Abheben und AufsteigenÖlpreisexplosion? Klimawandel? Während anderswo die Krise ausgerufen wird, boomt weltweit die Business-Fliegerei
Norbert Marx ist bestens gelaunt. Der Ölpreis steigt. Doch die Energiekrise findet andernorts statt. Nicht in Basel und nicht bei Norbert Marx. “Je höher der Ölpreis, desto mehr Geld wird in die Kassen unserer Kunden gespült”, sagt Marx, der General-Manager von Jet Aviation in Basel, dem weltweit führenden Unternehmen beim Innenausbau von VIP-Privatflugzeugen. “Unsere Kunden, das sind Superreiche aus dem Mittleren Osten, Russland und Asien, die sich ihre Privatjets in Basel standesgemäß ausstatten lassen. Unsere Kunden sind ebenso Unternehmen, die international tätig sind und sich von einem Privatjet mehr Ruhe und Flexibilität versprechen.” Das Geschäft laufe besser als je zuvor, sagt der 50-jährige Marx. Während die kommerzielle Luftfahrt wegen der steigenden Treibstoffkosten ihre schwerste Krise seit den Terroranschlägen von 2001 erlebt, streben Firmen wie Jet Aviation zu neuen Rekorden mit über 800 Millionen Euro Umsatz im vergangenen Jahr. Das Schweizer Unternehmen mit Hauptsitz in Zürich und mehr als 20 internationalen Niederlassungen profitiert von der steigenden Nachfrage nach Geschäftsflugzeugen. Derzeit gibt es weltweit etwa 14.000 Privatjets. Doch wer heute ein solches Flugzeug kauft, bekommt es frühestens 2011 komplett ausgeliefert. Der Grund dafür: Es gibt zu wenig Firmen, in denen die teuren Maschinen exklusiv ausgebaut werden. Großes Kino, gestepptes LederDer saudische Prinz Waleed bin Talal bin Abdulaziz al Saud hat kürzlich für 300 Millionen Dollar keinen kleinen Business-Jet erworben, sondern echte Kingsize: den Airbus A 380, das weltgrößte Passagierflugzeug mit Platz für 550 Passagiere. Waleed ist der erste Privatmann, der das Großflugzeug ordert. Dabei ist die Innenausstattung - die Completion - nicht einmal im Preis inbegriffen. Meist kommen noch einmal 50 Prozent des Kaufpreises dazu. Den Innenausbau mit luxuriösen Features übernehmen Firmen wie Lufthansa Technik in Hamburg, das Associated Air Center in Texas oder eben Jet Aviation, das als weltweit führendes Completion-Unternehmen gilt. 1967 gründete Carl W. Hirschmann den Betrieb in Hangars am Basler Flughafen, weil er erkannt hatte, dass steigende Ölpreise immer mehr Geld in den Mittleren Osten spülten. Seither habe man über 150 Luxusjets ausgeliefert, sagt Marx. Noch heute kämen die meisten Klienten aus Ölförderländern, zugleich expandierten andere Kundenkreise. “Manager und Unternehmer aus Russland, China oder Indien, die bereit sind, für ihre Mobilität viel Geld zu zahlen, und für den Luxus noch etwas drauflegen.” Bei Maschinen wie dem Airbus A 320 kostet der Innenausbau zwischen 25 und 35 Millionen Dollar. Für kleine Business-Jets werden zwischen vier und acht Millionen fällig. Und wer sich einen Jumbo-Jet wie etwa die 70 Meter lange Boeing 747 aufmöbeln lässt, muss bis zu 80 Millionen Dollar investieren. Wo der normale Linienpassagier mit den Knien an die Vordersitze stößt, genießt ein VIP Beinfreiheit im schwenkbaren Big-Size-Sessel mit handgestepptem Lederüberzug. Statt kleinen Bildschirmen mit schlechter Auflösung an der Kabinendecke, gibt es großes Kino auf Flachbildschirmen. Gegessen wird nicht von kleinen Plastiktabletts, sondern im eigenen Salon. Es gibt Dusche, Sauna und Schlafräume. Und natürlich sind auch in 8.000 Meter Höhe Gespräche per Videokonferenzen möglich. Was Prinz Waleed in seine doppelstöckige Neuerwerbung einbauen lässt, bleibt vorerst sein Geheimnis. Ebenso unklar ist, wer das Flugzeug ausstatten wird. “Es gibt weltweit nicht sehr viele Agenturen, die den Auftrag für einen A 380 übernehmen können”, orakelt Marx und wippt locker auf der Kante seines schwarzen Ledersessels in seinem Büro am Basel Airport. Den Platz für einen solchen Großauftrag hat Jet Aviation vorsorglich geschaffen: Anfang Mai wurde in Basel ein neuer Hangar in Betrieb genommen: 10.000 Quadratmeter groß ist die Halle, in die gleichzeitig ein Airbus 380, eine Boeing 747 und drei mittelgroße Flugzeuge passen. Es deutet viel darauf hin, dass Prinz Waleed die Schweizer geordert hat. “Alles Spekulation”, wiegelt Marx ab. Man führe lediglich Gespräche. Ein Moskito will stechenKeine tausend Meter Luftlinie von den Firmengebäuden der Jet Aviation entfernt wird derzeit ein Doppelhangar mit einer Grundfläche von 4.200 Quadratmetern hochgezogen. Ab Herbst will dort eine neue Firma mit dem Um- und Ausbau von Geschäftsflugzeugen beginnen: die AMAC Aerospace Switzerland GmbH. “Die Marktnachfrage ist groß”, meint Norbert Marx, “und in solchen Phasen auch die Versuchung, in den Markt einzusteigen. Auch Jet hat vor 41 Jahren klein angefangen und ist groß geworden, andere haben es nicht geschafft.” Nur handelt es sich bei AMAC - der Name steht für Aircraft Maintenance an Completion - nicht um irgendein Startup. In der Basler Innenstadt, im AMAC-Büro, residiert Heinz Köhli, Vorstand der neuen Gesellschaft - und bis vor kurzem noch Vorstandschef der Jet Aviation. Im März 2007 trat er dort nach über 30 Jahren bei dieser Firma zurück, wegen “unterschiedlicher strategischer Auffassungen über die Zukunft des Unternehmens”. “Wir möchten ein Premium-Anbieter sein in der Geschäftsfliegerei bei Ausbau und Wartung wie bei Management und Charter”, beschreibt er das Unternehmensziel von AMAC. Also direkt gegen Jet Aviation? Köhli lehnt sich zurück und lächelt freundlich: “Gegenüber der Konkurrenz bezeichne ich uns als einen Moskito.” Man strebe höchstens einen Jahresumsatz von 130 Millionen Euro an. Erst einmal. Der Moskito könnte auf lange Sicht ein ernsthafter Konkurrent für Jet Aviation werden. Das kleine Startup mit derzeit 30 Mitarbeitern vereine sehr viel Berufserfahrung in der Branche, und was noch wichtiger sei: die geschasste alte Garde der Jet-Aviation, die Kundenkontakte mitbringe. Wer sich bei Mitarbeitern von Jet Aviation umhört, bekommt den Eindruck, dass der Brain Drain zu AMAC für erhebliche Unruhe unter der Belegschaft sorgt, denn AMAC will kräftig aufstocken: zuerst auf 130 und dann - wenn der geplante zweite Hangar mit 9.000 Quadratmetern im Juli 2009 fertig ist - auf 300 Mitarbeiter. Grund für die Abwanderung von Fachkräften und Teilen des Managements sei das Auftreten des neuen Mehrheitseigeners Permira und von dessen neu eingestelltem Führungspersonal, hört man. Permira fahre einen harten Kurs, der nicht zur Unternehmenstradition passe. Jet Aviation sei künstlich aufgeblasen worden, um “die Braut” für den anstehenden Weiterverkauf aufzuhübschen - der stehe angeblich bereits gegen Ende 2008 an. Dass Permira bei Jet-Mitarbeitern mindestens für Skepsis sorgt, wundert kaum: Die Beteiligungsgesellschaft hat zuletzt im Frühjahr die Heuschreckendebatte in Deutschland neu entfacht, als sie bei ProSieben/Sat1 die Ausschüttung einer gewaltigen Dividende trotz katastrophaler Geschäftszahlen und Rekordschulden verlangte. Leerer Airbus wartet schonSollte Permira auch in Basel und Zürich ähnlich aufgetreten sein, so verwundert die Trennung von Köhli und anderen Managern wegen “unterschiedlicher strategischer Ansichten” kaum. Ein offensichtlicher Fehler von Permira ist, dass Köhli kein Konkurrenzverbot erhalten hat. Das sei vergessen worden, heißt es hinter vorgehaltener Hand. “Das haben wir so vereinbart”, sagt Köhli. “Ich wollte lieber frei sein.” Misserfolge scheint der Mann nicht zu befürchten - das neue Firmengelände wurde durch AMAC für die Dauer von 35 Jahren vom Basler Flughafen gepachtet. Köhli fängt nun mit AMAC dort an, wo Jet Aviation vor gut 15 Jahren stand: Bei demnächst etwa 300 Mitarbeitern und mit exzellenten Kontakten zu großen Flugzeugherstellern und zur reichen Kundschaft. Jetzt schon steht ein leerer Airbus A 320, der einem Kunden aus dem Mittleren Osten gehört, auf dem Basler Flughafen und wartet bis der neue Hangar im September fertig sein wird. 30 Millionen Euro zahlt der Kunde für den Ausbau. Man wolle schließlich, sagt Köhli, “klein anfangen”.
Quelle: FREITAG. Die Ost-West-Wochenzeitung 28/29 vom 11.07.2008. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlags. Veröffentlicht amArtikel ausdrucken |
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