Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie e.V.

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Kampf um globale Ressourcen - Verteilungsgerechtigkeit statt Militarisierung!

Von Michael Schmid Impulsreferat bei der Tagung “Überwindung von Gewalt gegen Menschen und Erde”   vom  18.-20.07.2008 im Haus Birkach in Stuttgart. Michael Schmid engagiert sich seit Jahrzehnten in den Neuen Sozialen Bewegungen; er ist ehrenamtlicher Geschäftsführer beim Verein Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie.

Die Wirtschafts- und Lebensweise in den reichen Industrieländern des Nordens basiert auf einem hohen und weiter steigenden Verbrauch von Rohstoffen. Rohstoffe ihrerseits sind aber nicht vermehrbar und zumeist auch nicht regenerierbar. Diese moderne Wachstumsgesellschaft, die von einer Unendlichkeit und Unerschöpflichkeit der Rohstoffe ausgeht, verträgt sich nicht mit einer Verknappung der Rohstoffe. Die Misere und die Gefahren werden nirgendwo so deutlich sichtbar wie vor allem beim wichtigsten Rohstoff, dem Erdöl.

Die G7-Staaten, also die wichtigsten Industrieländer USA, Japan, Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien und Kanada, sind gerade einmal in der Lage, ein Drittel ihres Ölverbrauchs aus eigenen Quellen zu decken. In den kommenden Jahrzehnten soll ihr Ölverbrauch noch stark steigen. Laut Cheney-Report, also dem offiziellen Bericht der US-Regierung, müssen die USA im Jahre 2020 rund 70% ihres gesamten Energieverbrauchs aus Importen decken. Für die EU wird die Lage noch schwieriger. In rund einem Jahrzehnt werden die Öl- und Gasfelder der Nordsee erschöpft sein. Dann wird die EU Öl und Gas zu 80 bis 90% einführen müssen.

Dazu kommt, dass die Industrieländer, die seit Jahrhunderten ein Privileg auf die Ausbeutung von Rohstoffen genießen, neue Konkurrenz bekommen haben. Seit Anfang des Jahrtausends sind die Schwellenländer, vor allem China und Indien, als ernst zu nehmende Akteure im Kampf um die Rohstoffe hinzu gekommen. Ihr Verbrauch an Öl wird weiter rasant ansteigen.

Allerdings gibt es einen sehr ungleichen Verbrauch von Öl. So verbrauchte 2003 ein Einwohner der USA durchschnittlich 26 Barrel Öl, und ein Bundesbürger 11,7, während in China statistisch auf jeden Einwohner 1,7 Barrel kamen, in Indien 0,8 und in Bangladesch nur 0,2 Barrel.

Nun stehen Erdöl und andere fossile Energieträger nicht unendlich zur Verfügung. Nach Meinung vieler Experten soll der Peak beim Öl, der Höhepunkt der weltweiten Ölförderung, im Zeitraum zwischen 2010 und 2015 erreicht sein. Die Hälfte der Vorräte ist dann verbraucht, nun nehmen die Bestände jedes Jahr ab, das Ölzeitalter ist ohne Perspektive.

Verfügbarkeitskonflikte bis hin zu Kriegen um “billige” Restressourcen

Zur Neige gehende Reserven einerseits und wachsender Bedarf andererseits führen zwangsläufig zu steigenden Energiekosten, die einschneidende Gefahren für die Weltwirtschaft bergen und das soziale Gefüge von Gesellschaften zu zerreißen drohen. Konflikte um die Verfügbarkeit bis hin zu Kriegen um “billige” Restressourcen sind in dieser Entwicklung angelegt.

Die großen Energieverbraucher USA, Europa und China streben weltweit nach einer Sicherung ihrer Rohstoffversorgung. Die Militärpräsenz der USA in Nahost und Zentralasien zeugt davon, dass sie sich auf zunehmende Konkurrenz bei sich dem Ende zuneigenden Ölvorräten eingestellt haben. Und die Kriege in Afghanistan und im Irak sind eindeutig Kriege für Öl, Kriege für die Vorherrschaft an der Tankstelle der Welt, die zwischen dem Nahen Osten und dem kaspischen Meer liegt.

Auch ein Land wie Deutschland, das unter derzeitigen Vorzeichen stark von Energieeinfuhren abhängig ist, sorgt dafür, dass ihm der Energiehahn nicht zugedreht werden kann. Nicht nur, aber auch mit militärischen Mitteln.

Traditionell wurde die Notwendigkeit der Bundeswehr mit der Verteidigung unseres Landes begründet. Doch das ist längst Geschichte. Es gibt einen Paradigmenwechsel weg von “Verteidigung” hin zu weltweiten Einsätzen. Ganz offen ist im aktuellen Diskurs von deutschen Militäraktivitäten zur Wahrung nationaler Rohstoff- und Energieinteressen die Rede. Doch dieser Verfassungsumsturz wurde von langer Hand vorbereitet. So heißt es z.B. in den “Verteidigungspolitischen Richtlinien”, die der damalige Bundesminister der Verteidigung, Volker Rühe, im November 1992 erließ, folgendes: “… Dabei lässt sich die deutsche Politik von vitalen Sicherheitsinteressen leiten: … Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des ungehinderten Zugangs zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt im Rahmen einer gerechten Weltwirtschaftsordnung”. Was immer das mit einer “gerechten Weltwirtschaftsordnung” angesichts des massiven wirtschaftlichen und militärischen Gefälles auf dieser Erde auch zu bedeuten hat. Auch das Weißbuch 2006 greift das Thema in dieser Form auf.

Die Abkehr von der Landesverteidigung hin zu weltweiten Einsätzen ist inzwischen längst Realität geworden. Die Zahl der weltweit im Einsatz befindlichen Bundeswehr-SoldatInnen schwankt laufend. Derzeit befinden sich nach Angaben des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr ca. 6.900 SoldatInnen weltweit im Einsatz. Zwischen 1992 und 2007 waren ca. 200.000 SoldatInnen im Auslandseinsatz. Ein Schwerpunkt der deutschen Auslandsmissionen befindet sich im Mittleren Osten, dort wo Zweidrittel der Welterdölreserven lagern.

Was wird für uns am Hindukusch verteidigt? Es entsteht der Eindruck, dass es vor allem um unseren westlichen Lebensstil geht, der im dortigen Krieg “verteidigt” werden soll.

“Wir verteidigen unsere Art zu leben - und das ist unser gutes Recht”, sagte Bundeskanzler Gerhard Schröder zur Rechtfertigung des Afghanistan-Krieges am 16.10.2001.

Solange 20 Prozent der Menschheit 80 Prozent der Rohstoffe verbrauchen und diese Art zu leben - auch in Deutschland - die Lebenschancen eines großen Teiles der Menschheit in anderen Kontinenten einschränkt und verhindert, muss dem früheren Bundeskanzler selbstverständlich deutlich widersprochen werden.

Grundlegende Energiewende notwendig

Aus verschiedenen existentiell wichtigen Gründen ist eine tiefgreifende Umstrukturierung der Energiepolitik notwendig.

Aus friedenspolitischer Sicht lautet die Alternative etwas plakativ ausgedrückt: Krieg um Öl oder Frieden durch die Sonne. Eine 100prozentige Energieversorgung über Sonne, Wind, Biomasse, Wasser und Erdwärme ist möglich. Und wer von dezentral erzeugten erneuerbaren Energien lebt, muss nicht rund um die Welt Kriege führen um knappe Rohstoffe und liefert kein Futter für den Bau von Atombomben.

Eine grundlegende Energiewende ist auch wegen den dramatischen Folgen für Klima und Umwelt des jetzigen fossilen Kurses notwendig. Die Folgen des Klimawandels haben tiefgreifende Auswirkungen auf die globalen Lebensbedingungen und Kulturen. Während wir im Norden Hauptverursacher von CO2 sind, werden in erster Linie und vor allem die Ärmsten dieser Erde durch den Klimawandel getroffen. Infolge des Klimawandels werden zudem neue Gewaltkonflikte entstehen, Bürgerkriege, gewaltige Flüchtlingsströme. Bestehende Gerechtigkeitslücken werden tiefer, nicht nur zwischen Nord und Süd, sondern auch zwischen den Generationen, was erheblichen sozialen Sprengstoff birgt.

Es gibt riesengroße Herausforderungen, die einen weltweiten zivilen Einsatz brauchen mit dem Ziel des gemeinsamen Überlebens der Menschheit. Militär ist dafür die völlig falsche Antwort.

Natürlich kann Frieden nur geschaffen werden, wenn die jetzige Entwicklung mit einer immer tieferen ökonomischen und sozialen Kluft zwischen verschiedenen Regionen und sozialen Gruppen umgekehrt werden kann, wenn diese Ungleichheit verringert wird, indem die Folgen der Kolonialisierung und die sich für einen Großteil der Menschheit ungünstig auswirkende internationale Arbeitsteilung überwunden werden. Es müssen faire Bedingungen für die Produktion und den Handel der Länder des Südens durchgesetzt werden (Steuer- und Zollerleichterungen für fair gehandelte Produkte; Abbau von Zöllen, Einfuhrbeschränkungen, nationalen Subventionen).

Frieden ist auch nur zu schaffen, wenn die wachsende Spaltung der Welt abgebaut und der Teufelskreis von Angst, Rache und Vergeltung überwunden wird. Alle Menschen haben ein unveräußerliches Grundrecht auf ein Leben ohne Ausbeutung und Verelendung, ohne Armut und Hunger, ohne Verfolgung und Vertreibung, ohne Gewalt, Terror und Krieg.

Verknüpfung von Theorie und Praxis: Das Beispiel Lebenshaus

Ich bin zu dieser Veranstaltung geladen worden als Vertreter einer kleinen Initiative, nämlich von Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie. Unser Verein mit Sitz in Gammertingen (Kreis Sigmaringen) ist vor genau 15 Jahren gegründet worden. Ich kann jetzt hier nicht Alles vorstellen, was wir machen.

Ganz grundsätzlich folgen wir einer Doppelstrategie. Einerseits wenden wir uns gemeinsam mit anderen Menschen und Organisationen öffentlich gegen Krieg, Militarismus sowie anderes Unrecht und setzen uns für grundlegende Veränderungen ein. Andererseits versuchen wir als kleine Gemeinschaft konkret etwas umzusetzen, was wir gesamtgesellschaftlich für wichtig ansehen. Ich möchte dies am Beispiel “Energie” kurz umreißen.

Zum 20. Tschernobyl-Jahrestag im April 2006 hat unser Verein eine Erklärung “Für eine grundlegende Wende in der Energiepolitik” verfasst. Damit haben wir eine äußerst öffentlichkeitswirksame Aktion durchgeführt. Wir haben seinerzeit um Unterschriften unter diese Erklärung gebeten sowie um finanzielle Beteiligung für die Veröffentlichung in Zeitungen. Es ist eingetreten, was wir in unseren kühnsten Träumen kaum zu hoffen gewagt haben, nämlich dass wir als wirklich kleine Organisation mit Unterstützung von über 700 Organisationen, Initiativen und einzelnen Menschen am 26. April 2006 zwei großformatige Anzeigen in der Frankfurter Rundschau und in der taz veröffentlichen konnten. Die Erklärung wurde von einem breiten Spektrum teils prominenter Menschen aus Wissenschaft, Kunst, Politik, Kirchen, Gewerkschaften, Gesundheits- und Sozialbereich, Medien und aus den sozialen Bewegungen mit getragen.Siehe ausführlich die Erklärung sowie die Auflistung der Unterzeichnenden unter: Erklärung: “Für eine grundlegende Wende in der Energiepolitik” .

Eine weitere Unterschriftenaktion, die wir nachdrücklich unterstützen und für die wir Unterschriften sammeln, die auf Wunsch auf unserer Website veröffentlicht werden, ist eine ökumenische Erklärung gegen Wirtschaftskriege.

Kritische Christen beziehen dabei Stellung gegen Vorstellungen, die auf eine Militarisierung der Rohstoff- und Energiefrage zielen. In dieser “Ökumenischen Erklärung” bringen sie folgende Überzeugung zum Ausdruck: Ökonomische Gesichtspunkte rechtfertigen “weder nach dem Völkerrecht noch nach der Friedensethik der christlichen Ökumene den Einsatz von tödlichen Waffen oder die Gefährdung des Lebens von Zivilisten und Soldaten.” Bislang wurde in den Kirchen unter Pazifisten und Befürwortern einer “bewaffneten Verteidigung” immer über unterschiedliche “Wege der Friedenssicherung” gestritten. Hier jedoch ist ein unüberbrückbarer Dissens bei den Zielen angesprochen.Siehe ausführlich die Erklärung sowie die Auflistung der Unterzeichnenden unter: Ökumenische Erklärung: “Treue zum Evangelium und Bekenntnis zum Gott des Friedens” .

Wir versuchen uns also durch Öffentlichkeitsarbeit und Aktionen für einen gesellschaftspolitischen Wandel zu engagieren. Und dies im Bündnis mit anderen Organisationen und Gruppierungen.

Gleichzeitig wollen wir als Lebenshaus unsere Erkenntnisse nicht nur öffentlich proklamieren, sondern diese durch glaubwürdiges Handeln untermauern. Im Umgang mit Energie geht es uns um Energieeinsparung einerseits, andererseits um die Nutzung erneuerbarer Energien.

Unser Verein ist im Besitz eines eigenen Gebäudes. In diesem Gebäude können Menschen, die sich in schwierigen Lebenslagen befinden, zeitlich befristet gemeinsam mit der Kerngruppe leben.

Seit wir dieses Gebäude (Baujahr 1949) besitzen, wurden dort verschiedene Maßnahmen zur Einsparung von Energie getroffen. Unseren Strom beziehen wir seit vielen Jahren in Form von Ökostrom von den “Stromrebellen” der Elektrizitätswerke Schönau.

Aktuell sind wir dabei, eine weitere energetische Sanierung dieses Gebäudes durchzuführen, die dazu führen wird, dass wir mit dem Lebenshaus bei der Wärmeerzeugung für Heizung und Warmwasser ganz vom Öl wegkommen und gleichzeitig den Energiebedarf deutlich senken können. Das klimaschädliche CO2 können wir dadurch von über 15 Tonnen im Jahr auf unter drei Tonnen verringern.Siehe hierzu auch “Ökologische Umgestaltung von Lebenshaus-Gebäude” .

Das ist insgesamt ein relativ teures Projekt, das über 100.000 € kosten wird. Bei der Finanzierung setzen wir darauf, dass sich unser bereits bewährtes Finanzierungsmodell mit Spenden und zinslosen Darlehen erneut bewähren wird. Auf diese Weise können wir zumindest einen Teil der Kosten decken.

Wir haben übrigens in den vergangenen 15 Jahren überaus positive Erfahrungen mit unserem alternativen Finanzierungsmodell gemacht. Dass wir als kleiner Verein ein eigenes Gebäude kaufen und ausbauen konnten, war nicht etwa möglich weil wir entsprechende Zuschüsse bekommen hätten. Die gab es nicht. Vielmehr sind viele hunderttausende von Euro durch Spenden und überwiegend zinslose Darlehen von einzelnen Menschen zusammen gekommen.

Natürlich ist das alles nichts so Großartiges, was wir mit unserem Projekt im Kleinen versuchen bzw. verwirklichen. Aber es ist ja so, dass es ohne Kleines auch nichts Großes gibt. Und es ist eine Tatsache, dass inzwischen weltweit ganz praktisch schon viel Richtiges, Neues geschieht. Leider wird es oft gar nicht bemerkt, dass die Ideen von einer anderen, besseren Welt und die Arbeit an deren praktischen Umsetzung, an der Tagesordnung sind. Aber es gibt sie, diese Menschen, Gruppierungen, Netzwerke, weltweit und mächtig und unaufhaltsam wachsend.

Fußnoten

Veröffentlicht am

27. Juli 2008

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