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Russland knallhart

Freunde hat die Moskauer Führung sich nicht gemacht, als sie Südossetien und Abchasien anerkannte. Das war auch nicht ihre Absicht. Feindschaft aber darf nicht die Antwort sein.

Von Karl Grobe

Russlands Präsident hat sich nicht lange mit Nachdenken und Formalitäten aufgehalten. Dmitri Medwedew ist dem von seiner Entourage ins Parlament getragenen und dort einstimmig bewilligten Aufruf sofort nachgekommen: Er hat die von Georgien abgefallenen Provinzen als Staaten anerkannt. Damit hat Russland die territoriale Integrität des souveränen Staats Georgien zerstört.

Es hat jenen Grundsatz des Völkerrechts außer Kraft gesetzt, der Staatsgrenzen als unverletzlich erklärt. Es wird dort Truppen stationieren - nicht nur in Südossetien und Abchasien, sondern auch in einem "Sicherheitsstreifen", den es gnädig noch als georgisches Territorium anerkennt, und sich in aller Unschuld auf die halbgare Abmachung berufen, die Nicolas Sarkozy als Präsident Frankreichs und derzeitige Nummer eins der EU mit den im Wortsinn Gewaltigen des Kreml geschlossen hat.

Darin war von der territorialen Integrität Georgiens nicht die Rede. Die Unterlassung als Freibrief zu interpretieren, vermeidet die Moskauer Führung freundlicherweise; sie braucht keinen solchen Passierschein, sie fühlt sich stark.

Wer darüber überrascht ist, kann in den vergangenen Monaten nicht zugehört haben. Seit Kosovo nicht. Die Aufwertung dieser einst serbischen Region zum Staat hat den Herren an der Moskwa ein Argument geliefert, ob heute Medwedew oder damals Putin, der - ein ihm sicher nicht unangenehmer Seiteneffekt der Chose - klarstellen konnte, wer auf dem Tandem Präsident / Premier die Lenkstange in der Hand hat.

Wladimir Putin hat seit langem angesagt, wie der russische Bär läuft: auf der Fährte der Großmacht, dem Beispiel der Bush-Regierung folgend im leicht trügerischen Bewusstsein, ebenso stark zu sein wie jene.

Es war ein Fehler, die Ankündigungen und Warnungen des damaligen russischen Präsidenten für bloße Rhetorik zu halten; eine Dummheit eigener Art, die administrativen Veränderungen im Verhältnis Moskaus zu den beiden abtrünnigen Regionen allenfalls nachrichtlich zur Kenntnis zu nehmen.

Putin hat, dies nebenbei, lange vor seiner Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz die Marschzahl genannt. Gründlich nachgefragt, was denn da nach Kosovo in den Kreml-Sälen ausgedacht wurde und wie es durch Verhandlung, vielleicht Kuhhandel, durch ziviles (also nicht militärisches) Reagieren eingehegt werden könnte, hat wenigstens die verantwortliche Supermacht jenseits des Atlantiks nicht.

Die kaukasische Krise ist nun allerdings nicht isoliert. Aus der Sicht der russischen Regierung zählt die Westdrift Georgiens seit der "Rosenrevolution" von 2003 zu den Nadelstichen und Provokationen, die Russland seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion hinnehmen musste. Ost-Erweiterung der Nato im Gegensatz zu dem Versprechen, dies gerade nicht zu tun; Anstachelung oder wenigstens Förderung von Volksbewegungen in der Ukraine und in Kirgistan; Stationierung von US-Truppen in Zentralasien; Einrichtung von Transportwegen für zentralasiatisches Öl und Gas, so dass diese Rohstoffe nicht mehr über russisches Territorium geleitet werden müssen.

Man muss nicht alles aufzählen und braucht auf die Kündigung diverser Rüstungskontrollverträge durch Washington nicht zu verweisen, um der Logik auf die Spur zu kommen, die das Kreml-Tandem zu der aktuellen Grenzverletzung geführt haben.

Nein, Freunde hat Russlands Führung sich damit nicht gemacht. Das war auch nicht ihre Absicht. Feindschaft kann aber nicht das dringende Gebot des Tages sein. Es kommt nun mehr als vor Wochen noch darauf an, Gesprächskanäle offenzuhalten und zu nutzen.

Gefährlich genug ist die Konstellation an der östlichen Schwarzmeerküste: Flottenmanöver der Nato, die angeblich nichts mit dem aktuellen Konflikt zu tun haben, aber den Kontext auch nicht in ideologische Rettungsboote ausschiffen können; die faktische Seeblockade der georgischen Häfen Poti und vielleicht Batumi durch Russland; das Risiko eines Missverständnisses, das sich in dieser Spannungslage zum unfreundlichen Austausch von Torpedos und leichterer Munition aufschaukeln könnte. Da muss jeder heiße Draht in Bereitschaft gehalten werden, um den größeren Konflikt zu vermeiden.

Das Gefahrenpotenzial ist größer, als die von Wahlkampfinszenierungen ergriffene US-Öffentlichkeit wahrnimmt. Die Sinne des alten Europa sind durch den Kalten Krieg anders geschärft, und die Erinnerung lebt noch, was selbstbewusste Entspannungspolitik zum Nutzen aller vermag.

Quelle: Frankfurter Rundschau   vom 26.08.2008. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Karl Grobe.

Veröffentlicht am

27. August 2008

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