sich effektiv für eine friedlichere und atomwaffenfreie Welt einzusetzen und gehört zu werden. In bunten Straßenaktionen vor der UNO und in der Genfer Innenstadt forderten sie eine atomwaffenfreie Welt für ihre Zukunft und informierten sie die Passanten über das Thema Atomwaffen. Auf diese Weise setzten sie das um, was die deutsche Delegation während der Verhandlungen ausgedrückt hatte: Dass die Delegierten den Druck der Jugend brauchen, um die globale Sicherheit zu verbessern.

Nun liegt es an den Politikern und Delegierten, den Ruf aus dem Atombunker umzusetzen, die Hürden der Diplomatie zu überwinden und jetzt die Verhandlungen zu einer Atomwaffenkonvention zu beginnen - damit die Atomschutzbunker dieser Welt überflüssig bleiben, oder höchstens als Unterkünfte für interkulturelle Jugendtreffen dienen.

Der offizielle, wenn auch noch nicht verhandelte, UN-Entwurf einer Atomwaffenkonvention findet sich auf: www.inesap.org/books/securing_our_survival.htm .

Die Website des BANg Jugendnetzwerk, inkl. Genf-Seite mit Fotogalerie: www.BANg-europe.org .

Veröffentlicht am

08. Mai 2008

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