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Eine atomwaffenfreie Welt - Vision und Wirklichkeit: 3. Testopfer Südpazifik von Atomwaffen befreit - Der Vertrag von Rarotonga

Von Wolfgang Kötter

“Bravo” nannten die USA-Militärs ihren größten Atomwaffentest aller Zeiten. Sie zündeten die Wasserstoffbombe am 1. März 1954 auf dem Bikini-Atoll im Südpazifik. Mit 15 Megatonnen entwickelte sie die tausendfache Vernichtungskraft der über Hiroshima im Sommer 1945 abgeworfenen Atombombe, die 240.000 Menschenleben gefordert hatte. Selbst vor Ort anwesende Experten waren von dem gewaltigen Blitz und dem schier endlos wachsenden Feuerpilz überrascht, denn durch einen Rechenfehler der Atomwissenschaftler im Entwicklungslabor von Los Alamos übertraf die Explosion die erwartete Stärke bei weitem. Der unvorhergesehen nach Südost drehende Wind trieb die radioaktive Wolke direkt über die benachbarten Inseln Rongelap, Rongerik und Utirik und fügte deren Bewohnern schmerzhafte Verbrennungen zu. Mit menschenverachtender Fahrlässigkeit zündeten die USA zwischen 1946 und 1958 insgesamt 67 atmosphärische Nukleartests auf den Marshall-Inseln. Wider besseres Wissen erlaubten die Militärs im Jahre 1957 den evakuierten Einwohnern von Rongelap die Rückkehr auf die Insel, da diese angeblich strahlenfrei sei. Erst im Frühjahr vergangenen Jahres sprach ein Gericht den Opfern der radioaktiven Verseuchung insgesamt eine Milliarde Dollar zu. Bisher wurde allerdings noch kein einziger Cent davon gezahlt.

Auch die Atomacht Großbritannien hatte im März 1952 damit begonnen, Kernsprengsätze auf den Monte-Bello-Inseln in Australien und den Christmas Islands zu testen, musste aber nach heftigen Protesten wegen des nuklearen Fallouts bei weiteren Versuchen auf das amerikanische Testgelände im Bundesstaat Nevada ausweichen. Frankreich verschwieg jahrzehntelang die Folgen der zwischen 1966 und 1974 in der Atmosphäre über den Südsee-Atollen Moruroa und Fangataufa gezündet 41 Atombomben. Ihnen folgten rund 170 unterirdische Kernwaffenversuche, ehe im Mai 1996 die Testanlagen auf den Polynesien-Inseln Moruroa und Fangataufa endgültig geschlossen wurden.

Bis dahin waren die Testinseln längst zu radioaktiven Mülldeponien verkommen und wurden durch Erdrutsche und Bodenabsenkungen entstellt. Verseuchtes Grundwasser sickerte in den Stillen Ozean - Tausende Bewohner, die einst auf dem Testgelände arbeiteten, sind immer noch verstrahlt. Die Langzeitwirkungen der Nukleartests rufen bis heute massenhaft Leukämie und andere Krebserkrankungen hervor, sie verursachen genetische Schäden, Erbkrankheiten und Schwächungen der Immunsysteme. Zwei französische Wissenschaftler untersuchen zurzeit, warum die Schilddrüsenkrebsrate auf den Pazifikinseln doppelt bis dreifach so hoch ist wie in Frankreich. Auch Leukose tritt abnormal häufig auf. Die Vereinigung der Atomtestopfer “Moruroa e Tatou” (Wir sind Moruroa) fordert vom französischen Staat für die Geschädigten zumindest eine kostenlose medizinische Behandlung sowie Entschädigungen und Pensionen für die Hinterbliebenen. Bisher ohne Erfolg.

Die verheerenden Auswirkungen der von Frankreich, Großbritannien und den USA im Pazifik unternommenen Kernwaffentests entfachten eine enorme Protestbewegung der betroffenen Einwohner. Vor allem die fortgesetzten Atomwaffenversuche, die Paris noch bis in die neunziger Jahre im Südpazifik betrieb und die verbreitete Praxis, dort nukleare Abfälle zu versenken, bildeten schließlich die auslösenden Momente für die regionale Initiative. Auf Rarotonga, der Hauptinsel der Cook-IsIands, unterzeichneten die Regierungen am 6. August 1985 den “Vertrag über eine nuklearfreie Zone im Südpazifik”. Der Vertrag ist seit 1986 rechtswirksam und bis auf die Marshallinseln, Mikronesien und Palau gehören ihm die restlichen 13 Staaten der Region an. Grundsätzlich modelliert nach dem lateinamerikanischen Vorbild, geht er in zwei Punkten weiter. Auch sogenannte friedliche Kernexplosionen, die zwangsläufig radioaktive Verstrahlungen der Umwelt zur Folge hätten, sind verboten. Außerdem verpflichten sich die Nuklearmächte in einem dritten Zusatzprotokoll zum Verzicht auf Kernwaffenversuchen im Südpazifik. Mit Rücksicht auf die Interessen der USA setzte Australien allerdings einen Passus durch, nach dem jeder Teilnehmer selbst über die Anwesenheit von nuklear bewaffneten Schiffen oder U-Booten in seinen Häfen und Gewässern entscheiden darf.

Bisherige Kernwaffenversuche
Land Anzahl Testgebiete
USA 1 146 New Mexico und Südpazifik, später Wüste von Nevada
UdSSR/Russland 715 Nowaja Semlja, Semipalatinsk
Frankreich 215 Sahara, später Polynesieninseln Moruroa und Fangataufa
China 45 Wüste Lop Nor
Großbritannien 44 Südpazifik, später Wüste von Nevada
Pakistan 6 Chagai-Berge in Baluchistan
Indien 5 Thar-Wüste von Rajasthan
KDVR 1 nahe Kilju in der nordöstlichen Provinz Hamkyong
gesamt 2 177  

Quellen: Arms Control Association, Bulletin of the Atomic Scientists

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Veröffentlicht am

01. August 2008

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